Um miteinander kommunizieren zu können, müssen Delfine unter der Wasseroberfläche zunehmend laut werden.
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Walgesänge haben menschliche Fans, die sich die Unterwasserkommunikation der Säugetiere gern zur Entspannung zu Gemüte führen. Auch die knatternd-quietschenden Laute der Delfine dürften ihre Anhängerinnen und Anhänger haben und sind gewiss eine einzigartige Erfahrung, wenn man die Gelegenheit hat, ihnen in freier Wildbahn zu lauschen.

Modi Elnadi

Doch eine laute Umgebung erschwert den Tieren den Austausch von Informationen, wie eine Studie im Fachmagazin "Current Biology" deutlich macht. Die sozialen Meeresbewohner müssen aufgrund des Lärms, den beispielsweise Schiffe und Unterwasserbohrungen verursachen, entsprechend "schreien", um sich zu verständigen. Dann erhöhen sie die Lautstärke und die Dauer ihrer Pfiffe.

Beeinträchtigte Echoortung

"In einem sehr lauten Pub heben wir unwillkürlich unsere Stimme", zieht Erstautorin Pernille Sørensen von der Universität Bristol in Großbritannien einen Vergleich zu menschlichem Verhalten. "Delfine reagieren ähnlich – sie versuchen, dies zu kompensieren, aber es kommt zu Missverständnissen."

Durch störende Umgebungsgeräusche kann die Kommunikation der Delfine also erheblich beeinträchtigt werden, berichtet das Team. Dabei ist dies für die sozialen Tiere besonders wichtig, etwa auf der Jagd und bei der Paarung. Um sich auszutauschen, produzieren sie unter anderem Pfiffe sowie Klicklaute für die Echoortung.

Gemeinschaftsaufgabe

Die Unterwasserverständigung von Meeressäugern wird zunehmend durch den Menschen gestört. Bohrungen, Windparks und die Schifffahrt erzeugen jede Menge Lärm, wodurch die Tiere nicht mehr normal kommunizieren und komplexe Verhaltensweisen nicht richtig koordinieren können. Orientierung, Futtersuche und auch die Erkennung von Artgenossen werden erheblich beeinträchtigt. Auf Dauer kann das zu schwerwiegenden Verhaltensänderungen, gesundheitlichen Schäden und sogar einem erhöhten Sterberisiko der Tiere führen.

Um die zunehmende Lärmbelästigung auszugleichen, setzen einzelne Tiere ihre spezifischen Rufe lauter, länger oder öfter ein. Oder sie verlassen den Ort, um in ruhigere Gebiete zu gelangen. Bisher sind diese Verhaltensweisen nur bei einzelnen Individuen nachgewiesen worden. Das US-amerikanisch-britische Team untersuchte für die aktuelle Studie, wie zwei Vertreter der Spezies Großer Tümmler auf zunehmende Störgeräusche reagierten, während sie eine Gemeinschaftsaufgabe lösen sollten.

Sinkende Erfolgsquote

Für ihre Analyse nutzte die Gruppe nicht-invasive Marker, die die Geräusche und Bewegungen der Individuen dokumentieren. Die Delfinmännchen, Delta und Reese, sollten zeitgleich zwei Knöpfe unter Wasser betätigen, die sich an entgegengesetzten Enden der Versuchslagune befanden. In vorherigen Versuchen hatte das Duo schon bewiesen, dass es eine derartige Aufgabe durch präzise Kommunikation lösen konnte. Die neue Herausforderung bestand darin, die Aufgabe bei unterschiedlich starken Geräuschkulissen zu erfüllen – von normalen Umgebungsgeräuschen bis zum enormen Lärm eines Hochdruckreinigers.

Das naheliegende Ergebnis: Der Erfolg der Tümmler nahm mit steigender Umgebungslautstärke ab. Schafften es die beiden bei normalen Umgebungsgeräuschen noch in 85 Prozent der Versuche, die zwei Knöpfe zeitgleich zu betätigen, so sank ihre Erfolgsquote auf 62,5 Prozent bei der stärksten Lärmbelästigung.

Stressfaktoren

Zudem beobachteten die Forschenden, dass die Delfine mit zunehmendem Geräuschpegel sowohl die Lautstärke als auch die Dauer ihrer Pfiffe erhöhten. Die Tiere mussten förmlich schreien, um sich zu koordinieren. Beim Lärm des Hochdruckreinigers pfiffen sie fast doppelt so lange wie sonst. Zusätzlich änderten die Tiere auch ihre Körpersprache: Mit steigendem Lärm orientierten sie sich öfter neu zueinander und schwammen auf die entgegengesetzte Seite der Lagune, um sich näher zu kommen und die Signale des Partners besser verstehen zu können. "Unsere Studie zeigt, dass die Kommunikation der Delfine durch den Lärm erheblich beeinträchtigt wird – trotz ihrer diversen Kompensationsversuche", sagt Verhaltensforscherin Sørensen.

Zwar erfolgte die Studie nur an Delfinen in menschlicher Obhut, doch gehen die Forschenden davon aus, dass sich menschengemachter Lärm auch auf wilde Delfine auswirkt. "Durch Störgeräusche könnte zum Beispiel die gemeinsame Nahrungssuche weniger effizient ausfallen", sagte Studienautorin Stephanie King, die ebenfalls an der Universität Bristol forscht. Gemeinsam mit anderen Stressfaktoren kann dies nicht nur auf einzelne Individuen, sondern auf ganze Populationen einen erheblichen Druck ausüben.

Ruhezeiten im Meer

Die Soundkulisse unter der Meeresoberfläche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Fachleute vermuten, dass damit auch verschiedene Verhaltensänderungen und Probleme der Tierwelt einhergehen. So kommt es etwa vermehrt zu gestrandeten Meerestieren und zur Dekompressionskrankheit, wenn die Säugetiere zu schnell zur Oberfläche aufsteigen.

Es gibt Bemühungen, den Lärm für Delfine, Wale und andere Tiere zu dämpfen. Sørensen erwähnt beispielsweise Netzstrukturen, die Unterwasserbaustellen umgeben. Um die negativen Folgen schwieriger vermeidbarer Geräusche einzudämmen, etwa in der Schifffahrt, sei es notwendig, mehr über die Meeresbewohner herauszufinden. Es könne etwa bestimmte Wochen im Jahr geben, in denen eine Region besser in Ruhe gelassen werden sollte. "So könnte man den Verkehr zu bestimmten Zeiten reduzieren und zu anderen Zeiten erhöhen." (red, APA, 15.1.2023)