Noch vor kurzem mussten sich sogar die Flugbegleiter von Chinas Airlines im Ausland in Seuchenanzüge zwängen – nach Pekings Corona-Wende sind die Auflagen einigen europäischen Staaten nun zu locker.

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Manch einer mag sich drei Jahre zurückversetzt fühlen: In China wütet das Coronavirus; auf den großen internationalen Flughäfen wächst die Nervosität; mehrere asiatische Staaten haben bereits Testverpflichtungen für Einreisende aus China beschlossen, die USA ziehen nach, und in Europa prescht Italien vor – während Deutschland und Österreich abwarten. Der Gesundheitsausschuss der EU beriet Donnerstag einer Dringlichkeitssitzung zum Thema. Bei der Sitzung wurden dann aber keine Verschärfungen beschlossen. Allerdings: Ist die Situation, in der sich viele westliche Staaten nun, nach der Abwendung Chinas von der Zero-Covid-Politik, befinden, tatsächlich mit jener des Frühjahrs 2020 vergleichbar?

DER STANDARD

Einige Begleitumstände lassen in der Tat Sorge aufkommen. In Italien sind Mittwochabend die ersten Ergebnisse von Einreisetests chinesischer Reisender auf dem Flughafen Malpensa öffentlich geworden. Sie klingen horrend: Bei einem ersten Flug waren 35 von 92 Passagieren positiv, bei einem zweiten 62 von 120 – also sogar etwas mehr als die Hälfte. Insgesamt waren damit 45 Prozent aller aus China Einreisenden infiziert. Sie müssen sich nun nach italienischer Gesetzgebung in Quarantäne begeben. Italiens Premierministerin Giorgia Meloni forderte daher von der EU flächendeckende Kontrollen bei der Einreise.

(Keine) Mutationssorgen

Allerdings: Nicht überall sah man am Donnerstag die Lage mit der gleichen Vehemenz wie in Rom. Frankreich teilte nach internen Regierungsbesprechungen mit, Grenzkontrollen seien aus Pariser Sicht – zumindest vorerst – nicht nötig.

Ähnliches verlautete aus Berlin, wo ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auch gleich eine Begründung mitlieferte: In China seien derzeit keine neuen oder gefährlichen Varianten registriert worden, die es in Europa nicht auch bereits gebe – besondere, über das übliche Maß hinausgehende Sicherheitsmaßnahmen müsse man aus diesem Grund vorerst nicht setzen.

Auch aus Österreich kamen vorerst abwartende Signale der Regierung. Erste Sequenzierungen der positiven Proben aus Italien bestätigen diese Prognosen. Dort wurde laut Meloni keine "besorgniserregende Mutation" entdeckt.

Erste Laborergebnisse der Proben von Fluggästen hätten ergeben, dass in China Varianten und Sublinien zirkulierten, die man in Italien schon kenne, sagte Italiens Gesundheitsminister Orazio Schillaci am Donnerstag im Parlament. "Das ist die beruhigende Nachricht."

Zu einem anderen Schluss waren zuvor die amerikanischen Gesundheitsbehörden gekommen, die ab 5. Jänner von Einreisenden aus China einen negativen Test sehen wollen. Dieser muss frühestens zwei Tage vor Abflug gemacht worden sein und den Fluggesellschaften bereits vor dem Einsteigen vorgelegt werden. Auch in den USA hat man bisher zwar keine besorgniserregende Mutation aus China entdeckt (siehe Wissen), allerdings ist aus Sicht Washingtons bereits die Sorge, dass sich eine solche entwickeln könnte, Grund genug für die Testpflicht.

Testsystem kaputt

Die neuen Maßnahmen haben neben den genannten Staaten auch Indien, Japan, Taiwan und Malaysia umgesetzt, was auch den neu gewonnenen Optimismus auf dem Reisemarkt wieder etwas dämpfte. Vor allem waren es dabei die Beschränkungen in Japan, die Fluglinien Kopfzerbrechen bereiten. Tokio hat beschlossen, Einreisen aus China nur noch an den beiden Flughäfen von Tokio sowie in Osaka und Nagoya zu erlauben. Allein in Hongkong wurde daher ein Rückstau von 60.000 Reisenden befürchtet. Indien verlangt ab Sonntag für Einreisen aus China, Hongkong, Japan, Südkorea, Singapur und Thailand einen 72 Stunden vor der Reise durchführten PCR-Tests, wie das Gesundheitsministerium in Neu Delhi am Donnerstag mitteilte.

Wenn auch über die Folgen noch Uneinigkeit herrscht, sind die Tests aber doch ein Anhaltspunkt dafür, wie stark das Virus sich seit dem Ende von Zero Covid Anfang Dezember in China ausgebreitet hat. Die Zahlen aus dem offiziellen Testsystem in der Volksrepublik sind dafür wenig hilfreich. Dieses ist weitgehend zusammengebrochen und hat am Mittwoch 5231 Fälle gemeldet. (Manuel Escher, 29.12.2023)