Der Informatiker Thomas Henzinger will sich nach 14 Jahren an der Spitze des Institute of Science and Technology wieder der Forschung widmen.

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Thomas Henzinger hatte große Ambitionen, als er 2009 nach zwanzig Jahren Forschungstätigkeit im Ausland nach Österreich zurückkam, um die Führung des neuen Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg zu übernehmen. Er wolle, dass die Welt Österreich um das Institut beneide, sagte er damals. Nach 14 Jahren im Amt übergibt Henziger mit 1. Jänner 2023 an den Molekularbiologen Martin Hetzer und hinterlässt ein Institut, das längst zur Spitze der österreichischen Forschungslandschaft zählt. Das ISTA ist etwa bei der Einwerbung der begehrten Förderungen des Europäischen Forschungsrats ERC so erfolgreich wie keine andere heimische Forschungsinstitution.

STANDARD: Sie waren 14 Jahre Präsident des ISTA und auch dessen erster Präsident. Wie lautet Ihre Bilanz?

Henzinger: Die Bilanz kann besser von anderen bewertet werden. Ich persönlich bin jedenfalls sehr zufrieden mit dem, was wir in diesen 14 Jahren erreicht haben. Von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist viel verwirklicht worden. Auch das letzte Jahr war extrem positiv für uns, wenn man von einigen externen Ereignissen absieht – der Ukraine-Krieg hat uns natürlich sehr mitgenommen. Sehr positiv war heuer für uns, dass wir bei den ERC-Grants, bei denen wir nach bestimmten Metriken jahrelang europaweit führend sind, noch eins draufgesetzt haben und mit zwölf Grants einen neuen internen Rekord gesetzt haben. Auch bei privaten Spenden waren wir sehr erfolgreich: Wir haben heuer 30 Millionen eingeworben, das hätte kaum jemand für möglich gehalten. Dennoch ist das Institut noch nicht fertig, es wird weiter wachsen. Es gibt auch noch viel für meinen Nachfolger Martin Hetzer zu tun.

STANDARD: Die Gründung des ISTA als "Elite-Uni" war damals ein Politikum. Gab es über die Jahre öfter Versuche der politischen Einflussnahme, die Sie abwehren mussten?

Henzinger: Als das ISTA gegründet wurde, war ich noch im Ausland und habe wenig von den politischen Diskussionen mitbekommen. Aber es stimmt: Das, was in den Zeitungen zu lesen war, war nicht sehr schön. Viele in Österreich haben mir von diesem Job abgeraten. Jetzt kann ich aber ganz klipp und klar sagen: Nichts von den Befürchtungen hat sich bewahrheitet. Ich habe in diesen 14 Jahren keinen einzigen Interventionsversuch der Politik erlebt – dafür muss ich der Bundesregierung und dem Land Niederösterreich Lob zollen. Die Politik scheint verstanden zu haben, dass ein Institut mit unserem Anspruch nicht möglich wäre, wenn es politische Einflussnahme beim Personal oder bei der Forschung gegeben hätte.

STANDARD: Was hat sich als Präsident des ISTA als schwieriger herausgestellt, als Sie sich ursprünglich gedacht hätten?

Henzinger: Ich habe mir die Aufgabe insgesamt nicht leicht vorgestellt. In der Praxis war es aber wirklich schwer, Spitzenforscher von internationalem Format nach Österreich zu holen. Wir suchen für das ISTA Leute von einem Kaliber, wie sie überall auf der Welt gewollt werden, und stehen bei jeder einzelnen Berufung in internationalem Wettbewerb mit den weltweiten Top-Forschungsinstitutionen. Man kann ein Institut zwar im Eilzugstempo aufbauen, aber es gibt keine Abkürzung, wenn es darum geht, sich einen weltweiten Ruf in der Wissenschaft aufzubauen. Institutionen wie die Universitäten Harvard oder Oxford haben sich diesen Ruf über hunderte Jahre erarbeitet. Das ISTA existiert erst seit 14 Jahren, dennoch konkurrieren wir mit diesen Institutionen um die besten Köpfe.

Der gebürtige Oberösterreicher Thomas Henzinger wurde nun in das Leitungsgremium des ERC berufen.
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STANDARD: Wie kann es als kleines österreichisches Institut gelingen, Spitzenforschende anzuziehen? Viele heimische Unis tun sich schwer mit internationalen Berufungen.

Henzinger: Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man sich traut, auf den internationalen Jobmarkt zu gehen. Wenn wir nach Professoren und Studierenden suchen, bewerben wir unsere Stellen genau dort, wo auch Harvard und Oxford ihre Stellen ausschreiben. Tatsächlich ist es so, dass es viel mehr hervorragende Wissenschafter in der Welt gibt, als an Topjobs in der Wissenschaft zu besetzen sind. So haben wir etwa 1000 bis 2000 Professoren-Bewerbungen pro Jahr. Wenn man dann nach objektiven Kriterien auswählt, ist es extrem unwahrscheinlich, dass der lokale Kandidat gewinnt.

STANDARD: Sie treten im Jänner ein sechsmonatiges Sabbatical an. Was sind Ihre weiteren Pläne?

Henzinger: Durch das Sabbatical werde ich mich wieder voll in die Forschung und die Community einklinken. Außerdem bekam ich heuer einen ERC-Grant zugesprochen, und für dieses Forschungsprojekt werde ich Vollgas geben. Es geht dabei um Software-Monitoring.

STANDARD: Was haben Sie vor?

Henzinger: Wie wir alle wissen, hat Software immer Fehler. Ich habe mein Leben damit verbracht, Software zu bauen, die weniger fehleranfällig ist. Jetzt bin ich so weit, dass ich sage, ich will zwar nicht kapitulieren, aber wir müssen einsehen, dass wir immer hinterherlaufen: Die Komplexität der Software wächst schneller als unsere Möglichkeiten der Verifikation. Es geht jetzt also darum, zuzugeben, dass unsere Software immer Fehler haben wird. Wir brauchen daher bessere Möglichkeiten, um sie zu überwachen. Etwa Warnsignale zu senden, wenn ein falsches Resultat geliefert wird, aber auch nach formalen Kriterien zu überprüfen, ob Software, die Entscheidungen trifft, diese fair trifft. (Tanja Traxler, 28.12.2022)