Wer sich in einer fremden Küche zurechtfinden muss, hat es nicht immer leicht. Auf eine Sache ist jedoch Verlass: Unter der Abwasch ist in den meisten Fällen der Restmüll zu finden. Doch das könnte sich bald ändern. Denn seit Anfang des Jahres werden in ganz Österreich in der gelben Tonne oder im gelben Sack auch Plastikverpackungen entsorgt. In Wien kommen diese in die blau-gelbe Tonne, in der seit 2019 PET-Flaschen, Tetra-Paks und Dosen gemeinsam gesammelt werden. Nun kommen Joghurtbecher, Obsttassen, Luftpolsterfolie und Käseverpackungen dazu und können der Umwelt zuliebe wiederverwertet werden.

Grafik: oesterreich-sammelt.at/DER STANDARD

Für die meisten Haushalte, die vorbildlich ihren Müll trennen möchten, bedeutet das eine Umstellung der täglichen Routinen. Denn durch die neu geltende Mülltrennung und weil Plastikverpackungen einen erheblichen Teil des Abfalls ausmachen, verschiebt sich die Müllmenge. Bisher wurde der größte Teil des Abfalls, der in einem Haushalt anfällt, im Restmüll entsorgt. Dementsprechend groß sind in den Wohnhäusern auch die Restmüllcontainer. Nun stellen viele Haushalte um: Im großen Mistkübel in der Küche wird nicht mehr der Restmüll, sondern für die (blau-)gelbe Tonne gesammelt. Wer keine Windeln oder Ähnliches zu entsorgen hat, bei dem fällt wesentlich weniger Restmüll an.

Zu kalt für Aufkleber

Bereits im Jahr 2019 gab es eine Umstellung in Wien: Die blaue und die gelbe Tonne wurden zu einer fusioniert. Damals erhielten alle Haushalte zwei Wochen vor der Umstellung eine neue Vorsammeltasche und ein Infoblatt. Eine ähnliche Kampagne ist diesmal nicht geplant, auch die Aufkleber auf den blau-gelben Tonnen wurden bisher nicht erneuert. Nicole Puzsar, Sprecherin der MA 48, erklärt: "Wenn es kalt ist, hält der Kleber der Pickerln nicht, sobald es aber etwas wärmer wird, bekommt jede blau-gelbe Tonne einen Zusatzaufkleber." Aus dem Umweltministerium heißt es, die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative "Österreich sammelt" der Sammel- und Verwertungsunternehmen für Verpackungen werde in den nächsten Monaten laufend erweitert, um noch mehr Menschen zu motivieren, ihre Verpackungen getrennt zu sammeln.

In Wien verfügt nur ein kleiner Teil der Wohnhäuser über eine blau-gelbe Tonne im Haus, diese kann auch nicht, wie andere Mülltonnen, beantragt werden. Die meisten Wienerinnen und Wiener müssen den Abfall selbst zu öffentlichen Sammelstellen bringen. Außerdem sei es laut Ma 48 nicht nötig, Joghurtbecher und andere Verpackungen auszuspülen, da sie beim Recyclingprozess gewaschen werden. Dies verringert zwar den Aufwand, führt aber schnell zu einer Geruchsentwicklung, wenn der Müll nicht mehrmals wöchentlich weggebracht wird.

Tonnen öfter geleert

Auch in Zukunft soll die Zahl der blau-gelben Tonnen nicht erhöht werden, allerdings werden sie öfter, wenn nötig auch kurzfristig, geleert, bestätigt die MA 48 und erklärt, dass die Menschen nicht mehr oder besser Müll trennen, je näher die Mülltonnen stehen. Das sei in einem repräsentativen Versuch festgestellt worden. "Obwohl die Behälter direkt in den Müllräumen aufgestellt waren, entsprach die Müllmenge – entgegen unseren Erwartungen – dem Wiener Durchschnitt", erklärt Puzsar. Es sei also nicht mehr gesammelt worden, der Aufwand – und damit die Kosten für die Stadt – hätte sich jedoch verdoppelt.

Ratlosigkeit: Ein ganzer Müllsack passt nicht durch die Öffnungen der blau-gelben Tonne. Wer seinen Mist darin entsorgen will, muss ihn einzeln durch die Öffnungen werfen.
Foto: Tobias Steinmaurer / picturedesk.com

Neben den Standorten der Tonnen wird etwa in den sozialen Medien auch ihr Design kritisiert, genauer gesagt die Öffnungen. Diese sind so konzipiert, dass Flaschen, Metalldosen und Tetra-Paks nur einzeln eingeworfen werden können. Um Fehlwürfe zu verhindern, wie es von der MA 48 heißt. "Mitunter ist es schon vorgekommen, dass ganze Wäschespinnen in diesen Behältern entsorgt wurden", erzählt Puzsar. Und auch Andreas Pertl von "Österreich sammelt" weiß, dass durch die Anonymität der Großstadt die Qualität der Sammlung extrem leide: "Sobald die gelben Tonnen ganz aufgehen, wird es extrem problematisch."

Doch kann so die Umstellung gelingen? "Wenn Verhalten sich verändern soll, muss dies leicht sein", sagt der Psychologe und Nachhaltigkeitsforscher Thomas Brudermann von der Uni Graz. Wir alle hätten Gewohnheiten, die sich in unser Hirn einbrennen – etwa jene, wie man den Müll zu Hause trennt. Sie zu verändern sei ein langer Prozess. "Wenn es sogar schwieriger wird, es mehr Aufwand ist, den Abfall zu entsorgen, wird das im Alltag kaum jemand umsetzen. Ich habe keine großen Hoffnungen, dass das gut funktionieren wird, zumindest nicht kurzfristig", sagt Brudermann.

Flaschenpfand kommt 2025

Laut MA 48 ist ein Grund, warum auf eine große Infokampagne verzichtet und die Müllsammlung bisher nicht angepasst wurde, dass 2025 ein Pfand auf PET-Flaschen und Getränkedosen eingeführt wird. "Wir rechnen damit, dass sich dann die Menge, die in diesen Tonnen landet, wieder reduziert", sagt Puzsar. Verpflichtend sei die gemeinsame Sammlung von Kunststoff- und Metallverpackungen österreichweit ohnehin erst ab 2025. Aktuell befinde man sich daher in einer Übergangszeit. Die MA 48 schaue sich jetzt ganz genau an, wie die Müllmengen sich entwickeln und wie das neue System angenommen werde, um dann längerfristig darauf zu reagieren.

Seit Anfang des Jahres liegen auch alle Plastikverpackungen – wie hier eine von Klopapier – in der blau-gelben Tonne richtig.
Foto: imago images/CHROMORANGE

"Man stellt solche Systeme nicht von einem Tag auf den anderen um, man muss die Menschen langsam begleiten und ihnen erklären, dass das, was sie früher im Restmüll entsorgt haben, jetzt wertvoll ist und recycelt werden kann", sagt Pertl von "Österreich sammelt". Aus anderen Regionen wisse man, dass es drei Monate bis ein halbes Jahr dauert, bis so eine Umstellung geglückt ist. Außerdem brauche es für die Abholung einer zusätzlichen Tonne aus den Wohnhäusern entsprechende Kapazitäten und Logistik. Daher sei die aktuelle Phase eine Art Testlauf, sagt Pertl und vermutet – vorausgesetzt es funktioniert – dass es am Ende auch gelbe Tonnen in den Wohnhäusern geben werde.

Während in ländlichen Regionen sowie in Einfamilienhausgebieten in Wien jedes Haus über einen gelben Sack verfügt, der wie Restmüll und Altpapier regelmäßig abgeholt wird, sei laut Daisy Kroker, Geschäftsführerin der Bundesgeschäftsstelle des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe, in den Müllräumen oft schlichtweg kein Platz für eine zusätzliche Tonne. In Zukunft könne man aber eine Restmülltonne weniger zur Verfügung stellen. Kroker vermutet, dass es erst in zwei Jahren eine österreichweite Kampagne geben wird, "weil häufige Anpassungen der Entsorgung bei den Bürgern nicht gut ankommen".

In Süddeutschland gibt es eine große gelbe Tonne und eine kleine für den Restmüll.
Foto: privat

Und wie könnte die Zukunft aussehen? Ein Blick ins Ausland lohnt sich hier, etwa nach Süddeutschland. Dort gibt es schon seit vielen Jahren ein Pfandsystem auf PET-Flaschen und Getränkedosen, außerdem werden Plastikverpackungen in der gelben Tonne entsorgt. Die Konsequenz: Es gibt eine große gelbe Tonne und eine kleinere Restmülltonne. Ein Szenario, das künftig auch für Österreich realistisch ist. In Süddeutschland wird allerdings das Altpapier nicht überall zu Hause abgeholt, sondern muss zu öffentlichen Sammelstellen gebracht werden. (Bernadette Redl, 16.1.2023)