Muss ein Verkäufer seine Immobilie dringend loswerden, sind Preisabschläge um bis zu 50 Prozent nicht unrealistisch, sagt ein deutscher Immobilienberater.

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All jene, die sich derzeit eine Immobilie kaufen wollen, haben es wahrlich nicht leicht. Die Zinsen und die Preise sind hoch, ebenso die Hürden, einen Kredit zu bekommen. Und doch gibt es den einen oder anderen Lichtblick für Käuferinnen. Denn in den letzten Jahren waren sie beim Verhandeln in der schlechteren Ausgangsposition. Es gab viele Interessenten, und wenn eine Käuferin mit einem Angebot nicht zufrieden war, standen zahlreiche weitere Abnehmer in der Warteschlange. Folglich gab es für sie kaum Spielraum beim Preis.

Nun hat sich das Blatt gewendet. Es gibt wieder mehr Immobilien am Markt; Objekte, die früher in Nullkommanichts weg gewesen wären, stehen nun länger zum Verkauf. Gleichzeitig ist die Nachfrage zurückgegangen. Verkäuferinnen können sich nicht mehr aussuchen, wem sie ihre Immobilie geben. Wer also die perfekte Immobilie gefunden hat, darf jetzt wieder mutig sein beim Verhandeln. "Die Verkäufer müssen sich nun auf die Konditionen der Käuferinnen einlassen", sagt der deutsche Immobilienberater Alexander Lang von LH Immoconsulting.

Um 50 Prozent günstiger

Natürlich lassen sich nicht alle Verkäufer auf die Verhandlungen ein, "aber wenn jemand verkaufen muss, lässt er auch mit sich reden", sagt Lang. In so einem Fall empfiehlt der Experte, mit Abschlägen von bis zu 50 Prozent ins Rennen zu gehen – mindestens aber mit 40 oder 30 Prozent.

Sonja Kaspar, Wohnimmobilienexpertin bei Otto, hält so niedrige Angebote hingegen für unseriös. "Die Chancen sind hoch, dass sich Verkäufer auf so etwas gar nicht erst einlassen", sagt sie und empfiehlt, mit zehn Prozent Abschlag zu beginnen und sich dann in der Mitte zu treffen – einen höheren Rabatt als drei bis fünf Prozent hält sie in den meisten Fällen für unrealistisch. Eine Orientierung könnte ein Vergleich der Angebots- und Verkaufspreise geben. Denn die meisten Immobilien werden um einen höheren Preis inseriert als den, um den sie dann tatsächlich verkauft werden. Wie hoch die Diskrepanz hier ist, dazu gibt es Zahlen.

"Nach oben geht immer"

Man könne nicht zu tief ansetzen, sagt hingegen Lang, "weil nach oben kann man immer noch gehen". Er rät sogar, bei der Suche nach Immobilien das Kriterium Preis außen vor zu lassen. "Als Eigennutzer sollte man sich überlegen, was man bereit ist zu bezahlen, und bei der Suche nicht darauf achten, was die Verkäufer als Preis im Internet stehen haben. Dann bietet man einfach den Preis an, den man sich zuvor überlegt hat", sagt Lang und ist der Meinung, dass es sich bei jedem Preisvorschlag nur um ein Angebot handelt: "Natürlich darf man nicht frech werden, aber bei einem sachlichen Angebot wird niemand vor den Kopf gestoßen, das Gegenüber muss es ja nicht annehmen." Viele Käuferinnen seien sich der einmaligen Gelegenheit nicht bewusst: "Jede Transaktion ist eine Chance, besser einzukaufen, als der Markt hergibt, denn es gibt immer bestimmte emotionale Faktoren, die den Verkäufer dazu bringen, um weniger zu verkaufen. Das sollte man sich nicht entgehen lassen und verhandeln."

Dennoch gesteht auch Lang ein, dass es durch die Krise derzeit zwar etwas mehr Menschen gibt, die sich in Geldnöten befinden und daher verkaufen müssen, diese Fälle aber dennoch eher die Ausnahme sind. Viele würden derzeit auch nicht verkaufen, "weil sie sich einen Preis in den Kopf gesetzt haben, den sie aktuell nicht bekommen".

Die richtigen Argumente

Die besten Argumente für die Verhandlungen liefert die Weltlage. Immobilienbesitz ist teuer, man muss höhere Betriebskosten und Zinsen zahlen, es gibt viele Unsicherheiten, etwa die steigende Inflation. Bester Ausgangspunkt für Verhandlungen ist laut Kaspar aber immer die Immobilie selbst. "Man sollte sich anschauen, ob sie auch das bietet, was für sie verlangt wird." Wenn der Preis nicht verhandelbar sei, dann möglicherweise die Ausstattung. Hilfreich sei es, zu wissen, ob ein Objekt schon länger auf dem Markt sei – auch dann gebe es mehr Spielraum für Verhandlungen. Also dann, viel Glück! (Bernadette Redl, 26.2.2023)