Keinen "Anschein der Wahlwerbung" erwecken, erinnert ORF-Chef Weißmann die ORF-Mitarbeiter.

Foto: APA / Eva Manhart

Wien – Nach den Enthüllungen über Politeinfluss im ORF-Landesstudio Niederösterreich ruft ORF-General Roland Weißmann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF zu "Objektivität und Ausgewogenheit" mit Blick auf anstehende Landtagswahlen auf. Politikerauftritte abseits aktueller Information etwa hätten "nach Möglichkeit zu unterbleiben".

"Die Berichterstattung des ORF zur niederösterreichischen Landtagswahl wird aufgrund der
medialen Berichte der vergangenen Woche unter besonderer Beobachtung stehen", schreibt Weißmann.

"Anschein der Wahlwerbung"

Bei Politikerauftritten in ORF-Sendungen – in Informationssendungen sowie in allen
anderen Sendungen – könne der Anschein der Wahlwerbung entstehen, so Weißmann. "Auftritte von Politikern in Sendungen, die nicht der Information über das politische Geschehen im weiteren Sinn dienen, sollen daher in Vorwahlzeiten nach Möglichkeit unterbleiben", schreibt Weißmann in der internen Mitteilung, die dem STANDARD vorliegt.

"Keine wahlwerbende Wirkung"

Dieser Grundsatz gelte "auch für die Regionalberichterstattung über Landtags- bzw.
Gemeinderatswahlen. In den Regionalprogrammen in jenen Bundesländern, in denen keine
Wahlen stattfinden, sind Auftritte von Politikern wie gehabt zu handhaben." Hier sei "in jedem Fall dafür zu sorgen, dass von derartigen Auftritten keine wahlwerbende Wirkung
ausgeht, die dazu angetan ist, eine der stattfindenden Wahlen zu beeinflussen".

Weiters habe die Erfahrung gezeigt, "dass auch Auftritte in den ORF-Sendungen von Personen des öffentlichen Lebens, die keine Politiker sind, mitunter für Statements mit wahlwerbender Wirkung missbraucht werden – insbesondere in Live-Sendungen. Derartiges ist nach Möglichkeit auszuschließen."

Weißmann weiter: Die Glaubwürdigkeit von Objektivität, Unparteilichkeit und journalistischer Unabhängigkeit des ORF leide, wenn die dazu Verpflichteten parteipolitisches Engagement zeigen, wie etwa "durch die Teilnahme an Veranstaltungen und Diskussionen von Parteien und Vorfeldorganisationen oder die Beteiligung an Unterstützungs-/Personenkomitees".

Keinen Anschein politischer Äußerungen in den sozialen Medien

Die Glaubwürdigkeit des ORF leide auch, wenn Mitarbeiter "in sozialen Medien Äußerungen und Kommentare tätigen, die als politische Zustimmung, Ablehnung, Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und 'Polemik' gegenüber einer wahlwerbenden Gruppe oder eines Kandidaten zu interpretieren" seien. Dazu gehörten direkte
Äußerungen wie auch indirekte Zeichen der Unterstützung oder Ablehnung, etwa Likes, Dislikes, Recommends, Retweets, Shares.

Auf solche Aktivitäten sei "im Sinne des ORF und der einschlägigen Bestimmungen zu verzichten", schreibt Weißmann. Bereits genehmigte Tätigkeiten etwa bei Veranstaltungen seien "nochmals auf diese Kriterien zu überprüfen"; im Fall einer Interessenkollision sei er als Generaldirektor "vor einem beabsichtigten Veranstaltungsengagement zu informieren".

Solche Appelle von ORF-Generaldirektoren sind vor Wahlen durchaus üblich, Alexander Wrabetz erinnerte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa 2019 ebenfalls, dass Politikerauftritte abseits der aktuellen Information zu vermeiden seien. (red, 22.12.2022)