Bild nicht mehr verfügbar.

Würden wir uns unseren Job mit der KI teilen, hätten wir im Idealfall mehr Zeit für andere Dinge – etwa unsere Familie.

Foto: Getty Images

In vielen Unternehmen fehlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – gleichzeitig wollen immer mehr Menschen in Teilzeit arbeiten. Das bemängelte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) kürzlich in einem Interview. Sein Vorschlag, jenen Menschen, die freiwillig weniger arbeiten, weniger Sozialleistungen zu zahlen, bescherte ihm heftige Kritik.

Die Frage sei, wann eigentlich von Freiwilligkeit gesprochen werden könne, lautete ein Argument. Immerhin sei der allergrößte Teil der Teilzeitarbeitenden Frauen, die sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern. Für sie die Bedingungen zu verschlechtern mache die Vollzeitarbeit auch nicht attraktiver. Auf Nachfrage des STANDARD ruderte Kocher zwar etwas zurück, dennoch brachte sein Vorstoß eine Debatte in Gang. Wie löst man das Problem der fehlenden Fachkräfte, das sich durch die Überalterung noch mehr zuspitzen wird?

In einigen Fastfood-Restaurants in den USA helfen neuerdings Roboter aus, wo es an menschlicher Arbeitskraft fehlt. An der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frittieren Maschinen Pommes und Zwiebelringe, schütteln das überschüssige Speisefett ab und füllen sie in die Verpackungen. McDonald's begann vor einiger Zeit auch damit, KI-Drive-Throughs zu testen. Zehn Standorte im Raum Chicago dürften die Technologie implementiert haben. CEO Chris Kempczinski erklärte Berichten zufolge, dass das KI-System mit 85 Prozent der Bestellungen gut zurechtkomme.

Könnte uns künstliche Intelligenz (KI) künftig Arbeit abnehmen – sodass das Problem des Fachkräftemangels gelöst ist und wir alle getrost in Teilzeit arbeiten können?

Barbara Prainsack ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien, sie forscht und lehrt dort unter anderem zur Zukunft der Arbeit. Sie sagt: "KI könnte in einigen Bereichen punktuell eingesetzt werden, um menschliche Arbeit zu übernehmen." Dennoch, betont sie, brauche es Menschen, die diesen Prozess weiterhin begleiten und kontrollieren.

Wie das funktionieren kann, dafür gibt es bereits erste Beispiele. Nicht nur bei US-amerikanischen Fastfood-Ketten hilft KI schon aus – auch in Hotels, in denen Maschinen beispielsweise den Check-in in der Nacht übernehmen, wie Prainsack erklärt: "Anstatt Angestellte zu haben, die die ganze Nacht an der Rezeption sitzen, findet der Check-in automatisch statt – und wenn ein Problem auftaucht, gibt es eine Nummer, um jemanden zu rufen."

Entlastung für den Menschen

Ein anderes Beispiel seien Übersetzungsprogramme, die immer besser werden und Beschäftigte in unterschiedlichsten Berufen – im Tourismus, im Vertrieb oder auch in der Wissenschaft – entlasten können. Wenn jemand in der Vergangenheit mehrere Stunden pro Woche mit dem Übersetzen einfacher Textpassagen verbracht hat, erledigt jetzt vielleicht einen Teil der Arbeit die Maschine. Und der Mensch arbeitet nach, "um den Text zu kontrollieren und Fehler zu verbessern". Das System übernimmt also die Routinearbeit, der Mensch den Feinschliff.

Würden wir uns den Job auf diese Weise mit der KI teilen, hätten wir im Idealfall mehr Zeit für andere Dinge, sagt die Expertin. Wir könnten uns kreativen Aufgaben in unserem Beruf widmen oder auch Dingen abseits der Arbeit – unseren Kindern oder einem Ehrenamt. Prainsack ist jedenfalls überzeugt, dass die Menschen ihre Zeit sinnvoll zu nutzen wissen. "Die meisten würden sich nicht auf die Couch legen und Netflix schauen. Sie würden etwas tun, von dem auch die Gesellschaft etwas hat." Dass Einzelne weniger Zeit mit Aktivitäten verbringen, die auch eine Maschine tun kann, würde so womöglich zum Gewinn für alle werden.

Vieles kann KI nicht übernehmen

Aber auch wenn die KI in einigen Bereichen fleißig mithilft und die Produktivität erhöht: Eine vollständige Lösung für Personalengpässe könne sie nicht sein, sagt Prainsack entschieden. Viele Tätigkeiten könne ein Programm einfach nicht übernehmen – nämlich jene, die nicht auf vorhersagbare und routinierte Weise durchgeführt werden können. In anderen Bereichen, in denen Automatisierung technisch möglich wäre, wird sie von Menschen nur schlecht angenommen. "Fast niemand möchte mit einer Maschine sprechen, wenn man im Restaurant einen Tisch bucht – und schon gar nicht, wenn es um komplexere Interaktionen geht wie etwa das Suchen nach Gesundheitsinformationen."

"Außerdem darf man nie den Fehler machen zu denken, dass die KI den Menschen vollständig ersetzen kann", sagt Prainsack. Die Maschine könne die Arbeit nicht alleine und selbstständig verrichten, sondern müsse kontrolliert werden. Ganz besonders gelte das für die Arbeit mit Menschen: "Überall dort, wo man die Interaktion mit Menschen alleine den Maschinen überlässt, geht früher oder später etwas schief." Maschinen können nur für die Routinefälle programmiert werden – es muss Menschen geben, die einspringen, wenn unvorhergesehene Situationen oder Probleme auftauchen.

Abfedern, aber nicht lösen

Künstliche Intelligenz könne das Problem des Fachkräftemangels also nur abfedern, aber nicht lösen, schlussfolgert Prainsack. "Wie wir erreichen, dass mehr Menschen, die Vollzeit arbeiten möchten, dies auch tun, bleibt weiterhin relevant." Eine Maßnahme sei, finanzielle Anreize für die Teilzeit zu verändern. "Damit meine ich nicht, Sozialleistungen zu kürzen." Vielmehr gelte es etwa, Anreize wie den Alleinverdienerabsetzbetrag zu überdenken. Dass in einer Familie nur einer arbeitet, werde durch ihn attraktiver. Auch durch die Geringfügigkeitsgrenzen würden Menschen häufig weniger arbeiten, als sie eigentlich möchten und könnten.

Zusätzlich brauche es ausreichend Kinderbetreuung, um Eltern, die Vollzeit arbeiten wollen, das auch zu ermöglichen. In manchen Regionen benötige es zudem eine bessere öffentliche Anbindung, damit die Bewohnerinnen und Bewohner mit einem Vollzeitjob auch abends noch gut nach Hause kommen.

Und was ist mit jenen, die Teilzeit arbeiten, weil sie das Gefühl haben, dass sie sich durch Arbeit ohnehin keinen Wohlstand mehr erarbeiten können? Ihnen müsse man etwas anderes bieten, sagt Prainsack: nämlich eine sinnvolle, fair entlohnte Arbeit auf Augenhöhe.

Neun süße Tees

Laut einem Bericht schafft es die KI bei McDonald's übrigens nicht ganz so gut, ihrem Job im Drive-through gerecht zu werden. Demnach zeigen Videos in den sozialen Medien, wie ineffizient das System ist. Einige Kundinnen und Kunden haben offenbar das Falsche bekommen – zum Beispiel neun süße Tees, die einfach zu ihrer Bestellung hinzugefügt wurden. In diesen Fällen hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschreiten müssen, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen. (lib, 16.2.2023)