Robert Ziegler im "Niederösterreich heute"-Studio, im Herbst 2021 und gerade vom Chefredakteur zum ORF-Landesdirektor ab 2022 avanciert.

Foto: ORF / Hans Leitner

Wien – Ein ORF-Chefredakteur, der seinen Redakteurinnen und Redakteuren erklärt, welche Politiker mit welchem O-Ton wo vorzukommen haben. Der in einen von der "ZiB" abgenommenen Beitrag eine Wortspende der Landeshauptfrau reklamiert. Der Rücksicht auf kommerzielle Kooperations- und Werbepartner einmahnt.

Dieses Sittenbild eines eng mit der Landesregierung verwobenen, GIS-Gebühren-finanzierten Rundfunks zeichnen Unterlagen und Chats aus dem ORF-Landesstudio Niederösterreich, die dem STANDARD, der "Presse" und dem SPIEGEL vorliegen.

Ziegler: "Diffuse und zum Teil absurde Vorwürfe"

"Ich kann nur festhalten, dass es sich um diffuse und zum Teil absurde Vorwürfe handelt", erklärt Ziegler auf STANDARD-Anfrage: "Im ORF Niederösterreich arbeiten selbstständige, qualifizierte und unabhängige Redakteurinnen und Redakteure, die täglich ausgezeichnete Arbeit leisten." Und: "Ich habe meine Tätigkeit als Chefredakteur nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt."

"Da mir die Unterlagen und Dokumente nicht vorliegen, kann ich auch nur Stellung nehmen zu Punkten, die ich aktuell in Erinnerung habe", schreibt Ziegler in seiner Stellungnahme. Zu einigen konkreten Vorhalten erklärt er, er könne sich daran nicht erinnern.

Rücktrittsforderungen an Ziegler und Mikl-Leitner

Updates: Der ORF lässt verlauten es lägen intern "keinerlei Beschwerden" gegen Ziegler vor, die den Vorwürfen gehe man nun nach. Die Grüne Landessprecherin Helga Krismer fordert in einer Reaktion Zieglers sofortigen Rücktritt als Landesdirektor des ORF und eine Untersuchung der Vorgänge. Auch FPÖ-Landeschef Udo Landbauer fordert Zieglers Rücktritt. Das Anhörungsrecht für Landeshauptleute vor der Bestellung von Landesdirektoren müsse aus dem ORF-Gesetz gestrichen werden. Die Landes-SPÖ fordert den Rücktritt von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner "aus demokratiepolitischer Verantwortung und im Sinne der Pressefreiheit". Neos–Landessprecherin Indra Collini fordert "lückenlose Aufklärung" der Vorgänge.

Die Unterlagen dokumentieren das Schaffen von Robert Ziegler als Chefredakteur des Landesstudios Niederösterreich. Er wurde im September 2021 vom Stiftungsrat zum Landesdirektor des ORF im größten Bundesland bestellt. Entscheidend dafür war jene ÖVP-nahe Mehrheitsfraktion im Stiftungsrat, die wenige Wochen zuvor auch Roland Weißmanns Wahl zum ORF-General bestimmt hatte.

ORF-Chefredakteur im Fraktionstreffen der ÖVP-Stiftungsräte

Ziegler kennt diese Mehrheitsfraktion von innen: Er war bis zu seiner Bestellung zum Chefredakteur 2015 selbst als bürgerlicher Betriebsrat Mitglied des obersten ORF-Gremiums. Und er nahm, wie ein dem STANDARD vorliegender Screenshot aus dem Frühjahr 2021 zeigt, weiterhin an den Fraktionssitzungen des ÖVP-nahen Freundeskreises teil.

Laut diesem Screenshot ist gerade Gerald Fleischmann, der damalige Medienbeauftragte des damaligen Kanzlers und ÖVP-Chefs Sebastian Kurz, am Wort. In der Videokonferenz des Freundeskreises vor der Generalswahl 2021: Kandidat Roland Weißmann, damals Vizefinanzdirektor des ORF, aber etwa auch die damaligen ORF-Landesdirektoren von Oberösterreich und Niederösterreich, Kurt Rammerstorfer und Norbert Gollinger. Dessen Job hat Ziegler seit Anfang 2022 – nach Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Chef vom Dienst, stellvertretender Chefredakteur und ab 2015 Chefredakteur im Landesstudio.

"Ich treffe immer wieder Stiftungsräte von unterschiedlichen Entsendern", erklärt Ziegler dazu auf Anfrage.

Was das ORF-Redaktionsstatut vorschreibt

Wie Ziegler diese führenden journalistischen Funktionen ausübte, zeigen die Unterlagen aus dem Studio. Mit dem Redaktionsstatut des ORF scheinen die hier dokumentierten Abläufe und Gebräuche schwer vereinbar. Das – auch für Landesstudios gültige – Statut schreibt etwa vor:

"Kein Redaktionsmitglied darf dazu verhalten werden, in Ausübung der journalistischen Tätigkeit etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht."
"Die Eigenverantwortlichkeit der Redaktionsmitglieder bezieht sich auf die selbstständige Gestaltung von Sendungen, Beiträgen, besonderen Nachrichtensendungen und der interaktiven Bereiche im Rahmen der Bestimmungen des ORF-Gesetzes und der Programmrichtlinien."

Aber das Redaktionsstatut sagt auch:

"Redaktionsmitglieder, zu deren Aufgabe es gehört, Sendungen zusammenzustellen und/oder die Endredaktion zu übernehmen, und die deshalb das Recht haben, Beiträge abzulehnen oder zu verändern, müssen versuchen, über wesentliche inhaltliche Eingriffe Einvernehmen mit dem betroffenen Redaktionsmitglied herbeizuführen."

Neuer Beitrag für die "ZiB" mit O-Ton der Landeshauptfrau

Eine Redakteurin des Landesstudios Niederösterreich muss, schon auf dem Weg ins Wochenende, noch einmal ins Studio zurückkommen, um einen O-Ton von Landeshauptfrau Mikl-Leitner in einen Beitrag für die "Zeit im Bild" zu schneiden.

Der Beitrag über den Abbruch der Premiere beim Musikfestival Grafenegg ohne Originalton ist am 15. August 2020 schon auf den Küniglberg geschickt, von der zuständigen Kulturredakteurin dort und dem Chef vom Dienst der "ZiB" abgenommen.

"Eklatanter Verstoß gegen ORF-Gesetz und Redaktionsstatut"

Ziegler bestätigte damals den "Hinweis" an die Redakteurin in einem Schreiben an den ORF-Redaktionsrat. Dieser sah darin einen "eklatanten Verstoß gegen ORF-Gesetz und Redaktionsstatut, diese verbieten nämlich jeden Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit".

Ziegler erklärte, die Redakteurin des Landesstudios habe "unabhängig und eigenverantwortlich" den O-Ton der Landeshauptfrau auf seinen Hinweis hin nachträglich eingebaut, und dieser sei "journalistisch gerechtfertigt".

Der hineinreklamierte O-Ton der Landeshauptfrau lautete übrigens: "Denn Kultur ist eine wichtige Lebensader für die Menschen als Kraftquelle, aber vor allem auch als touristischer Magnet. Und deswegen sind wir dankbar, dass Grafenegg 2020 stattfindet." (Gemeint: im ersten Corona-Jahr.)

Ziegler erklärt dazu: "Die Beschwerde wurde von einem Schiedsgericht behandelt und auf Grundlage des Redakteurstatuts zurückgewiesen."

Fälle wie dieser hätten zu einer Änderung des ORF-Redaktionsstatuts geführt, sagt Redaktionsratsvorsitzender Dieter Bornemann auf STANDARD-Anfrage. Denn ein dazu angerufenes Schiedsgericht erklärte sich nicht zuständig, weil die Redakteurin des Landesstudios umgesetzt habe, was Ziegler wollte. Das Schiedsgericht ist nur für Streitfälle zuständig. Nun gehen solche Fälle laut neuem Statut zunächst zum ORF-internen Ethikrat, der – paritätisch von Redaktionsrat und Geschäftsführung – mit Journalistinnen und Journalisten besetzt ist.

Was sich ein Chefredakteur wünscht

Robert Ziegler hatte als Chefredakteur viele sehr konkrete Hinweise an seine Redaktion, geht aus den Unterlagen hervor. Häufig im Sinne der Landeshauptfrau und der ÖVP Niederösterreich, oft auch im Sinne landesnaher Unternehmen und Kooperationspartner des Landesstudios. "Kommunikationslandesrat" wurde Ziegler im Studio schon hinter vorgehaltener Hand von Redaktionsmitgliedern genannt.

Wie liefen die "Wochensitzungen" beim ORF Niederösterreich unter Chefredakteur Robert Ziegler zur Planung der Berichterstattung nach Angaben von Sitzungsteilnehmern ab?

Die Terminliste für Pressekonferenzen und Termine der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der Mitglieder der Landesregierung wurde nach diesen Angaben nach Möglichkeit komplett besetzt, nach Angaben von Sitzungsteilnehmern ohne wesentliche Rücksicht auf Themen. Diese Terminliste nennt üblicherweise nur teilweise Themen der Pressekonferenzen.

Wer in der Berichterstattung etwa über diese Termine zu Wort kommt, legte Ziegler nach diesen Informationen selbst häufig bereits in der Wochensitzung fest. Dieses System habe sich über die Jahre so verfestigt, dass es kaum Widerspruch der Redakteurinnen und Redakteure gegeben habe.

Ziegler erklärt dazu auf STANDARD-Anfrage: "An eine Besetzung von Terminen, deren Themen nicht bekannt sind, erinnere ich mich nicht. Sie ergäbe ja auch keinen Sinn. Selbstverständlich gehört der Austausch über Inhalte zum Redaktionsalltag."

"Milei" im Bild

Wesentlichste Wortspenderin aus der Sicht von Niederösterreich-Chefredakteuren: Landeshauptfrau Mikl-Leitner, intern gern abgekürzt als "milei", kommt bei Anwesenheit vor das Mikro. Das Prinzip galt jedenfalls schon unter Zieglers Vorgänger auch als Chefredakteur, Norbert Gollinger, für Langzeitlandeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP).

Selbst unter den neun "Bundesland heute"-Sendungen des ORF stach "Niederösterreich heute" meist mit der höchsten Präsenz des jeweiligen Landeschefs hervor, bei den Quoten liegt die Niederösterreich-Ausgabe gemeinsam mit Wien häufig auf den hinteren Plätzen.

Nach dem Landeschef oder nun der Landeschefin kommen die Landesräte in der Prioritätenliste der Wortspenden. Auch die Reihenfolge von O-Tönen und Stellungnahmen oder Anfragen dafür legte Chefredakteur Ziegler schon fest. Dokumentiert ist etwa, dass er sich zu einem Thema eine Anfrage an die SPÖ verbeten hat. Dass er Fragen an Politiker vorgab.

Ein Chat unter Redakteuren dokumentiert, dass Ziegler eine Story nicht ohne Stellungnahme der ÖVP veröffentlichen wollte – diese aber habe "auf stumm geschaltet".

Ziegler erklärt zur Vorgabe der Reihenfolge von O-Tönen: "Ich kann mich an so etwas nicht erinnern. Wer angefragt wird, ist Sache des/der jeweiligen Redakteurs/in – im Austausch mit dem jeweiligen CvD und auch dem CR." (CR steht für Chefredakteur, CvD für Chef vom Dienst)

"Da darf niemand dreinreden"

Darf ein Chefredakteur im ORF Journalistinnen und Journalisten vorgeben, welche O-Töne sie für einen Beitrag einzuholen und im Beitrag zu verwenden haben? ORF-Redaktionsratsvorsitzender Dieter Bormann verneint das entschieden: "Ressortleiter oder Chefredakteure können natürlich gute Tipps geben. Wer aber interviewt wird und wie der Beitrag journalistisch korrekt gemacht wird, das ist ausschließlich Sache der Redakteurin oder des Redakteurs. Da darf niemand dreinreden."

Der Sendungsverantwortliche habe natürlich das Recht, einen Beitrag nicht zu senden, wenn er nicht in die Sendung passt oder nach seiner oder ihrer Einschätzung journalistisch nicht korrekt ist. Über solche Meinungsunterschiede werde üblicherweise geredet, meist könne man sich einigen. Im Streitfall ist der Ethikrat und in weiterer Folge ein Schiedsgericht am Wort.

Landeshymne, letzte Strophe, bitte!

Robert Ziegler hat noch viel detailreichere Wünsche an die Journalistinnen und Journalisten des Landesstudios. Zum Landesfeiertag am 15. November im Corona-Jahr 2020 schickt er per Mail eine umfangreiche To-do-Liste unter der Einleitung "Aktuelles zum Landesfeiertag".

Punkt 2 listet unter "Mit LH ist es so" wörtlich:

  • "So Journale Story mit OTs von Milei
  • So früh Online-Story aus Milei Videobotschaft – bitte das Video selbst aber erst um 13 Uhr verlinken
  • NÖ heute: Milei ca 2 min + Landeshymne 1 Strophe am Schluss der Sendung (am besten die letzte Strophe, weil da passt der Schluss)."

Darunter Wetransfer-Links zur der Videobotschaft und zur Aufnahme der Landeshymne mit Musikschülerinnen und Musikschülern.

Sie wird tatsächlich die Sendung beenden. Die letzte Strophe mit "passendem Schluss" lautet:

Getreu dem Geist der Ahnen,

wir schaffen uns das Brot

und halten hoch die Fahnen

blau-gold und rot-weiß-rot.

Wenn sie im Winde wehen,

an ernster Mahnung reich,

gilt es, zu dir zu stehen,

mein Niederösterreich.

Ziegler dazu: "Es gab eine Videobotschaft der Landeshauptfrau, aus der die Redaktion einen Beitrag mit Auszügen gestaltete. Am Ende der Sendung gab ein kurzes Online-Video von NÖ MusikschülerInnen, die wegen Corona einzeln zu Hause musizierten."

Sprachregelung: Attentäter kein "christlicher Fundamentalist"

Eine andere Anordnung Zieglers im Landesstudio beschäftigte schon Juristen bis hinauf zum Verfassungsgerichtshof. Ziegler wies die Redaktion 2011 an, den Attentäter von Oslo und Utoya in Norwegen nicht als "christlichen Fundamentalisten" zu bezeichnen, sondern "als 'religiösen Fanatiker'" oder "Rechtsextremisten".

Die Medienbehörde Komm Austria und die – damals – zweite Instanz Bundeskommunikationssenat stellten fest, Ziegler habe mit seiner Anordnung journalistische Freiheit beschränkt. Der Verfassungsgerichtshof indes stellte 2013 fest: ORF-Organe dürften gegenüber Journalisten "auf Bewertungen Einfluss nehmen, die – zumal bei unsicherer Tatsachenlage – eine Berichterstattung zur Folge haben könnten, die in Konflikt mit den gesetzlichen Vorgaben geraten könnte". Verletzt würde das Gesetz, wenn sie "Tatsachen zu unterdrücken" suchten.

Auf diese Entscheidung des Höchstgerichts soll Ziegler intern in der Vergangenheit bei seinen Hinweisen für die Berichterstattung verwiesen haben.

Input aus dem Landeshauptfrau-Büro

In den Unterlagen aus dem Landesstudio finden sich auch Mails aus dem Büro der Landeshauptfrau und von Wirtschafts- und Sportlandesrat Jochen Danninger (ÖVP). Die Pressesprecher schlagen zu Terminen mit ihren Chefs Möglichkeiten für Kameraschwenks und Interviewpartnern vor, die sich dann allesamt auch in den Beiträgen zu "Niederösterreich heute" wiederfinden.

In einer anderen Mail schickt Mikl-Leitners Pressesprecher Martin Brandl "ein kurzes Statement"; Ziegler bittet seine Redaktion gleich per Mail um dessen Einbau in Radio, TV und online. In einer anderen Mail an Ziegler bedankt sich Danningers Pressesprecher Andreas Csar für "eure Flexibilität bei der gestrigen Sportgeschichte. Es war super, dass LR Danninger noch seine Forderung in letzter Minute unterbringen konnte!" Die mit derselben Mail avisierte Eröffnung eines weiteren Bauteils eines Technologie- und Forschungszentrums mit Danninger wird dann auch verlässlich gecovert.

In einem Chat zwischen einem damaligen Pressesprecher von Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger und einem Redakteur erkundigt sich der Pressesprecher nach einem "komischen Telefonat" mit der beauftragten ORF-Journalistin, ob der Redakteur noch "einen Blick drauf werfen" kann, bevor der Beitrag einer Kollegin veröffentlicht wird. Diese – vom Pressesprecher vorgeschlagene – Wohnbaustory sei nämlich "ziemlich heikel".

Wie sieht Mikl-Leitners Sprecher den ORF Niederösterreich?

Teilt Mikl-Leitners Sprecher Martin Brandl eigentlich den Eindruck, dass die Landeshauptfrau und Landesräte aus den Reihen der ÖVP besonders häufig und besonders wohlwollend vorkommen? "Nein", schreibt Brandl auf STANDARD-Anfrage. Er erlebe die Berichterstattung des ORF Niederösterreich "genauso wie beim STANDARD oder anderen seriösen Redaktionen". Und er trage auch nichts bei zu diesem Eindruck des Landesstudios: "Meine Aufgabe ist professionelle Pressearbeit und ein respektvoller Umgang in der Zusammenarbeit mit Medien."

Lacher im ORF-"Rundgespräch" zur Hygiene Austria

Kritische Berichterstattung zur Landesregierung, zur ÖVP oder zu Kooperations- und Werbepartnern sind Mangelware: Den Eindruck des Landesstudios aus Publikumssicht untermauern die Unterlagen aus dem Studio.

Dass im Kremser Krankenhaus Sauerstoffleitungen eingefroren waren, wollte Ziegler laut Sitzungsteilnehmern nicht berichten, weil ja nichts passiert sei.

Über die Hygiene Austria hat das Landesstudio ab April 2020 sehr umfangreich und wohlwollend berichtet, über die Maskenproduktion in Wiener Neudorf und über Besuche von Ministerinnen und Ministern der ÖVP-Regierungsriege und von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

WKStA sitzt nicht in Niederösterreich

Als am 2. März 2021 Hausdurchsuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bekannt wurden, berichtete "Niederösterreich heute" 26 Sekunden in der Moderation und am nächsten Tag 59 Sekunden lang am Beginn der Meldungsübersicht. Erst als Landeshauptfrau Mikl-Leitner sich ein paar Tage danach kritisch in der "Krone" zur Hygiene Austria äußerte, kam auch das Studio in die Gänge.

Die Zurückhaltung des Landesstudios am Tag der Hausdurchsuchungen und unmittelbar danach wurde im sogenannten "Rundgespräch" der Landesstudios mit der "ZiB"-Redaktion argumentiert mit: Die WKStA habe ihren Sitz in Wien. Das geht aus einem Chat von ORF-Redakteuren hervor, kommentiert mit: "Ziegler blamiert das ganze Landesstudio mit seiner Message-Control zugunsten der ÖVP".

Ziegler erklärt dazu: "Die erste Meldung in 'Niederrösterreich heute" wurde am 2.3.2021 um 19 Uhr gesendet, nachdem die APA um 18.45 Uhr von Hausdurchsuchungen berichtet hat. Es folgten daraufhin in Radio und TV mehrere Meldungen und Berichte. An den "Rundgesprächen" habe ich nie teilgenommen."

Raiffeisen und Novomatic

Fotos mit Logos von Raiffeisen mussten in weniger erfreulichen Onlineberichten getauscht werden, heißt es in den Unterlagen. Einbrüche bei zwei Raiffeisen-Filialen und einer der Bank Austria im November 2020 waren zunächst auf noe.orf.at illustriert mit einem Foto, auf dem im Hintergrund eine Raiffeisen-Filiale zu sehen war. Es wurde – laut Unterlagen auf Wunsch Zieglers – gegen ein neutrales Bild getauscht. Eine Redakteurin wurde beauftragt, für Beiträge in allen ORF-Medien mit dem Sicherheitsbeauftragten von Raiffeisen zu reden. Onlinetitel: "Banken betonen die Sicherheit von Schließfächern".

Freundliche Behandlung von Raiffeisen weist Ziegler mit Verweis auf die Schließfach-Einbrüche zurück: "Es waren zwei Banken betroffen, über beide wurde berichtet."

Positive Berichterstattung über den Glücksspielkonzern Novomatic war im Landesstudio laut den Unterlagen ein Anliegen. Dass die Novomatic in Heinz-Christian Straches Ibiza-Video vorkam, war für das Studio kein Thema.

Infos, wonach die Novomatic ein Quiz auf Radio Niederösterreich sponserte, korrigiert Ziegler auf Anfrage: "Novomatic war nie Kooperationspartner bei einem Quiz, sondern Sponsor von Veranstaltungshinweisen außerhalb von ,NÖ Heute'. Ich weise darauf hin, dass im ORF Marketingkooperationen und Berichterstattung strikt getrennt sind."

Die Unterlagen verweisen zudem auf mehrere Beispiele, wo täglichen Werbetrailern für Events vor "Niederösterreich heute" am Wochenende ein redaktioneller Bericht über den jeweiligen Event in "Niederösterreich heute" folgte. Ein solches Muster gebe es nicht, erklärt Ziegler und betont die Trennung von Kooperationen und Berichterstattung.

Klatschen beim Landesparteitag

Die Dokumentation enthält ein Foto vom Landesparteitag der ÖVP Niederösterreich im März 2017, das Landesdirektor Norbert Gollinger zwei Reihen hinter dem scheidenden Landeshauptmann Erwin Pröll und dessen Nachfolgerin zeigt. Neben Gollinger sitzt der frühere ORF-Finanzdirektor und heutige "Kurier"-Vizechefredakteur Richard Grasl. ORF-Landesdirektor Gollinger applaudierte laut den Unterlagen bei dem Event Pröll dem scheidenden Landeshauptmann, das dokumentiere auch ein Video.

ÖVP-Landesparteitag 2017: Vorne der scheidende Landeshauptmann Erwin Pröll neben seiner Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner. Zwei Reihen dahinter in der Mitte des Bildes: der damalige ORF-Landesdirektor Norbert Gollinger.
Foto: privat

Der damalige Landesdirektor Gollinger bedankte sich per Rundmail bei Chefredakteur Ziegler und der Redaktion überschwänglich für die Berichterstattung über den Wechsel an der Spitze der ÖVP Niederösterreich. "Diese seriöse, ausgewogene und spannende Information dokumentiert unsere Kernkompetenz, die das Publikum schätzt. Dafür stehen wir als elektronisches, öffentlich-rechtliches Leitmedium im Land."

"Acht Landesstudios leisten unbestritten objektive Arbeit"

Die besondere Aufmerksamkeit des Landesstudios Niederösterreich für den jeweiligen Landeshauptmann störte schon einen ORF-General sichtlich. Als Alfred Dorfer 2009 die ORF-Landesstudios in seiner Satiresendung "Donnerstalk" als "politisch korrumpiert" darstellte, wies der damalige ORF-Chef Alexander Wrabetz seinen Programmdirektor in einer Mail zurecht: "Wahr ist, dass acht ORF-Landesstudios hervorragende, vollkommen unbestrittene objektive Arbeit in der politischen Berichterstattung leisten. Nur weil es in einem Bundesland öffentliche Diskussionen gibt, ist es unzulässig, die Arbeit der anderen Landestudios pauschal herunterzumachen. Und auch in jenem Bundesland, wo es Vorwürfe gibt, bemühen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um guten Journalismus."

Der Betriebsratsobmann des Landesstudios wies die Vorwürfe damals in einem Schreiben an den ORF-General empört zurück: "Das Landesstudio NÖ leistet hervorragende, vollkommen unbestrittene objektive Arbeit in der politischen Berichterstattung." Der Betriebsratsobmann hieß: Robert Ziegler. (Harald Fidler, Oliver Das Gupta, 16.12.2022)