Am Montag ging es in Wien wieder los mit den Straßenblockaden der Letzten Generation – und zwar an jenem Ort, wo die letzte Protestwelle geendet hatte: Im Bereich der Secession beim Naschmarkt brachten Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe, die von der Regierung mehr Maßnahmen für den Klimaschutz fordert, zum Wochenstart ab acht Uhr den Verkehr zum Erliegen. Nach ihrer Aktionswoche im Jänner konzentrieren sich die selbsternannten Klimaschützerinnen und Umweltaktivisten damit also wieder auf die Hauptstadt.

VIDEO: Letzte Generation blockierte Verkehr auf Wiener Wienzeile.
DER STANDARD

Am Montagmorgen stand der Verkehr in der Gegend zeitweise still, an fünf Orten fanden rund um den Getreidemarkt, die Secession und den Naschmarkt in Richtung Karlsplatz Blockaden statt. Die Polizei hatte zuvor den Bereich in beiden Richtungen gesperrt. Nach einer Stunde war der Protest aufgelöst.

Eine Aktivistin namens Anna klebte dabei zum ersten Mal im Namen der Letzten Generation an der Straße: "Ziviler Widerstand braucht Menschen, es ist ein Zeichen, und umso mehr Menschen mitmachen, umso lauter sind wir", sagte sie. Sie wolle zeigen, dass "Menschen dafür sind, diese Krise in den Griff zu bekommen". Alle anderen Möglichkeiten seien ausgeschöpft worden, etwa angemeldete Proteste.

Dass der Ort der Aktion vorab bekanntgegeben worden war, stellte ein Novum dar. "Wir wollen Aufmerksamkeit bekommen und Fairness herstellen. Es geht nicht darum, böswillig in den Alltag Einzelner einzugreifen, sondern um ein Umdenken in der Politik", sagte Anna.

Auch die Rettungskräfte wurden vorab informiert. "Es geht nicht darum, jemanden zu gefährden, sondern ein Zeichen zu setzen", so Anna. Ein wenig Ehrfurcht hatte sie vor der Situation und davor, das erste Mal von der Straße entfernt zu werden. Ob sie sich selbst von der Straße entfernen kann, will ein Polizist wissen. "Ich glaube, ich brauche Unterstützung", antwortet sie.

Die Polizei war "mit ausreichend Kräften vor Ort", schrieb diese auf Twitter. Der Verkehr wurde lokal umgeleitet, es kam dennoch zu Verzögerungen.

Laut Angaben der Letzten Generation nahmen 20 ihrer Mitglieder an dem Protest teil. Sie forderten die Bundesregierung zum wiederholten Male auf, "der Wissenschaft endlich zuzuhören – und in der Klimakrise wenigstens die billigsten, einfachsten Schutzmaßnahmen umzusetzen: ein Verbot neuer Öl- und Gasbohrungen und Tempo 100 auf der Autobahn", wie es hieß.

Bereits im Jänner blockierte die Letzte Generation den Naschmarkt bei der Secession.
Foto: APA / Florian Wieser

Dieses Mal, so hofften die Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort, sollte der Protest länger anhalten und von mehr Menschen getragen werden als zuletzt. Tatsächlich fanden sich am Montag auch zahlreiche Sympathisantinnen und interessierte Zuschauer ein, unter ihnen die "Omas gegen rechts", die die Aktion musikalisch begleiteten.

Auch einige Mitglieder der Freiheitlichen Jugend Wien waren anwesend: um gegen den Protest zu protestieren. "Habt ihr euch schon überlegt, wie Oma rechtzeitig ins Spital kommt?", las sich unter anderem eines der Plakate, mit denen die Männer protestieren. "Trotz Ankündigung konnten sich die Apokalyptiker vor den Augen der Exekutive festkleben, und es wurde gewartet, bis der Klebstoff trocknete", kritisierte ihr Obmann Maximilian Weinzierl in einer Aussendung.

Auch die Obfrau der Jungen ÖVP (JVP), Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, kam vorbei: Sie verteilte unter den im Auto Wartenden ein "kleines Frühstück", wie es in einer Aussendung hieß. "Die Klebe-Aktionen sind nicht nur respektlos, sondern fahrlässig", meinte Plakolm. Man wolle statt Blockaden auf Innovationen setzen.

Aktion am Montag.
Foto: Oona Kroisleitner

Rund 100 Mitglieder zählt die Gruppe eigenen Angaben zufolge inzwischen. Sie sollen über die kommenden zwei Wochen hinweg Tag für Tag Autos in zentraler Lage am Weiterfahren behindern, und das an doppelt so vielen Orten, wie es Mitte Jänner der Fall war.

Ob der Plan tatsächlich durchführbar sei, hänge davon ab, wie lange die Mitglieder nach durchgezogener Aktion in Polizeigewahrsam bleiben, sagt David Sonnenbaum, ein Sprecher und Mitgründer der Letzten Generation.

Kritik und Zuspruch

Denn: Im Jänner wurden in Wien 52 Festnahmen ausgesprochen und mehr als 200 Anzeigen nach dem Versammlungsgesetz und der Straßenverkehrsordnung erstattet. Die Gruppe ist bekannt für das Protestmittel des zivilen Ungehorsams. Ihre Aktionen verlaufen gewaltfrei, verstoßen aber dennoch gegen Gesetze. Dazu zählen Straßenblockaden ebenso wie die Beschüttung von Gemälden – auch wenn bisher immer Sicherheitsgläser davor waren.

Diese Form des Demonstrierens brachte der Gruppe, deren Namen darauf zurückzuführen ist, dass sich die Mitglieder als letzte Generation sehen, die die gravierendsten Folgen des Klimawandels noch aufhalten könne, viel Kritik vonseiten der Politik ein.

Aus der Bewegung selbst heißt es, dass sie neben vielen Hassnachrichten auch viel Zuspruch vernehmen würden. Zugenommen haben ihren Angaben zufolge seit den Aktionen im Jänner neben den Anmeldungen für Mitgliedschaften auch die Geldzuwendungen.

Polizisten lösen eine Demonstrantin von der Straße.
Foto: APA / Florian Wieser

Ihre Vorgangsweise ist mittlerweile bekannt: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzen sich auf die Fahrbahnen großer Verkehrsadern fest, sie halten Banner hoch, kleben eine Handfläche auf den Asphalt, eine Spur bleibt für Rettungskräfte frei, kurz darauf rückt die Polizei an, und nach etwa einer guten Stunde sind alle fixierten Personen entfernt, die Aktionen aufgelöst, die wartenden Autos können weiterfahren.

Details vorab angekündigt

Bisher lebte die Bewegung vom Moment der Überraschung. Grund sei "hauptsächlich die öffentliche Wirksamkeit", sagt Aktivist Sonnenbaum: So sollen mehr Menschen zur Teilnahme motiviert, aber auch "zu einem öffentlichen Diskurs" eingeladen werden. Behördlich angekündigt wurde die Demonstration am Montagvormittag allerdings nicht.

Wenn die Klimaaktivistinnen und Umweltschützer sich an die Straße kleben, ist Stau angesagt.
Foto: APA / Florian Wieser

Die Letzte Generation setzt je nach Land unterschiedliche Schwerpunkte. In Österreich fordert sie ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf der Autobahn und dass die Regierung keine neuen Gas- und Ölprojekte mehr in Auftrag gibt. Auch in den Bundesländern ist die Gruppe weiterhin aktiv: Am vergangenen Freitag versperrte sie eine zentrale Einzugsstraße in Linz. Die Tage zuvor protestierten sie in Klagenfurt, Innsbruck und Graz.

Dass bei ihren Aktionen zuletzt kein Kleber zum Einsatz kam, war nicht Teil einer Strategieänderung, sondern schlicht dem Wetter geschuldet: Bei einer Temperatur von minus zehn Grad falle es schwerer, sich an die Straße zu kleben, sagt Sonnenbaum: "Da reicht es zu sitzen."

Störaktionen wurden auch schon verhindert, etwa eine geplante beim Neujahrskonzert. Dem Vernehmen nach wird die Gruppe von Verfassungsschutzbehörden beobachtet. (Anna Giulia Fink, Oona Kroisleitner, 13.2.2023)