Geht es nach dem Landgericht Köln, muss Go Student rund um Gründer Felix Ohswald beim Marketing und dem Geschäftsmodell in Deutschland einiges ändern.

Foto: Felix Hohagen

Köln – Und schon wieder. Bei Go Student hören die Negativschlagzeilen einfach nicht auf. Das Landgericht Köln hat entschieden, dass die Wiener Nachhilfeplattform gegen Wettbewerbsrecht verstoßen hat. Auf seinen Websites habe Go Student "irreführende" und "intransparente Angaben" gemacht und so Wettbewerber "unbegründet benachteiligt" – deswegen wurde das Unternehmen in 17 von 20 Punkten verurteilt, berichtet das deutsche "Handelsblatt".

Neun dieser Punkte habe Go Student akzeptiert, gegen die anderen acht habe das Unternehmen Berufung eingelegt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aber sobald es das wird, muss Go Student reagieren und die Marketingstrategie sowie zahlreiche Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ändern – andernfalls drohen hohe Strafen.

Regelmäßige Kritik

Im Dezember wurde bekannt, dass Go Student überraschend zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hunderte Stellen abbaut. Freigestellte Mitarbeiter erzählten von leeren Versprechen und harten Einschnitten. Zuvor beklagten Tutorinnen und Tutoren öffentlich schlechte Arbeitsbedingungen, unfaire Bezahlung und mangelnde technische Infrastruktur. Auch bei der Gründung eines Betriebsrats soll es Probleme gegeben haben, und zahlreiche Standorte wurden geschlossen.

Nun hat Go Student also gegen Wettbewerbsrecht verstoßen und dadurch sowohl Konkurrenten am Nachhilfemarkt als auch Kunden und Tutoren benachteiligt. Eingereicht hatte die Klage Patrick Nadler, er ist Gründer der Plattform Tutorspace – und eben benachteiligter Konkurrent. Er sehe nicht ein, warum sich die mit dem meisten Geld nicht an Regeln halten müssten.

Arbeitsverhältnis laut AGB

Go Student bietet keine Nachhilfe per se an, sondern stellt die vermittelnde Plattform zur Verfügung. Von den rund 23.000 Tutorinnen und Tutoren ist niemand angestellt, es handelt sich um ein freies Dienstverhältnis, das auf allgemeinen Geschäftsbedingungen basiert. Das Kölner Gericht hat von diesen AGB zahlreiche Klauseln gestrichen.

Vor allem bei einer Klausel drohen dem Scale-up schwere finanzielle Einschnitte. Erscheint ein Schüler nicht zur Nachhilfeeinheit, verrechnet Go Student die Stunde. Die Lehrkräfte sahen laut "Handelsblatt" davon nichts. Für das Gericht geht sich diese Praktik im rechtlichen Rahmen nicht aus.

Als "unwirksam" sah das Gericht etwa auch diese Bestimmung: "Nach Ablauf der Laufzeit verlängert sich der Vertrag um ein weiteres Paket zu denselben Konditionen (Einheiten, Zeitraum und Preis)." Diese Klausel sei "unwirksam", weil kein neues Paket gebucht wird, sondern es sich um ein Abomodell handle. Als unwirksam sah das Gericht auch die Entfernung des gesetzlichen Widerrufsrechts (14 Tage) nach der ersten Unterrichtseinheit sowie die Regelung, dass Tutoren adäquaten Ersatz finden müssen, wenn sie keine Nachhilfe mehr geben wollen. Andernfalls würde der Lohn einbehalten. Go Student selbst beteuert, "bereits erste Änderungen implementiert" zu haben, das Ziel sei größere Transparenz.

Einstige Erfolgsgeschichte

Go Student wurde im Jahr 2016 von Felix Ohswald und Gregor Müller gegründet, und Wachstum um jeden Preis galt stets als Marschrichtung für das Unternehmen. Schnell expandierte man in 20 andere Märkte und meldete 1,5 Millionen monatlich gebuchte Nachhilfestunden. Vorigen Jänner stand die Bewertung nach mehreren millionenschweren Investments bei mehr als drei Milliarden Euro. Wie berichtet, soll im Sommer 2022 ein Großinvestor die Bewertung auf 1,7 Milliarden heruntergeschraubt haben, eine Bestätigung vom Unternehmen gab es dafür aber nicht. Go Student warb mit dem Slogan "Nummer-eins-Nachhilfeschule weltweit". Ob sie es sind oder nicht – damit werben dürfen sie nicht mehr. (and, 15.2.2023)