In Lithium-Ionen-Batterien mit hoher Leistung setzen Alterungsprozesse im Elektrolyt schneller ein. Forschende wollen dem Problem mit speziellen Zusatzstoffen entgegenwirken.
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Europas Autoindustrie steht bei der Umstellung auf Elektroantrieb vor großen Herausforderungen. Nicht nur der US-Innovator Tesla mischt den Markt auf, immer mehr Konkurrenz kommt aus Asien, wo auch der überwiegende Teil der Batterien produziert wird. Mittlerweile gibt es aber auch massive Bemühungen in Europa, um Forschung und Kapazitätsaufbau in diesem Bereich zu forcieren. Die EU-Kommission gründete zu diesem Zweck etwa bereits 2017 eine European Battery Alliance.

Aktuell wird in den europäischen Forschungseinrichtungen die dritte Generation von Lithium-Ionen-Batterien entwickelt. Sie sollen nicht nur eine höhere spezifische Energie und Energiedichte aufweisen, sondern auch bessere Schnellladefähigkeiten bei geringem Gefährdungsniveau mitbringen.

Eine der Herausforderungen in diesem Zusammenhang ist die Optimierung des Elektrolyts, also jenes Mediums, das den Ionenfluss zwischen Anode und Kathode beim Be- und Entladen der Batterie gewährleistet. Hier setzt das 2020 gestartete Projekt Operion (Echtzeitmonitoring von Elektrolytzerfallsprozessen bei Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien) an, das von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums unterstützt wird.

Erhöhter Druck

Das Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien, das auch zum Netzwerk der European Battery Alliance gehört, nimmt dabei gemeinsam mit heimischen Forschungs- und Wirtschaftspartnern die Zersetzungs- und Alterungsmechanismen bei der neuen Batteriegeneration in den Fokus. Die schnellen Lade- und Entladezyklen und der Betrieb bei hohen Spannungen erhöhen den Druck auf die Zellchemie. Es entstehen Zersetzungsprozesse im Elektrolyt, die sich auf die Lebensdauer und die Sicherheit auswirken – sie müssen bereits bei der Gestaltung des Batteriesystems berücksichtigt und ausgeglichen werden.

Die Chemikerin Christiane Groher gehört zum Team von Operion. Die Doktorandin an der Technischen Universität Wien ist im Rahmen ihrer Dissertationsstelle am AIT mit der Entwicklung von Zusatzstoffen für den Batterieelektrolyt beschäftigt. Diese sogenannten Additive sollen negative Folgen von unerwünschten Reaktionen ausgleichen, die in den Hochleistungsbatterien entstehen. Beispielsweise müssen Gase, die die Elektrolytzersetzung antreiben, unschädlich gemacht werden. Für ihre Forschung in diesem Bereich konnte die Dissertantin heuer beim jährlich stattfindenden AIT Poster Award den ersten Platz erringen – ein Wettbewerb, der vom niederösterreichischen Tech-Inkubator Accent und dem Risikokapitalgeber Tecnet Equity gefördert wird.

Unerwünschte Vorgänge

"Zu den unerwünschten Vorgängen im Batterieelektrolyt gehören Reduktionsreaktionen – also wenn Ionen oder Atome der Elektrolytbestandteile freie Elektronen aufnehmen und so schädliche Substanzen entstehen", gibt Groher ein Beispiel. "Gasförmige Reaktionsprodukte dieser Art können etwa zum Aufblähen der Batterie führen."

Lithium-Ionen-Batterien sind so gestaltet, dass sich bei den ersten Ladungszyklen an der Anode eine spezielle Grenzschicht bildet, die sogenannte Solid Electrolyte Interphase (SEI). Sie schützt den verbleibenden Elektrolyt vor derartigen Reaktionen. Bei Batterien mit Schnellladefähigkeiten muss diese Grenzschicht optimiert werden, damit sich die Lithium-Ionen besser in der Anode einlagern können. "Wir wollen mit einem speziellen Additiv eine Polymerisierungsreaktion bei der Entstehung des Films an der Anode erreichen", erklärt Groher. "Die Bildung von großen Molekülen sorgt dabei für eine regelmäßigere Ausgestaltung der Grenzschicht, was für eine effizientere Be- und Entladung sorgt."

Schäden durch Wasser

Wenn Wasser in die Batteriezellen eindringt, kann das ebenfalls zu einem Problem für die Funktion der Batterie werden. "Durch das Wasser kann in Reaktion mit einem bestimmten Lithiumsalz etwa Flusssäure entstehen, was wiederum eine Reihe weiterer Reaktionen innerhalb des Elektrolyts zur Folge hat und auch zu Zersetzungsvorgängen an den Elektroden führt", schildert die Chemikerin. "Ein eigenes Additiv kann die entstandenen Säuremoleküle aber wieder ,einfangen‘, indem es mit ihnen zu einer unschädlichen Substanz reagiert."

Bei ihrer Arbeit testet und optimiert Groher eine große Anzahl von Additiven dieser Art. Sie untersucht die Mechanismen, die den Zusatzstoffen ihre Wirkung verleihen. Als Grundlage dienen Forschungsbatterien in verschiedenen Größen mit unterschiedlichen Elektrolyt-Additivmischungen, die in immer neuen Testanordnungen hergestellt werden. Nach einer bestimmten Anzahl von Ladezyklen werden sie mit verschiedenen Analysemethoden untersucht, die beispielsweise auf Be- und Entladegeschwindigkeit oder die Oberflächenchemie der Elektroden abzielen.

Live-Blick in die Batterie

Eine Untersuchungsart, die an der TU Wien und am AIT entwickelt wurde und die auch im Zentrum des Operion-Projekts steht, ist die sogenannte Operando-GCMS-Methode. Der Ansatz, der mehrere Messinstrumente – Gaschromatograf, Massenspektrometer und Fourier-Transform-Infrarotspektrometer – vereint, erlaubt detaillierte Einblicke in die Zellchemie der Batterie während ihres Einsatzes. "Dabei werden in kurzen Abständen kleinste Mengen an Gas aus dem Elektrolyt der Batterie entnommen und auf ihre Bestandteile untersucht", erklärt Groher. "Dieser 'Live-Blick' in die Zellchemie erlaubt es, die Elektrolytzersetzung – oder auch die Wirkung der Additive – genau zu verfolgen." Simulationsrechnungen und Optimierungsansätze können darauf aufbauen. Damit rückt man einer neuen Generation an – in Europa entwickelten – Fahrzeugbatterien wieder ein Stück näher. (Alois Pumhösel, 4.1.2023)