Kaum schneit es ein wenig auf die grünen Wiesen, verwandelt sich die Skiwelt in eine weiße Winterlandschaft.

Foto: Skiwelt Marketing GmbH

Der Wilde Kaiser, Namensgeber für das Skigebiet, ist fast immer im Blick.

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Bis zu 400 Jahre alt sind einige der Hütten, die vor dem Abriss gerettet und sorgfältig renoviert wurden.

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Auch für die Allerkleinsten steht ein Ski bereit.

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Karina, die Oberhexe, gehört in Söll zur Stammmannschaft.

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Der Alpeniglu in Hochbrixen wird jeden Dezember neu errichtet.

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Going, Elmau, Scheffau, Söll, Hopfgarten, Brixen, Westendorf – keiner dieser kleinen Orte besitzt den Klang oder das Renommee des nahegelegenen Kitzbühel, sie stehen im Schatten der Gamsstadt. Aber diese und vier weitere Gemeinden bilden ein Skigebiet, das nach Meinung vieler Skifahrer das des berühmten Nachbarn in den Schatten stellt.

Die Skiwelt Wilder Kaiser – Brixental ist – nach dem Arlberg und Saalbach-Hinterglemm – die drittgrößte zusammenhängende Skiarena Österreichs und sicherlich eine der attraktivsten. Von neun Einstiegsstationen in zwei Tälern führen fast alle Gondeln auf einen großen Gebirgszug hinauf, auf dem sich Dutzende weitere Lifte und 270 Pistenkilometer in einem alpinen Labyrinth kreuzen.

Wer will, kann den ganzen Tag auf dem Berg bleiben und ständig neue Abfahrten entdecken, ohne je ins Tal abfahren zu müssen. Nur die Bergbahnen von Westendorf sind durch eine Straße getrennt, die aber über eine Brücke in Brixen leicht überquert werden kann. Hier ständig die Orientierung zu behalten, fällt nur Stammgästen leicht, aber die derzeit etwas unübersichtliche Beschilderung soll noch heuer komplett erneuert werden.

Familienabfahrten und schwarze Pisten

Obwohl die Skiwelt den Ruf eines Familienskigebiets hat, finden auch anspruchsvolle Skifahrer ihren Spaß, sei es durch die schwarze Pisten von der Hohen Salve, die besonders steile Alpe Seit oder Talabfahrten, auf denen man tausend Höhenmeter überwinden muss. Das steht auch ohne Streif dem Kitzbüheler Hahnenkamm um nichts nach.

Das Panorama von den Gipfeln ist grandios. Auf der Nordseite der namensgebende Wilde Kaiser mit seinen schroffen Felsen, Richtung Süden reicht der Blick bis in die Hohen Tauern. Wer all das bei einem zünftigen Tiroler Mittagessen genießen will, kann sich an einen der Fenstertische in der Gipfelalm auf der Hohen Salve setzen, dem höchsten drehbaren Restaurant im Land.

Eigenanbau in den Hütten

Überhaupt gehören die Hütten zu den Attraktionen des Gebiets. Sie werden zumeist von lokalen Bäuerinnen und Bauern geführt, die trotz eines stetigen Ausbaus in den vergangenen Jahrzehnten ihren Wurzeln treu geblieben sind. Fleisch und Milchprodukte von der eigenen Alm, selbstgebackenes Brot und Kräuter von den Wiesen werden auch den Gästen in den Selbstbedienungsrestaurants serviert.

Andreas Ager, der Wirt der Stöcklalm in Söll, hat seine Kühe und einen Esel in einem riesigen Schaustall untergebracht, den er "Amviehtheater" nennt. Johanna Horngacher, die Wirtin der Aualm in Scheffau, kommt aus dem Reden gar nicht mehr heraus, wenn sie beginnt, die vielen g'schmackigen Zutaten aus der Eigenproduktion aufzuzählen.

Wo sich die Hexen treffen

Trotz ihrer Größe hat die Skiwelt etwas Familiäres behalten. Das liegt vielleicht daran, dass es sechs Bergbahngesellschaften sind, die seit 45 Jahren über eine Dachgesellschaft zusammenarbeiten und dabei im freundlichen Wettbewerb versuchen, die Gäste möglichst lang im eigenen Bereich zu halten, weil sich das positiv in der Abrechnung niederschlägt.

In Söll lockt von Mittwoch bis Samstag ein besonders großes Nachtskiareal, das auch den Wirten rund um die Hexenwasser genannte Bergstation zu einem schönen Abendgeschäft verhilft. Und wenn es schon Hexenwasser heißt, muss es auch Hexen geben, die Kinder erfreuen und in ihrem 400 Jahre alten Hexenhäuschen, der Simonalm, ein Hexengetränk ausschenken – oder in ihren Kostümen und Besen über die Pisten wedeln. Allen voran Karina, die Oberhexe, die mit ihrer Ausdruckskraft auf jede Theaterbühne passen würde.

Der Iglu-Bauer

Auf den weiten Hängen der Skiwelt gibt es auch sonst viel Platz für Eigeninitiative. Die Leiter des Kinderkaiserlandes in Scheffau haben einen eigenen Leichtski entwickelt, mit dem sich bereits Zweijährige an den Händen der Eltern auf Brettln versuchen können.

In Hochbrixen baut Benno Reitbauer seit zwölf Jahren jeden Winter ein ganzes Igludorf auf. Die zentrale Halle mit neun Meter Durchmesser dient täglich als Bar, am Wochenende als Restaurant und bei Bedarf als Eventlocation für bis zu 2.000 Gäste. Reitbauer erzählt, wie er jahrelang mit seiner einzigartigen Iglubau-Technologie, bei der ein Ballon mit Kunstschnee bedeckt und dann entfernt wird, vergeblich in Tiroler Skigebieten Interessenten gesucht und schließlich den idealen Standort bei der Bergstation von Brixen gefunden hat. Bloß die Schlafiglus für eine kuschelige Nacht unter vielen Decken hat er heuer nicht mehr aufgebaut, das habe sich nicht mehr gerechnet.

Meister des Kunstschnees

Wie andere Skigebiete unter 2.000 Meter Seehöhe kämpft die Skiwelt mit dem Klimawandel, zu dem die Bergbahnen mit allen möglichen ökologischen Anpassungen etwas weniger beizutragen versuchen, als es der Branche von vielen unterstellt wird. Ob der Wilde Kaiser die Wolken abfängt und so tatsächlich für Schneesicherheit sorgt, wie Einheimische gerne behaupten, bleibt dahingestellt. Aber im Produzieren von Kunstschnee sind die sechs Bergbahngesellschaften Meister. Dank modernster Sensorentechnologie können sie die Schneemenge auf den Pisten optimieren.

Selbst während des ungewöhnlichen Wärmeeinbruchs nach Neujahr, als sich überall in den Alpen weiße Bänder durch die grüne Landschaft schlängelten, konnte man auf diesen Kunstschneekorridoren hervorragend seine Schwünge setzen, waren alle Bahnen und wichtigen Abfahrten in Betrieb. Und kaum schneite es ein wenig, konnte man dank des weichen Wiesenbodens auch abseits der Pisten fahren. Für echtes Freeriding ist das Gebiet allerdings nicht geeignet.

Geheimtipp und Magnet

Wen man in den Bahnen, Hütten und Unterkünften im Tal recht selten trifft, sind Gäste aus Österreich. Für Kitzbühel-verliebte Wienerinnen und Wiener ist das Gebiet bestenfalls ein Geheimtipp. Nicht so für hunderttausende Skibegeisterte aus Deutschland, den Niederlanden oder anderen Märkten im Norden. Die reisen bequem mit einer der vielen Bahnverbindungen an oder doch mit dem Auto, das sie bereits 20 Minuten nach der Autobahnabfahrt Kufstein an der Talstation in Scheffau parken können.

Die Skiwelt sieht sich nicht als Konkurrenz zu Kitzski, dem Kitzbüheler Skiverbund, der bis in den Pinzgau reicht, sondern als Partner. Für einen Aufschlag von 26 Euro können Skipasshalter beider Gebiete einen Tag im anderen verbringen – oder über die selbstdeklarierte "längste Skirunde der Welt" von Going bis Hollersbach und zurück jagen und sich dabei 85 Pistenkilometer in die Oberschenkel pressen. Ganz Ambitionierte schaffen das tatsächlich in einem Skitag.

Inmitten dieses Skimarathons merkt man allerdings, dass die Skiwelt und Kitzski eher Rücken an Rücken stehen, als dass sie sich umarmen. Von der Talstation Ki-West am südlichen Ende der Skiwelt, die zum Gemeindegebiet von Kirchberg gehört, ist der Pengelstein in Sichtweite. Ein Pendelbus bringt Skifahrer in wenigen Minuten von einer Bahn zur anderen. Auf eine Liftverbindung haben sich die beiden Skigebiete bis heute nicht einigen können. (Eric Frey, 20.1.2022)