Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht Grün im Jahresrückblick von "Niederösterreich heute".

Foto: ORF Niederöterreich Heute Jahresrückblick

Die Landeshauptfrau, der Chef der Raiffeisen Ware Austria, der das Blackout-besorgte Publikum beruhigende Vorstand der E-Control: Es war ein Hauptabend wie damals am Montag im ORF Niederösterreich.

Als hätten Recherchen von STANDARD, SPIEGEL und "Presse" über die entgegenkommende Beziehung des ORF-Landesstudios zu Landespolitik und befreundeten Unternehmen wie Raiffeisen nicht gerade für eine ORF-interne Untersuchungskommission gesorgt. Und dafür, dass vorerst Radiodirektorin Ingrid Thurnher statt Landesdirektor Robert Ziegler die aktuelle Berichterstattung des Studios verantwortet – vor allem zur anstehenden Landtagswahl. Kaum mehr als zwei Stunden vor Sendebeginn gab der ORF den vorläufigen – und wohl bei dieser "Evaluierungskommission" nur vorübergehenden – Teilrückzug des Landesdirektors bekannt.

Ein eigenes Programm für Niederösterreich

Montagabend hatten die Menschen in Niederösterreich also ein eigenes Programm in ORF 2, einen "NÖ heute Jahresrückblick" über die unschönen Themen des Jahres und die schöneren sportlichen Highlights, samt erhebender Musikeinlagen. Und weil gerade die Energiefragen die Menschen beschäftigen, melden sich Zieglers Nachfolger als Chefredakteur, Benedikt Fuchs, und seine Stellvertreterin Claudia Schubert aus dem nie in Betrieb gegangenen Kernkraftwerk Zwentendorf im Tullnerfeld.

Wenn ein ORF-Landesstudio aufs Jahr zurückblickt, ist die Landeshauptfrau (oder der Landeshauptmann anderswo) so sicher wie das Amen in der Dorfkirche oder beim Landesparteitag. Davon braucht man einen Monat vor der Landtagswahl doch nicht abzurücken, zeigt der Montagabend.

Im Steuerstab-Antriebsraum des Reaktorgebäudes

So sitzen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), E-Control-Vorstand Alfons Haber und Raiffeisen-Ware-Austria-Vorstand Reinhard Wolf im Steuerstab-Antriebsraum des Reaktorgebäudes im grünstichigen Scheinwerferlicht und dürfen das Publikum mit Problembewusstsein und Zuversicht in die gemeinsame Zukunft reden.

Dass Mikl-Leitner erst als Letzte gefragt wird, hätte es womöglich unter Ziegler nicht gegeben. Konnte Thurnher da schon erste Markierungen der Unabhängigkeit setzen? Vielleicht war es aber auch Chefredakteur Fuchs selbst, der ja eigentlich eher als der Landesdirektor für solche redaktionellen Fragen zuständig wäre. Vielleicht ging es der Dramaturgie des Fragens aber auch nur darum, dass die Landeshauptfrau das letzte Wort hat.

"Frau Landeshauptfrau, wer braucht das Geld am allermeisten?"

Chefredakteur Fuchs fragt: "Frau Landeshauptfrau, Sie waren und sind viel unterwegs im Land bei allen möglichen Branchen und Betroffenen auch dieser Energiekrise. Wer braucht denn das Geld am allermeisten?"

Mikl-Leitner: "Ja, ich glaube, gerade in einer so herausfordernden Zeit, in der wir leben, ist die Teuerung mittlerweile in allen Lebensbereichen angekommen: bei unseren Familien, bei Klein- und Mittelbetrieben, aber auch bei Wirtschaft und Industrie. Da gibt es meines Erachtens nur zwei Möglichkeiten, zwei Stoßrichtungen. Zum Ersten, dass wir vor allem die Menschen gut durch die Krise führen, indem wir sie finanziell unterstützen, und dafür haben wir auch bei uns in Niederösterreich fünf konkrete Maßnahmen beschlossen, parteiübergreifend, wie den blau-gelben Strompreisrabatt. Und die zweite Stoßrichtung ist, dass wir vor allem in Zukunftsfelder investieren. Nämlich in den Weg der erneuerbaren Energie, dass wir hier da sehr viel Tempo machen."

Raiffeisen-Manager Wolf beruhigt zwischendurch, dass man sich das Eigenheim schon noch leisten können wird. E-Controller Haber freut sich über den Run auf erneuerbare Energien, den es zu bewältigen, aber auch zu halten gilt.

Soll niemand sagen, der ORF Niederösterreich kenne keine distanzierte Perspektive (von links): E-Control-Vorstand Alfons Haber, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Raiffeisen-Ware-Austria-Vorstand Reinhard Wolf, Vizechefredakteurin Claudia Schubert und Chefredakteur Benedikt Fuchs.
Foto: ORF Niederöterreich Heute Jahresrückblick

Windenergie im niederösterreichischen TV-Programm

Das ist der Moment, Kritik einfließen zu lassen. Schubert: "Frau Landeshauptfrau, vor zwei Monaten haben Sie einen Plan samt Ausbauprogramm präsentiert, wie Niederösterreich bis 2040 energieunabhängig werden soll. Jetzt gibt es Kritiker, die sagen, da muss Niederösterreich noch mehr tun. Geht das auch schneller als bis 2040 aus Ihrer Sicht?"

Mikl-Leitner: "Ja, wir leben in einer globalen und vernetzten Welt und haben diese Vorteile in allen Lebensbereichen, Berufsbereichen auch genießen können. Aber jetzt lernen wir auch die Schattenseiten kennen, nämlich die Abhängigkeit im Bereich der Energie. Und deshalb gibt es hier nur einen Weg, nämlich in Richtung Energieunabhängigkeit. Und ja, Niederösterreich ist hier jetzt schon Vorbild in vielen Bereichen. Ich denke hier an den Windstrom, wo hier über 50 Prozent der österreichischen Windenergie hier in Niederösterreich produziert wird. Oder 25 Prozent der österreichischen Sonnenenergie in Niederösterreich produziert wird. Und trotzdem setzen wir noch eines drauf und wollen die Produktion von Windenergie verdreifachen bis 2035 und vor allem Sonnenenergie bis 2030 vervierfachen. Aber, wie Sie angesprochen haben, es reicht natürlich nicht nur die Produktion von erneuerbarer Energie. Sondern diese erneuerbare Energie muss auch transportiert werden von A nach B. Deswegen ist es auch wu... – gut und richtig, hier in den Netzausbau zu investieren. So wie hier im Weinviertel haben wir erst 250 Millionen, jetzt 300 Millionen investiert in den Leitungsausbau, und wir werden auch künftig 250 Millionen Jahr für Jahr investieren in den Netzausbau. Und ich glaube, auch das ist ein wichtiger Beitrag in Richtung Energiewende."

"Vielen Dank, Frau Landeshauptfrau, Herr Haber, Herr Wolf, vielen Dank für das interessante Gespräch", bewertet Chefredakteur Fuchs den Plausch im Reaktorraum gleich in einer ersten Analyse.

Landeshauptfrau Mikl-Leitner musste sich mit nur 3:05 der 6:21 Minuten dieses interessanten Gesprächs bescheiden, um die Windenergie in Niederösterreich und insbesondere im ORF-Regionalprogramm maßgeblich auszubauen. (Harald Fidler, 20.12.2022)