Die chinesische Führung balanciert seit über einem Jahr auf einem dünnen Seil. Mit Russland teilt China seit Jahren geostrategische Ziele: Beide Staaten streben eine "multipolare Weltordnung" an, was nichts anderes als ein Ende der US-Hegemonie bedeutet. Gemeinsames Ziel ist auch die Ablösung des Dollars als globale Leitwährung.

Volles Haus bei der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses.
Foto: EPA/Huang Jingwen

Lange hatte Peking einen wuchtigen Vorteil: Zeit. Spätestens 2030 würde China die USA als größte Volkswirtschaft abgelöst haben. Bis dahin hätte man die außenpolitischen Beziehungen ausbauen, die Militärausgaben erhöhen und warten können, bis die nächste große Finanzkrise den kapitalistischen Konkurrenten jenseits des Pazifiks erschüttert. Auf einen militärischen Konflikt im Rahmen einer Invasion in Taiwan bereitete man sich zwar vor, doch je später es dazu kommen würde, desto höher waren für Peking die Gewinnchancen.

Russlands Invasion in der Ukraine hat Peking unter Zugzwang gesetzt. Sich eindeutig auf Moskaus Seite schlagen und einen Konflikt mit den USA riskieren will man nicht. Sich klar gegen Russland zu positionieren ist nicht im Sinne der langfristigen Ziele der Kommunistischen Partei Chinas. Heraus kommt ein wankelmütiger Zickzackkurs, der im Westen Glaubwürdigkeit kostet und den Kadern um Xi Jinping zeigt: So mächtig und autark, wie man gerne wäre, ist man noch nicht. Der kürzlich vorgestellte Friedensplan mag inhaltsleer gewesen sein, tatsächlich aber ist eine Waffenruhe in Pekings Sinne. (Philipp Mattheis, 7.3.2023)