Weiße Weihnachten sind Schnee von gestern. Immer seltener schneit es an Heiligabend, immer evidenter werden die Folgen der Klimakrise. Deshalb – und auch auf aufgrund der hohen Energiepreise – steht immer öfter auch die Nachhaltigkeit des Festes zur Debatte beim familiären Festessen. Manch eine will mit klimafreundlichen Alternativen alles richtig machen oder verzichtet ganz auf Tannenbaum und Deko. Wieder andere reden sich schön, dass massig Lametta und Geschenkpapier schon nicht so schlimm sein werden. Was ist an den Argumenten dran? Und wie nachhaltig kann Weihnachten wirklich sein?

Ein Plastikbaum ist zwar hässlich, dafür nachhaltiger als ein echter

Einen Baum extra für Weihnachten fällen? Das finden manche in Anbetracht der Klimakrise abwegig und verzichten der Umwelt zuliebe auf die Tanne. Gar keinen Christbaum zu haben ist natürlich die umweltfreundlichste Option. Auf eine Variante aus Plastik zu setzen ist es aber eher nicht – die Fakten sprechen mehr für Natur statt Fake.

Denn die Produktion des Plastikbaums tut der Umwelt nicht gut: Zwei Drittel des Fußabdrucks von 40 Kilogramm Treibhausgasen gehen auf die Herstellung und Verarbeitung zurück. Das berechnete die britische Organisation Carbon Trust. Bis eine PVC-Tanne nachhaltiger ist als eine jährlich neu gekaufte lebende Nadeltanne, muss man sich gedulden: Je nach Größe und Material ist sie das laut Carbon Trust erst nach dem siebenten bis zwanzigsten Weihnachtsfest. Gudrun Obersteiner, stellvertretende Leiterin des Instituts für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der Uni für Bodenkultur, bezweifelt, dass Fake-Bäume wirklich so lange verwendet werden. Sie landen ihrer Meinung nach eher im Müll, wenn sie nicht mehr so ansehnlich sind wie anfangs.

"In Österreich landet kein Baum auf einer Deponie, der Großteil wird verbrannt, ein Teil kompostiert. Bei uns ist es definitiv vernünftiger, einen echten Baum zu kaufen – der ist emissionsärmer", sagt Gudrun Obersteiner. Sie ist stellvertretende Leiterin des Instituts für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der Uni für Bodenkultur
Foto: APA/Roland Schlager

Viele vergessen auch, dass die Nadelbäume eigens für Weihnachten gezüchtet werden. Statt einer Baumschule wäre natürlich ein Wald besser. Dieser speichert mehr CO2 als eine Aufzucht, bei der die Christbäume nur etwa zehn Jahre alt werden. Bei der Zucht schlagen sich Pestizide und Kunstdünger in der Klimabilanz nieder oder der Import einer Nordmanntanne aus Skandinavien. Daher sollte man auf Regionalität achten: 90 Prozent der Bäume sind aus heimischem Anbau.

In der Öko-Bilanz ist nicht nur die Produktion entscheidend, sondern auch die Entsorgung, weiß Obersteiner. "In Österreich landet kein Baum auf einer Deponie, der Großteil wird verbrannt, ein Teil kompostiert. Bei uns ist es definitiv vernünftiger, einen echten Baum zu kaufen – der ist emissionsärmer."

Das bisserl Lametta ist doch nicht so schlimm

Früher war mehr Lametta, heißt es bei Loriot. Heuer dürften es auch weniger neue Metallschleifchen auf den Christbäumen sein. Laut einer Marketagent-Umfrage verwenden die meisten Befragten ihre Deko mehrmals. Sechs von zehn kaufen nur dann neues Lametta oder Kugeln, wenn sie diese benötigen. So schade das bisserl Lametta auch nicht, sagt Abfallexpertin Obersteiner. Sie habe das Lametta von ihrer Mutter geerbt und verwende es seit 30 Jahren. Nicht alle machen das, zeigen die Sammelstellen nach den Feiertagen. Etliche trockene Tannen sind noch mit Glitzer behängt. Das sieht Obersteiner nicht gern: "Es ist ökologisch und ökonomisch sinnlos, jährlich Neues zu kaufen."

Einzelne LED-Kerzen, die mit Batterie oder Akku betrieben werden, fällt viel Sondermüll an. Besser sind daher: LED-Lichterketten. Noch besser: Kerzen aus Bienenwachs.
Foto: Imago/Thomas Bartilla

Kerzen sind energiesparender als Lichterketten

Echte Kerzen am Christbaum sind für manche nahezu eine Todesdrohung. Immerhin hört man jährlich von abgebrannten Tannenbäumen. Sie setzen daher auf LED-Kerzen oder Lichterketten. Für die heimelige Stimmung macht es kaum noch einen Unterschied, ob man auf LED-Kerzen und Lichterketten statt auf Wachs setzt. Für die Umwelt schon. Laut Obersteiner sind Kerzen insgesamt energiesparender als Lampen. Zwar verbrauchen LEDs weniger Strom und leben länger als die alten Lampen. Aber: Einzelne LED-Kerzen, die mit Batterie oder Akku betrieben werden, seien der Worst Case, bei dem viel Sondermüll anfalle: "Für die Energie, die in der Produktion von Batterien steckt, kann ich eine Menge Kerzen anzünden."

Ein Großteil der Kerzen wird aus Paraffin hergestellt, das bei der Erdölproduktion entsteht. Deshalb sollte man auf Kerzen aus Bienen- oder Rapswachs setzen. Finger weg von Stearin-Kerzen, sagen Experten. Dabei handelt es sich meist um ein Palmölprodukt. Wer mit Teelichtern den Festtisch dekoriert, sollte zu solchen ohne Aluhülle greifen. Und diese ganz abbrennen lassen. Eine Kerze kann noch so nachhaltig sein – wenn sie nach zwei Mal anzünden entsorgt wird, ist sie das nicht.

Es macht keinen Unterschied, kein Geschenkpapier zu verwenden

Rein ökologisch ist keine Verpackung die beste, aber dann hat man vielleicht traurige Kinderaugen. "Unverpackte Geschenke entsprechen nicht unserer Kultur", sagt Obersteiner und betont, dass Nachhaltigkeit auch eine soziale Komponente habe. Natürlich ist die Klimakrise nicht gelöst, wenn alle ihre Geschenke nur noch in Zeitungen oder wiederverwendbaren Stoff einpacken. Doch die Zahlen aus Wien zeigen: Es wäre gut. Laut MA 48 fällt zu Weihnachten zehn Prozent mehr Müll an. Das sind im Schnitt zusätzlich 300 Tonnen Altpapier und 550 Tonnen Restmüll. Es macht also einen Unterschied, darauf zu verzichten, alles in meterweise Geschenkpapier zu verpacken, das in Sekunden zerrissen ist.

Bild nicht mehr verfügbar.

In Wien fällt zu Weihnachten laut MA48 zehn Prozent mehr Müll an. Das sind im Schnitt zusätzlich 300 Tonnen Altpapier – vieles davon Geschenkpapier.
Foto: Getty Images

Für den veganen Festtagsbraten wird auch Regenwald gerodet

Das ist ein Scheinargument. Ja, der Sojaanbau zerstört den Regenwald. Aber das Soja wird ganz selten für Tofu und Sojadrinks angebaut, sondern vorwiegend Tieren verfüttert. Die Emissionen fallen zum Großteil auf den Fleischkonsum. Kürzlich hat eine Studie der Uni Oxford belegt, dass vegane Wurst und Schnitzel deutlich weniger CO2 verbrauchen als fleischliche. Viele der untersuchten Fleischalternativen wiesen nur ein Fünftel bis weniger als ein Zehntel der Umweltauswirkungen auf. Wer nicht auf Fleisch verzichten will, isst mit Geflügel nachhaltiger als mit Rindfleisch.

Wichtig ist nicht nur, was auf dem Teller landet, sondern auch, wie viel Rest im Müll. "Die Umweltauswirkungen von Lebensmittelabfall sind unglaublich groß. Ein Drittel wird weggeworfen, an Weihnachten noch mehr", sagt Obersteiner. Sie rät, bedachter einzukaufen, mehr Restlessen zu machen, einzufrieren. Und: "Üblicherweise kommen im Büro die Kekse weg, auch wenn man sie daheim nicht mehr sehen kann." (Selina Thaler, 16.12.2022)