Diese Woche stellte der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch das Ende aller verbliebenen Corona-Maßnahmen in Aussicht. Geht es nach Rauch, soll das schrittweise bis Ende Juni passieren. Dass die Maskenpflicht in Spitälern, Pflegeheimen und Arztpraxen also noch einige wenige Monate erhalten bleiben wird, sorgt vor allem im Ländle für Verdruss. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner will sie am liebsten sofort abgeschafft wissen. Diesem Wunsch will Rauch allerdings nicht folgen. "Wir brauchen den Vorlauf", sagt der Minister im Ö1-Journal zu Gast am Samstag.

Es werde ein ordentliches Begutachtungsverfahren geben, führt Rauch aus. "Weil wir auch zurück müssen zu Abläufen im Parlament, die so sind, wie sie demokratisch vorgesehen sind." Damit spielt der Minister wohl auf die ein oder andere Verordnung an, die während der Hochphase der Pandemie im Eiltempo durch den Nationalrat gepeitscht wurde.

Dass der Epidemiologe Gerald Gartlehner nun kritisiere, dass Österreich die Corona-Maßnahmen nicht groß angelegt durchleuchten zu lassen, will Rauch so nicht stehen lassen: "Nein, das machen wir", sagt er. "Sowohl im internationalen wie auch im österreichischen Vergleich. Wir schauen uns ganz genau an, was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert. Das alles fließt in einen Pandemieplan ein, ein Vorbereitungsdokument für eine allfällige nächste Pandemie. Und wir werden auch das zentrale Instrument, das wir haben, das Epidemie-Gesetz komplett überarbeiten, weil sich gezeigt hat, dass dieses Gesetz aus dem Jahr 1913 nicht geeignet ist, um eine Pandemie zu bekämpfen."

Will bis Herbst einen neuen Pandemieplan vorlegen: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne).
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Das neue Epidemiegesetz will der Gesundheitsminister Ende des Jahres vorlegen. Aber wann ist mit dem sogenannten Pandemieplan zu rechnen? "Der sollte bis Herbst fertig sein", erklärte der Gesundheitsminister. Auch internationale Experten sollen in den Entstehungsprozess mit eingebunden werden.

"Gräben aufgegangen" durch Impfpflicht

Bei der Niederösterreich-Wahl habe sich gezeigt, dass die Freiheitlichen in impfkritischen Gemeinden überdurchschnittlich zulegen konnten, wirft die Moderatorin ein. Wie Rauch das bewerte? "Ich bin ein bisschen vorsichtig mit dem Herstellen von Zusammenhängen", entgegnet Rauch. "Was schon klar war und das hat sich ja gezeigt rund um die Debatte Impfpflicht, da sind Gräben aufgegangen, haben Verwerfungen stattgefunden, die sich quer durch Familien, quer durch Vereine durchgezogen haben und die mit einer Verhärtung und Verbitterung geführt worden sind, die mir schon Sorgen macht."

Man müsse es wieder schaffen, "die Menschen mitzunehmen, wir können es uns nicht leisten, ein Drittel der Bevölkerung – und das ist nicht nur das Corona-Thema – abgehängt zu lassen oder in die Ecke zu stellen und zu sagen 'Mit denen wollen wir nichts zu tun haben, die sind pfui, weil sie FPÖ wählen' – nein." Es sei die Aufgabe Rauchs als Sozialministers jenen Menschen das Gefühl zu geben, "es ist mir nicht egal, wie es dir geht, es ist mir nicht egal ob du deine Rechnungen bezahlen kannst, sondern ich kümmere mich darum, dass sich deine Lebensverhältnisse so verbessern, dass du in der Lage bist, deinen Lebensunterhalt ordentlich zu bestreiten".

Die Krux mit dem Asylthema

Sei es hinsichtlich der großen blauen Gewinne ein Fehler der ÖVP gewesen, das Asyl groß zu spielen? Es habe sich jedenfalls nicht bewährt, glaubt Rauch. "Das Thema hochzuziehen im Glauben, dann möglicherweise zu verhindern, dass Wählerinnen oder Wähler zur FPÖ abwandern, ist mehrfach versucht worden. Ich glaube, man sollte das in den Schrank stellen, das funktioniert einfach nicht."

Österreich sei ein Einwanderungsland, befand Rauch. Es werde hierzulande etwa im Bereich der Pflege und der Gesundheits- und Sozialberufe nicht gelingen, den Personalbedarf aufgrund der alternden Gesellschaft "aus Österreich, nicht einmal aus Europa decken zu können". Es brauche daher eine qualifizierte Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland. "Und wir müssen in der Lage sein zu vermitteln, es ist attraktiv, bei uns zu arbeiten. Wir haben in den letzten 15, 20 Jahren das Gegenteil vermittelt. Wir haben vermittelt als Nation, als Österreich: Das Fremde ist uns nicht willkommen, wir haben eher Angst davor. Aus dieser Haltung müssen wir komplett raus." Dafür will Rauch etwa den weiterhin komplizierten Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte weiter reformieren und auch die Einbürgerung erleichtern.

Stopfen will Rauch auch die klaffenden Lücken in Kassenarztsystem – etwa mit Anreizen. Orientieren will sich der Minister dabei am Bundesheer, "wo Studenten in der Medizin die Zugangsbedingungen erleichtert bekämen, wenn sie sich im Gegenzug verpflichteten, dann für eine Zeit beim Heer zu bleiben". Das könne sich Rauch auch für öffentlichen Gesundheitsdienst vorstellen. Eine "Zwangsverpflichtung", wie sie die SPÖ zuletzt in Spiel gebracht hatte, lehnt Rauch ab.

"Raucher gehen auch vor die Tür"

Unterdessen rät die Virologin Dorothee von Laer dazu, die Maske nicht gänzlich aufzugeben. "Einen Appell in der Grippe- und Corona-Saison Masken in geschlossenen Räumen, wo die Abstände nicht eingehalten werden können, zu tragen, sollte es weiterhin geben", sagt von Laer dem Boulevardblatt Heute. "Raucher gehen auch vor die Tür, um Nichtraucher zu schützen. Jeder kann in der Saison ansteckend sein, auch wenn er keine Symptome hat. Wir sollten daher während der Wintersaison Masken in Innenräumen tragen, um vulnerable Personen zu schützen."

Aus Sicht der Expertin mache es daher auch weiterhin Sinn, in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maske zu tragen. "Aber ob als Pflicht oder als ein Appell ist eine politische Entscheidung", befindet von Laer. Dass die Corona-Maßnahmen schrittweise fallen sollen, dem stimmt die Virologin aber jedenfalls zu. (Jan Michael Marchart, 4.2.2023)