Die 2005 gegründete Sigmund-Freud-Privatuni hat in den letzten Jahren stark expandiert. Das seit 2015 bestehende Medizinstudium führt sie nun aber in Probleme.

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Die Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) muss beim Versuch, ihr Medizinmasterstudium aus der Krise zu manövrieren, gleich mehrere Misserfolge einstecken. Begonnen haben die Turbulenzen im Spätsommer des vergangenen Jahres, als ein von der staatlichen Akkreditierungsbehörde AQ Austria beauftragtes Gutachten durch einen Leak publik wurde. In dem umfangreichen Schriftstück, das dem STANDARD vorliegt, wurde dem seit 2015 an der Wiener Privatuni angebotenen Master im Fach Humanmedizin von externen Fachleuten ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.

Bemängelt wurden etwa schlechte Betreuungsverhältnisse für die Studierenden, das Fehlen einer Universitätsklinik und der mangelnde Kleingruppenunterricht am Krankenbett. Auch eine zu kleine Laborfläche und eine dürftige Forschungsleistung der Fakultät bekrittelten die Gutachterinnen und Gutachter. Sie rieten daraufhin der AQ Austria, die Akkreditierung des Studiengangs zu widerrufen, zumal die Defizite nicht in der gebotenen Zeit behebbar seien. Das Board der Behörde, die für die Überwachung der Qualität im Hochschulwesen zuständig ist, folgte Ende November dieser Empfehlung und entzog dem Studium die Zulassung.

Mehrere Beschwerden

Die Freud-Uni gab sich darüber empört und kündigte an, Beschwerden gegen den AQ-Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu erheben. Zum einen legte die Hochschule im Jänner eigens beauftragte Gutachten vor, die jene der AQ entkräften sollen und sich direkt gegen den Entzug der Akkreditierung richten – hierüber hat das Gericht bisher noch nicht entschieden.

Bis es so weit ist – und das führt zur zweiten Beschwerde –, wollte die SFU allerdings zeitlichen Aufschub erhalten, damit die Akkreditierung jedenfalls vorerst noch aufrecht bleibt. Ein solcher Aufschub hätte ihr mehr Zeit verschafft, um potenzielle Übergangslösungen vorzubereiten und das Ergebnis des parallel laufenden Versuchs eines neu formulierten Akkreditierungsantrags abzuwarten. Überdies wäre es der SFU damit vorerst weiterhin möglich gewesen, neue Studierende in das wackelnde Masterstudium aufzunehmen.

Kein Aufschub wegen "Gefahr im Verzug"

Die AQ wollte der Uni diesen Aufschub aber nicht gewähren und schrieb in ihrem Bescheid, dass "Gefahr im Verzug" sei – die Aberkennung der Zulassung müsse daher trotz etwaiger Beschwerde sofort wirksam werden. Die Behörde begründete das so: Die Anzahl der Studierenden und angehenden Medizinerinnen und Mediziner, die ein mit Qualitätsmängeln behaftetes Studium absolvieren und nach Abschluss der Fachärzteausbildung über eine Berufsberechtigung in Humanmedizin verfügen würden, würde durch eine Verzögerung der Abwicklung des Studiums noch weiter erhöht. Das müsse aber laut AQ im Interesse der Studierenden und des heimischen Gesundheitssystems verhindert werden.

Gericht teilt Position der Behörde

Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Argumentation der Behörde nun in einem zehnseitigen Erkenntnis gefolgt. Die für die SFU unangenehme Entscheidung von Mitte Februar liegt dem STANDARD vor. Das Gericht führt aus, dass schon der Blick auf die rasante Entwicklung der Studierendenzahlen den Befund der AQ hinsichtlich der schlechten Betreuungsrelationen stütze.

Denn während die SFU in ihrem erstmaligen Akkreditierungsantrag 2014 noch mit bloß 48 Masterstudienanfängern pro Jahr kalkulierte, seien mittlerweile insgesamt rund 600 Studierende in dem Studium aktiv. Da jedoch im selben Zeitraum keine entsprechende Aufstockung bei Lehrpersonal und Ressourcen stattgefunden habe, bestehen laut Gericht bereits "aus diesen Gründen nach wie vor erhebliche Mängel" bei den Betreuungsverhältnissen.

Uni bekämpft Gerichtsentscheidung

Es sei also gerechtfertigt, dass die AQ Austria die aufschiebende Wirkung einer Uni-Beschwerde verhindert habe, denn: "Bei Mängeln in der ärztlichen Berufsausübung sind jedenfalls gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl zu befürchten und damit Gefahr in Verzug gegeben, und zwar auch dann, wenn die Mängel beziehungsweise Störungen bisher noch nicht zu einer unmittelbaren Bedrohung der Gesundheit und des Lebens von Patienten geführt haben." Das Einräumen einer Schonfrist liegt laut Gericht auch nicht im Interesse neuer Studierender des betroffenen Masters. Denn die hätten angesichts hoher Gebühren von 12.500 Euro pro Semester einen "erheblichen Vermögensnachteil" zu befürchten, wenn die Akkreditierung erst mit Verzögerung widerrufen würde.

Die SFU teilte auf STANDARD-Anfrage am Freitag mit, dass sie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch mittels außerordentlicher Revision beim Verwaltungsgerichtshof bekämpfen will.

Unsicherheit für Bachelorstudierende

Die Freud-Uni steht jedenfalls unter gehörigem Zeitdruck. Es gibt zwar im Gesetz eine "Teach-out"-Regelung, die jenen Studierenden, die schon im betroffenen Master sind, einen Abschluss an der Uni ermöglicht – sofern die AQ das Konzept dafür absegnet. Härter trifft es aber wohl die aktuellen Bachelorstudierenden, die eigentlich ihren Master an der SFU anhängen wollten und nun nicht wissen, wie es für sie weitergeht. Die wenigen Medizinstudienplätze an den öffentlichen Unis sind bekanntlich schwer zu ergattern, außerdem sind die meisten staatlichen Medizinstudiengänge nicht im Bachelor-Master-Format aufgebaut.

SFU-Rektor Alfred Pritz hat zuletzt aber offenbar versucht, zur Milderung der Probleme seiner Hochschule – ihm gehören 50 Prozent – die öffentlichen Universitäten zu Kooperationen zu bewegen. Doch dort treffen diese Avancen auf wenig Gegenliebe, wie eine Presseaussendung zeigt, die von den Leitern der Med-Unis in Wien, Graz und Innsbruck sowie der Medizinischen Fakultät der Uni Linz gemeinsam verfasst wurde. Die Rektoren reagierten damit vergangene Woche auf eine Aussage von Pritz, der gegenüber der "Kleinen Zeitung" von vermeintlich laufenden "Verhandlungen" der SFU mit den öffentlichen Unis gesprochen hatte.

Doch davon könne nicht die Rede sein, schlug es ihm in der Aussendung entgegen: "Keinesfalls ist es jemals zu diesbezüglichen 'Verhandlungen' gekommen." Eine Verwendung öffentlicher Mittel zur Behebung von Mängeln im privaten Hochschulbereich sei ausgeschlossen, hieß es weiter.

Kooperation "schlecht vorstellbar"

Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, erläutert dem STANDARD seine Sicht auf den Hintergrund der geharnischten Reaktion: Pritz habe sich an die Med-Unis gewendet und ihnen vorgeschlagen, ein "joint degree" oder "dual degree" ins Leben zu rufen und solch ein gemeinsames Studienprogramm in Wien anzubieten – und zwar in den Räumlichkeiten der SFU.

Die Freud-Uni habe allerdings nicht darlegen können, warum sich die öffentlichen Unis auf diese Zusammenarbeit einlassen sollten. "Die Med-Uni Innsbruck hätte davon gar nichts", sagt Fleischhacker. Generell sei für ihn "ganz schlecht vorstellbar", dass es zu einer sinnvollen Zusammenarbeit der öffentlichen Medizinunis mit der SFU auf Ebene des Studienangebots kommen könne. Das liege zum einen an der von der AQ Austria widerrufenen Akkreditierung, zum anderen aber auch an den Systemunterschieden zwischen öffentlichen Unis und Privatunis: "Allein das Gefüge der studienrechtlichen Bedingungen passt nicht zusammen." Es wäre wohl sinnvoller, ergänzt Fleischhacker, wenn sich die SFU mit Kooperationsbestrebungen an andere medizinische Privatuniversitäten wenden würde.

Freud-Uni zuversichtlich

Ein Sprecher der SFU dementiert, dass diese die Gründung eines gemeinsamen Studiums mit öffentlichen Medizinunis überhaupt angestrebt habe. Zu den aktuellen Entwicklungen bleiben die Auskünfte der Wiener Privatuniversität eher vage: Man befinde sich derzeit in vielversprechenden Kooperationsgesprächen mit mehreren anderen Unis – Details oder Namen werden nicht genannt. (Theo Anders, 3.3. 2023)