Wie geht es einem roten Bürgermeister in einer stockschwarzen Region? Einer von diesen, Stadtoberhaupt in einer Kleinstadt, hat von Erfahrungen zu berichten. Er wird, ähnlich wie Andreas Babler, der sozialdemokratische Bürgermeister von Traiskirchen, seit Jahr und Tag mit einer satten Mehrheit wiedergewählt. Wie macht er das? Die einfache Antwort: sich gelegentlich über die Parteistrukturen hinwegsetzen.

Was den Sozialdemokraten im Bund und vor kurzem auch in Niederösterreich nicht gelingt, ist auf Gemeindeebene da und dort gelungen. Auch da gibt es Druck vonseiten der Funktionäre und Parteisoldaten, doch "einen von uns" für Spitzenfunktionen aufzustellen und auch die Politik strikt nach Parteilinie zu gestalten.

Anderer Zugang

Unser Bürgermeister macht es anders. Er hat in seiner Gemeinde Pionierarbeit in Sachen Flüchtlingsunterkünfte geleistet und sich dafür Mitstreiter in der Zivilgesellschaft gesucht. Engagierte Kirchenleute und Unabhängige waren dabei. Ebenso bei allerlei Initiativen auf kulturellem Gebiet. Auch Mitbürger und Mitbürgerinnen, die bei Nationalratswahlen andere Parteien wählen, konnte er für sein Team gewinnen. Sie waren naturgemäß nicht begeistert, wenn sie daraufhin prompt einen Brief vom SPÖ-Parteisekretariat erhielten, mit der Anrede: Liebe/r Genossin/Genosse!

Ein Lächeln für die Kamera: Burgenlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.
Foto: APA/Tobias Steinmaurer

Lässt sich daraus etwas für die notorisch von Krisen geschüttelte Bundespartei lernen? Diese wird von rechts von der FPÖ bedrängt, die Maßnahmen "für unsere Leute" verlangt und alle Migranten am liebsten zum Teufel schicken würde. Und von links verlangen die überlieferten sozialdemokratischen Grundsätze gerechte Chancen für alle Schwachen in der Gesellschaft, unabhängig von Herkunft und Religion. Für das Wählerpublikum stellt sich das Resultat als schwacher Mittelkurs dar, der es allen recht machen möchte und dabei leicht in Belanglosigkeit abgleitet.

"Ein Stück des Weges" gehen

Bruno Kreisky, bis heute unerreichter Stimmenkaiser, entging diesem Dilemma, indem er für seine Projekte über das sozialdemokratische Stammpersonal hinausging. Er setzte auf den Linken Christian Broda, auf den Liberalen Stephan Koren, auf den sozial denkenden Konservativen Rudolf Kirchschläger. Und weil die Rechnung bei den Wahlen aufging, waren auch die skeptischen Parteifunktionäre zufrieden.

Wer heute auf das nicht allzu überzeugende Führungspersonal aller Parteien blickt, ist oft geneigt, sich zu fragen: Ist das alles, was wir aufbieten können? Gibt es in Österreich keine interessanteren Leute? Doch, sagt der Bürgermeister. Es gibt sie sehr wohl. Nur nicht unbedingt in den Reihen der Parteiprofis. Auch Menschen ohne Parteibuch wären für konkrete Ziele bereit, in Kanzler Kreiskys Worten "ein Stück des Weges" mit der Sozialdemokratie mitzugehen.

Rendi-Wagner oder Doskozil?

Und was sagt der Mann der Basis zum schwelenden Führungsstreit in seiner Partei? Pamela Rendi-Wagner oder Hans Peter Doskozil? Weder noch. Jemand Dritter muss her, jemand, der oder die bodenständig ist, überzeugende Politik macht und sich nicht vor Populisten fürchtet. Vielleicht jemand wie der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 16.2.2023)