Die Suche nach schulischem Leitungspersonal wird immer schwieriger – im städtischen wie auch im ländlichen Bereich.

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Für sieben von zehn offenen Direktionsstellen an Wiener Pflichtschulen gab es in den vergangenen vier Jahren jeweils nur eine einzige Bewerbung oder es hat sich überhaupt niemand für den ausgeschriebenen Leitungsjob interessiert. Dem Schulsystem gehen also langsam nicht nur die Lehrkräfte aus (je nach Fach und Schulform unterschiedlich stark), sondern auch die Führungskräfte. Viele Menschen im Schulsystem erleben offenbar die Direktion als Job, der mitunter so unattraktiv erscheint, dass ihn immer öfter niemand machen will – oder die "Entscheidung" über die Neubesetzung aus einer Einer-Liste fallen muss.

Nur provisorisch geleitet

Ähnlich schwierig ist die Gemengelage übrigens auch im Bereich der Schulen, für die der Bund zuständig ist. Wie DER STANDARD im Dezember berichtete, sind laut Bildungsministerium aktuell 123 Standorte (50 AHS und 73 BMHS) nur unter provisorischer Leitung. Aus dem Büro von Minister Martin Polaschek (ÖVP) hieß es zur Führungspersonalsuche: "In Ballungszentren gibt es durchaus oft sechs oder sieben Bewerberinnen und Bewerber für einen Posten, im ländlichen Raum hingegen häufig weniger, teilweise auch Einzelbewerbungen."

Sechs oder sieben Bewerbungen für die Leitung einer Pflichtschule gab es im größten Ballungsraum des Landes, in der Bundeshauptstadt Wien, zwischen 2019 und 2022 allerdings kein einziges Mal. Das geht aus zwei Anfragen der Grünen im Wiener Gemeinderat und Landtag an Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) hervor. Bildungssprecher Felix Stadler und Bildungssprecherin Julia Malle wollten ein genaueres Bild über die Bestellung von Schulleiterinnen und Schulleitern im städtischen Zuständigkeitsbereich. Dazu gehören alle Volks-, Mittel- und Sonderschulen sowie Polytechnischen Schulen.

Es zeigte sich folgende (Nicht-)Interessenlage an einem Direktionsjob (siehe Grafik):

Grafik: Anfragebeantwortung Bildungsstadtrat an die Wiener Grünen / DER STANDARD

Im ersten Anfragejahr 2019/20 wurden für zehn Wiener Schulen neue Leitungen gesucht, zweimal gab es zwei Interessierte, für acht Schulen nur je eine. Im Jahr darauf waren 55 Direktionen ausgeschrieben, davon gab es für 48 Standorte jeweils nur eine einzige Bewerbung. Ähnlich war es 2021/22: 34 Wiener Pflichtschulen wollte jeweils nur eine einzige Person leiten, an 17 Standorten konnte immerhin aus zwei Bewerbungen ausgewählt werden. Im Vorjahr ging für 22 offene Schuldirektionen in neun Fällen nur eine Bewerbung ein, in zehn weiteren jeweils zwei und um drei Schulen ritterten sogar drei Bewerberinnen und Bewerber.

Faktor für Schulqualität

Angesichts dieses "Missstands" fordern die Grünen in Wien Maßnahmen von der rot-pinken Stadtregierung: "Direktorinnen und Direktoren sind enorm wichtige und entscheidende Personen, wenn es um die Schulqualität und das Lernen von Kindern geht. Wir brauchen daher die besten und motiviertesten Menschen in diesen Rollen", sagt Stadler im STANDARD-Gespräch: "Bei den derzeitigen Arbeitsbedingungen ist zwar verständlich, dass sich pro Schule nur eine Person bewirbt, dieser Zustand ist aber untragbar." Er und Malle fordern von Stadtrat Wiederkehr "endlich echte Anreize und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sodass wir viele Menschen für diesen so wichtigen Beruf begeistern können."

Mögliche Anreize sehen die Grünen beispielsweise in Extra-Zulagen für die Leitung schwieriger Schulen sowie zusätzlicher Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen. "Außerdem sollte es endlich entpolitisiert werden", spricht Stadler einen weiteren Aspekt an. "Leider läuft noch immer fast alles über die Fraktionen der Gewerkschaften."

Der grüne Abgeordnete kennt die Situation in den Schulen nicht nur als Bildungspolitiker. Er ist selbst Lehrer. Nach seinem Volkswirtschaftsstudium unterrichtete er vier Jahre im Rahmen von Teach for Austria an der Mittelschule Schwechat, absolvierte ein Masterstudium in Vergleichender Erziehungswissenschaft in London und ist nun Lehrer an einer Mittelschule in Wien. "Man kann die Rolle der Direktorinnen und Direktoren nicht hoch und wichtig genug einschätzen für das, was in den Schulen passiert." Es wirke sich "unglaublich auf das Schulklima, Kinder und Lehrende gleichermaßen sowie das Lernen und Unterrichten" aus, wie diese Führungsfunktion gelebt werde.

Autonomie und Entlastung

Aus Stadtrat Wiederkehrs Büro hieß es auf STANDARD-Anfrage zur Schulleitungsproblematik, dass die Direktorinnen und Direktoren, die "Enormes leisten", in ihrer Führungsaufgabe gestärkt werden müssten durch "entsprechende Handlungsspielräume, das heißt Stärkung der Autonomie". Weiters nannte Wiederkehr die Einführung eines mittleren Managements und die Entlastung von administrativen Aufgaben. Darum sei eine seiner ersten Maßnahmen als Bildungsstadtrat gewesen, "dass jede Wiener Pflichtschule eine administrative Unterstützungskraft zur Entlastung der Schulleitungen bekommt". (Lisa Nimmervoll, 24.1.2023)