Foto: Heribert Corn

PRO: Es geht jetzt um alles

von Colette M. Schmidt

Wir befinden uns auf einem sinkenden Schiff. Alle: Linke, Rechte, Umweltaktivistinnen und SUV-Fahrer. Nur wollen das nicht alle wahrhaben. Man kann die Wissenschaft ignorieren und die Klimakrise leugnen. Doch das gibt niemandem das Recht, eine Generation zu verurteilen, die nur um ihre Zukunft kämpft.

Es sind junge Menschen, die laut und verzweifelt auf dem Schiff Alarm schreien, weil jene auf der Brücke ihren Kurs nicht ändern. Junge Menschen, die deutlich höhere Chancen haben, die Apokalypse persönlich zu erleben, als jene, die jahrzehntelang nur die eigene Bequemlichkeit und den eigenen Profit im Sinn hatten. Jetzt sind die Letzteren beleidigt, wenn sie zu spät in die Arbeit kommen, weil jemand an der Straße klebt.

Während das Schiff untergeht, erörtert man die Qualität der Alarmrufe. Sie seien zu schrill, zu unangenehm. Oder man behauptet, die an Straßen Klebenden oder Plexiglasscheiben vor Kunstwerken Anschüttenden würden "der Sache schaden".

Wie denn? Fliegen verärgerte Autofahrer in den Amazonas und zünden ein Stück Regenwald an? Der Job, zu dem sie zu spät kommen, die Museen, in denen unser Kulturerbe hängt – einfach alles wird viel mehr vom Klimawandel bedroht als von Klimaaktivismus. Die Argumente der Letzten Generation überzeugen. Weil sie den Protest in die Mitte unseres Lebens gebracht haben, wird so viel wie noch nie über die Klimakrise geredet. Das ist gut, denn es geht jetzt um alles. Und alle. (Colette M. Schmidt, 12.1.2023)

KONTRA: Schlechtes Klima

von Markus Rohrhofer

Man mag ja durchaus Mitleid mit Martha Krumpeck haben. Zur Erinnerung: Das ist jene Mitbegründerin der Letzten Generation in Österreich, der zuletzt in der "ZiB 2" das Diskussionsklima offensichtlich zu heiß wurde. Was letztlich in einem durchaus emotionalen bis befremdlichen Auftritt mündete. Fazit: Der Meeresspiegel steigt – und mit ihm publikumswirksam die Tränenflüssigkeit.

Das Problem dabei: Die Wirkung wird verfehlt. Denn längst hat sich die Stimmung gedreht. Nur ein knappes Fünftel der Österreicher befürwortet laut einer Market-Umfrage die drastischen Aktionen der Klimaaktivisten.

Womit eines mehr als deutlich wird: Die Picker-Fraktion hat sich selbst CO2-neutral in die Klima-Sackgasse manövriert. Die gewählte Form des scheinbaren Ökoprotestes – der Kleber ist übrigens auch nicht aus Hanf und Sojamilch – bringt im Kampf gegen den Klimawandel nichts und hat nur den Effekt, dass über die Verhältnismäßigkeit der klebrigen Aktionen diskutiert wird. Der Kleber der Asphaltjünger lässt den Kitt der Gesellschaft bröckeln. Die unsinnigen Aktionen retten nicht den Planeten, sondern gefährden Menschen und verschärfen soziale Spannungen. Wer als Klimaretter glaubt, vermeintlich im Dienst der guten Sache die Lizenz für Sachbeschädigung zu besitzen, schürt Gewaltbereitschaft und Hass und muss vom Gegenteil überzeugt werden. Auch mit härteren Strafen. (Markus Rohrhofer, 12.1.2023)