Dreißig Euro kostet die Neos Niederösterreich dieses Gespräch. Das Interview findet in der Neos-Parteiakademie statt, deren Präsidentin Indra Collini ist. Um Akademie- und Parteiabrechnungen nicht zu vermischen, bucht die pinke Spitzenkandidatin für Niederösterreich den Raum kostenpflichtig.

Einen Wettbewerb um niedrige Steuern innerhalb Österreichs sähe Indra Collini positiv.
Foto: heribert corn

STANDARD: Die Neos sind gegen "überbordenden Föderalismus". Braucht Österreich aus Ihrer Sicht überhaupt Bundesländer?

Collini: Das System kostet sehr viel Steuergeld. Die Frage ist, was leistet der Landtag für dieses Geld? Nur weil ein Bundesland keinen Landtag mehr hat, ist es ja nicht weg. Es hängt so viel Emotion an dieser Frage, deswegen traut sich auch niemand, das Thema anzugreifen.

STANDARD: Abgeschaffte Landesparlamente klingen aber nicht nach mehr Demokratie.

Collini: Wir haben ja auch Bezirkshauptmannschaften, die sind bürgernäher als ein Landtag.

STANDARD: Sie sind vielleicht bürgernäher, dafür nicht durch freie Wahlen legitimiert.

Collini: Man muss aber auch ehrlich sagen, dass wir im niederösterreichischen Landtag zum Beispiel sehr viele Gesetze beschließen, die von der europäischen Ebene oder von der Bundesebene kommen und nur heruntergebrochen werden auf das Land. Eine andere Lösung wäre auch, die Bundesländer zu stärken und ihnen Steuerhoheit zu geben.

STANDARD: Würde das nicht zu einem Wettbewerb führen, wer die niedrigsten Steuern hat?

Collini: Österreich ist ein Hochsteuerland. Es ist kein Geheimnis, dass die Neos die Steuerlast für die Bürgerinnen und Bürger senken wollen. Das hieße einerseits, dass den Menschen, die arbeiten gehen, mehr Netto vom Brutto bleibt. Niedrigere Steuern hätten andererseits auch den Effekt, dass Betriebe mehr Spielraum haben, um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vernünftige Gehälter zu zahlen.

STANDARD: Die Neos fordern eine Halbierung der Parteienförderung in Niederösterreich – weil die Teuerung die Bevölkerung belastet. Aber diese Maßnahme würde gerade einmal zehn Millionen Euro bringen.

Collini: Wir haben in Österreich eine unverschämt hohe Parteienförderung. Die Parteien sind nicht bereit, bei sich selbst zu sparen. Gerade jetzt müsste die Politik aber mit gutem Beispiel vorangehen und sagen: Wir schnallen den Gürtel enger.

STANDARD: Sie wollen auch die Abschaffung der automatischen Inflationsanpassung für die Parteienförderung in Niederösterreich. Ist das nicht reiner Populismus?

Collini: Das sehe ich nicht so. Die Neos Niederösterreich haben keine Klubstärke und bekommen dementsprechend auch keine Klubförderung, nur Parteienförderung. Wir sind das beste Beispiel, dass man auch mit wesentlich weniger Geld gute politische Arbeit leisten kann.

STANDARD: Sie plädieren für eine Politikerhaftung. Würde Neos-Stadtrat Christoph Wiederkehr in Wien nicht Probleme bekommen wegen der Missstände in seiner MA 35?

Collini: Ich weiß nicht genau, was in der MA 35 läuft – aber soweit ich weiß, gab es da keine Fahrlässigkeit. Eine Politikerhaftung kann ein Qualitätsinstrument sein, weil man nachweisen muss, dass man für große Entscheidungen gute Grundlagen hatte. Wolfgang Sobotka hat als Landesrat in Niederösterreich 2,3 Milliarden Euro an Wohnbaugeldern verspekuliert. Das wäre nicht passiert, wenn es für so etwas Konsequenzen gäbe.

STANDARD: Laut einer STANDARD-Umfrage wollen nur 39 Prozent der Leute in Niederösterreich, dass die ÖVP ihre absolute Mehrheit verliert. So schlecht kann es um das Land dann nicht bestellt sein, oder?

Collini: Die Zahlen würde ich gerne im Detail sehen: Wie viele von den 61 Prozent sind dagegen, und wie vielen ist es wurscht.

STANDARD: Selbst wenn es vielen wurscht ist, scheint es ja nicht so schlimm zu sein im Land.

Collini: Absolute Mehrheiten sind nie gut, weil sie sich im System festbeißen und das Land veränderungsresistent machen.

Collini im Hof des Neos-Lab in Wien-Neubau.
Foto: heribert corn

STANDARD: Sie fordern die Abschaffung des Proporzes ...

Collini: Ja!

STANDARD: Moment, die Frage war noch nicht fertig: Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte die ÖVP mit ihrer absoluten Mehrheit seit 2018 auch alle Landesregierungssitze bekommen.

Collini: Durch das Proporzsystem sind alle größeren Parteien – ÖVP, SPÖ und FPÖ – in der Regierung und sitzen dort am Futtertrog. Die Opposition muss den Finger in die Wunde drücken, damit etwas weitergeht. Ohne Proporz hätten wir in Niederösterreich viel mehr Druck ausüben können.

STANDARD: Die ÖVP wirkte einigermaßen druckresistent. Mit zwei anderen Parteien zu regieren schien ihr schwerer zu fallen.

Collini: Nein, weil SPÖ und FPÖ alles durchwinken, was die ÖVP sagt.

STANDARD: Würden Sie eine mögliche rot-blaue Koalition unterstützen?

Collini: Johanna Mikl-Leitner wird Landeshauptfrau sein. Dieses Schreckgespenst einer alternativen Mehrheit soll doch nur die eigenen Leute in der ÖVP mobilisieren. Wir würden keine Mehrheit unterstützen, an der die FPÖ beteiligt ist.

STANDARD: Sie stehen vor Ihrer zweiten Legislaturperiode als Neos-Landessprecherin. Machen Sie auch eine dritte?

Collini: Nach der Wahl möchten wir unseren Wachstumskurs in Richtung Gemeinderatswahlen 2025 fortsetzen. Und dann bin ich schon in einem Alter … ich bin jetzt 52, in fünf Jahren bin ich 57. Ich glaube, als verantwortungsvolle Führungskraft muss ich mich auch rechtzeitig um eine Nachfolge kümmern. (Sebastian Fellner, 24.1.2023)