So wirbt die ORF-Tochter GIS heute für einen Beitrag zur ORF-Finanzierung.

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Die Zeit läuft für eine neue ORF-Finanzierung. Bis Jahresende 2023 braucht es ein neues GIS-Modell ohne Ausnahmen für Streamingnutzung, entschied der Verfassungsgerichtshof. Und die Zeit drängt für den ORF: Er erwartet schon 2024 ein 70-Millionen-Minus wegen Teuerung, Energiekosten, GIS-Abmeldungen.

Rund 650 Millionen Euro bringt die aktuelle GIS, sie wurde erst im Februar 2022 um acht Prozent erhöht. 720 bis 740 Millionen Euro öffentliche Einnahmen bräuchte der ORF, um 2024 und in den folgenden Jahren ausgeglichen bilanzieren zu können. Diesen Finanzbedarf hat der ORF auch der Regierung signalisiert, die gerade intensiv über das neue Modell nach der bisherigen GIS verhandelt.

Für den STANDARD erfragte das Linzer Market-Institut gerade zum Jahresende 2022, wie die tiefe Finanzlücke des ORF zu schließen wäre: mit mehr öffentlichen Mitteln oder mit Einsparungen an Angeboten und Strukturen?

Kürzungen des Angebots hat schon ORF-Chef Roland Weißmann in Aussicht gestellt, als er seinen Stiftungsräten bis zu 130 Millionen jährlichen Verlust zwischen 2024 und 2026 prognostizierte.

Die Umfrage fiel – nicht ganz überraschend – sehr eindeutig aus: 76 Prozent der Befragten ab 16 Jahren sprachen sich für Einsparungen im ORF aus, um auch nach 2023 ausgeglichen zu bilanzieren.

Verfassungsrichter verlangen unabhängige Finanzierung

Die Regierung verhandelt derzeit über drei Varianten für die GIS-Zukunft. Für eine Finanzierung, die laut Höchstgericht alle Nutzungsmöglichkeiten von ORF-Angeboten umfasst. Und, so hat es der Verfassungsgerichtshof festgehalten: Die Finanzierung muss die per Verfassungsgesetz festgeschriebene Unabhängigkeit des ORF sichern.

Die drei Denkvarianten:

  • GIS auch auf Streaminggeräte;
  • Haushaltsabgabe unabhängig vom Empfang wie in Deutschland und der Schweiz;
  • Budgetfinanzierung wie in der Mehrzahl europäischer Länder.

Die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, sah eine erweiterte GIS zuletzt in einer Podiumsdiskussion schon vom Tisch. Zuvor schlug Blimlinger im STANDARD-Interview eine wertgesicherte Budgetfinanzierung des ORF ab 2024 vor. Sie solle mit einer Zweidrittelmehrheit abgesichert und mit der Inflation erhöht werden.

Die automatische Inflationsanpassung hat einen Haken: Öffentlich-rechtliche Sender müssen laut EU regelmäßig nachweisen, dass sie öffentliches Geld nur dafür verwenden, ihren öffentlichen Auftrag zu finanzieren – von Bildung, Information, Sport bis Unterhaltung.

Die Medienbehörde prüft derzeit nach einem Gebührenantrag des ORF, ob die nötigen Mittel schlüssig kalkuliert sind. Eine solche Prüfung müsste es nach EU-Vorgaben weiter geben. Ein neues Finanzierungsmodell des ORF muss die EU prüfen.

Kombi-Lösung

Bisher ist keine Tendenz der Regierung zu einem der drei Modelle erkennbar. Als Denkvariante kursiert auch eine Kombinationslösung: eine Haushaltsabgabe unabhängig vom Gerätebesitz, und pro Haushalt günstiger (weil mehr Haushalte zahlen müssen, auch jene, die sich mit Verweis auf Streaming von der GIS abmeldeten). Und dazu Mittel aus dem Bundesbudget, etwa für soziale Befreiungen, und unter der Bedingung struktureller Sparmaßnahmen.

Das gab es schon einmal: 2010 bis 2013 überwies die Regierung dem ORF für Befreiungen zweimal 50 und zweimal 30 Millionen, dafür musste der ORF Personal und Personalkosten pro Kopf reduzieren.

Was kommt nach der GIS? Die drei Szenarien:

1. Haushaltsabgabe: Unabhängig vom Empfangsgerät

Eine Haushaltsabgabe finanziert in Deutschland seit 2013 den öffentlichen Rundfunk, inzwischen gibt es auch in der Schweiz eine. Sie wird unabhängig von Empfangsgeräten eingehoben, Befreiungen gibt es – wie bei der GIS in Österreich, hier sind das rund 280.000 – für einkommensschwache Haushalte.

Wer sich bisher mit Verweis auf Streamingnutzung GIS spart, sieht eine Haushaltsabgabe als Nachteil. Der ORF freut sich über 60.000 oder mehr zusätzliche Zahler. GIS-Zahler würde nicht stören, wenn sie pro Haushalt weniger zahlen, weil mehrere etwas beitragen. Aufwand für GIS-Hausbesuche könnte wegfallen, die Einhebung wäre aber ebenfalls zu organisieren.

Aber: Vorsteuerabzug dank Umsatzsteuer auf die GIS ist bei einer Haushaltsabgabe fraglich. Da geht es um zweistellige Millionenbeträge für den ORF.

Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol erheben Abgaben auf die GIS, die wären bei einer Haushaltsabgabe auch neu zu regeln. Da geht es um 158 Millionen Euro pro Jahr.

2. Budgetfinanzierung: Unauffällig, potenziell politiknah

Die Budgetfinanzierung des ORF war ein Plan der Koalition von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache, mit gegenüber der GIS reduziertem Budget. Nun hat die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger eine Budgetfinanzierung vorgeschlagen. Allerdings wertgesichert, automatisch inflationsangepasst und mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat abgesichert gegen leichten politischen Zugriff.

Budgetfinanzierung wäre eine unauffälligere Variante als die GIS oder eine Haushaltsabgabe, ähnlich unauffällig wie jene für Theater oder Museen.

Kundige Rundfunkjuristen sagen, eine Budgetfinanzierung des ORF ließe sich schon so konstruieren, dass sie der Forderung des Verfassungsgerichtshofs nach unabhängiger Finanzierung des ORF gerecht würde. Eine automatische Inflationsanpassung dürfte aber den EU-Beihilfenregeln widersprechen.

Für eine Zweidrittelmehrheit bräuchte die Regierung die SPÖ oder die FPÖ. Aus der SPÖ hieß es am Montag zur Neuregelung der GIS: Man warte auf die Vorschläge der Regierung; die künftige ORF-Finanzierung müsse "unabhängig und sozial verträglich" sein und den Anforderungen des Verfassungsgerichtshofs entsprechen.

Auch hier bräuchte es eine neue Lösung für die Länderabgaben auf die GIS. Und der Vorsteuerabzug für den ORF wäre wohl ebenfalls ein Thema.

3. GIS für alle Geräte: Für Rundfunk wie Webzugang

Der Verfassungsgerichtshof hat die Regelung mit Ende 2023 aufgehoben, wonach GIS nur für stationäre, betriebsbereite Rundfunkempfangsgeräte einzuheben ist.

Nun könnte man die GIS-Pflicht erweitern auf betriebsbereite Geräte, die für Rundfunkempfang oder für Internetzugang geeignet sind, unabhängig davon, ob stationär oder mobil. Ein TV-Gerät oder ein Radio, ein Smartphone oder einen Onlinezugang hat praktisch jeder Haushalt. Das würde aus der GIS ohne Systemwechsel eine Art Haushaltsabgabe machen.

Aber: Die GIS müsste weiter nachfragen, ob es im Haushalt bestimmte Geräte gibt, eine Imagebelastung für den ORF. Solle die GIS etwa künftig den Zwölfjährigen an der Bushaltestelle fragen, ob sein Haushalt GIS zahle, winkt man in Regierungskreisen ab. Aber: Die Länder müssten sich so nicht um ihre GIS-Abgaben GIS sorgen. Ob es nun sinnvoll ist oder eher nicht, dass sie Rundfunkgebühren verteuern, um Musikschulen oder Altstadterneuerung zu stützen. (fid, 3.1.2023)