Energiesparen fängt im Kleinen an: Intelligente Steuerungen können den Verbrauch um zehn Prozent senken.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Klimakrise, enorme Strom- und Gaspreise, der Krieg in der Ukraine. Nie erschien die Energiewende dringlicher als heute. Eine wichtige Fragestellung ist dabei, wie man die Effizienz erhöhen kann, ohne dabei an Komfort einzubüßen. Dass Energiesparen nicht automatisch wehtun muss, liegt für Gernot Hofer auf der Hand. Als Leiter des Energy Analytics & Solution Lab (EAS-Lab) an der FH Campus 02 in Graz erforscht er mit seinem Team, wie man etwa eine E-Tankstelle, gespeist mit Solarstrom, am effizientesten betreibt.

Oder wie man durch Hausautomatisierung Heizung, Kühlung oder Beschattung energieeffizient dem Wetter anpassen kann. Dafür können Studierende bei ihren Laborübungen sogar mit VR-Brille und Augmented Reality auf Gerätschaften des EAS-Zwillingslabors an der FH Kapfenberg zugreifen. Sie können neue Softwarealgorithmen testen, um die Energie zu regulieren und die Effizienz zu optimieren.

Zwei Kraftwerke einsparen

"Kleinvieh macht auch Mist. Zehn Prozent Einsparungspotenzial ist ohne weiteres drin", sagt Hofer. "Dafür braucht man nur das eigene Verhalten näher analysieren." Die Summe klingt auf den ersten Blick nicht nach allzu viel. Österreich benötigt jährlich rund 70 Terawattstunden Strom. Zehn Prozent entsprechen sieben Terawattstunden oder 7.000 Millionen Kilowattstunden (kWh). Setzt man diese schwer greifbare Zahl in Relation zur österreichischen Energieerzeugung, wird allerdings schnell klar, dass das Einsparpotenzial ohne Komfortverlust der Menge entspricht, wie die beiden größten Kraftwerke in Österreich produzieren: Das Gas- und Dampfkraftwerk in Mellach bei Graz verstromt 50.00 Mio. kWh jährlich, das Donaukraftwerk in Altenwörth bei Krems steuert 2.000 Mio. kWh bei.

Noch griffiger werden die zehn Prozent, wenn man berücksichtigt, dass 80 Prozent des in Österreich produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammt: aus Wind, Sonne und vor allem Wasserkraft. Kann man den Verbrauch um zehn Prozent verringern, spart man theoretisch die Hälfte des Stroms ein, der in Österreich aus fossil betriebenen Kraftwerken stammt. Dazu kommt, dass die besagte Strommenge bei Haushalten und Betrieben insgesamt mit etwa zwei bis fünf Milliarden Euro Kosten zu Buche schlägt – je nach Strompreis, der nach Anbieter, Region und Rabattaktionen derzeit zwischen 25 bis 75 Cent pro Kilowattstunde variiert.

Um Betrieben oder auch Regionen zu zeigen, wo ihre Hebel fürs Energiesparen sind, erstellt das EAS-Labor für seine Forschungspartner sogenannte Lastprofile. Dafür hängen Techniker smarte Messgeräte in die Stromkreise und dokumentieren den Stromverbrauch über den Tagesverlauf, der schließlich in bunten Grafiken veranschaulicht wird. Hofer zufolge sorgt genau diese Visualisierung häufig für einen Aha-Effekt.

Nicht nur zur Weihnachtszeit können kleine Anpassungen eine Menge Strom sparen.
Foto: imago images/MiS

Weinkühlschrank und Stand-by

Denn die Energiewende beginnt im Kopf. Nicht wenige würden sich ob des eigenen Verbrauchsprofils basale Fragen stellen. Etwa: Braucht man wirklich im Winter den Weinkühlschrank im 24/7-Modus? Müssen alle Geräte tatsächlich permanent im Stand-by-Modus laufen? "Allein für den Stand-by-Betrieb braucht es in Österreich ein eigenes Kraftwerk", erklärt Hofer.

Ähnliches gilt für falsch getaktete Heizungen oder Warmwasserboiler. "Diese müssen nicht am Morgen Wasser erhitzen, wo Büros und Produktionsbetriebe hochfahren und Spitzenstrom benötigen." Gerade wenn man diese Spitzen "verschleifen" könnte, bräuchte weniger Kraftwerksleistung vorgehalten werden. Ein Beitrag fürs Gemeinwohl sozusagen.

Die Visualisierungen des eigenen Verbrauchsprofils wirken jedenfalls bewusstseinsbildend. "Zahlen, Daten, Fakten lösen einen positiven Nachdenkprozess aus." Manchmal ähnelt die Suche nach verborgenen Stromfressern fast kriminalistisch-forensischen Methoden. Dann wird etwa akribisch danach gesucht, weshalb um zwei Uhr morgens im eigenen Haus Strom fließt, obwohl keiner fließen sollte. Auch dafür können Stand-by-Geräte eine heiße Spur sein.

Das Problem der feuchten Wäsche

Allerdings: Effizienzsteigerungen im Komfortmodus sind manchmal auch Grenzen gesetzt, meint Hofer. So könne man wohl eruieren, wann im Laufe des Tages eine Waschmaschine am günstigsten betrieben werden könne. Das Problem dabei: Nicht immer ist jemand zu Hause, der die Waschmaschine zum optimalen Zeitpunkt auch starten würde – etwa zur Mittagszeit, wenn die Photovoltaikanlage Strom im Überfluss liefert. Auch eine WLAN-Waschmaschine, die über das Smartphone anzusteuern wäre, kann das Problem nur bedingt lösen. Bleibt die Wäsche stundenlang feucht in der Trommel, weil niemand nach Hause kommt, um sie wieder rauszunehmen, führt das auch nicht unbedingt zum Ziel. "Das macht man vielleicht zwei-, dreimal, aber lässt es auch bald wieder bleiben."

Verhaltensänderungen durch Bewusstmachung des eigenen Energieprofils einzuleiten sei aber dennoch der Königsweg, ist Energieexperte Hofer überzeugt. Aktuell arbeitet er im EAS-Lab mit einer Immobilienverwaltung in einem Projekt daran, Mietern den eigenen Verbrauch sichtbar zu machen und sie für das Energiesparen zu begeistern. "Dafür setzen wir auch Gamification ein", sagt Hofer. Diesen Ansatz habe man bereits bei Studierenden bei Laborübungen getestet. Im Prinzip wird das Energiesparen dabei zu einem Spiel, bei dem man für den geringsten Ressourceneinsatz oder die effizienteste Energienutzung bei gleichzeitig komfortabelsten Bedingungen belohnt wird. "Wie in einem Computerspiel können Nutzer und Nutzerinnen damit spielerisch zum Energiesparen motiviert werden." (Norbert Regitnig-Tillian, 28.12.2022)