Die Neuregelung der Kettenverträge durch die UG-Novelle 2021 wird heftig diskutiert. Doch die Unsicherheit in akademischen Karrieren hat auch andere Gründe.

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"Ich schreibe dann immer höflich zurück, dass ich gar keine Professorin bin", sagt Julia Partheymüller verschmitzt. Die Politikwissenschafterin forscht und lehrt an der Universität Wien, was nicht wenige der jungen Studierenden in ihren Kursen zur Annahme verleitet, dass "Frau Professorin" schon die richtige Anrede in Mails an sie sein werde. Statistisch gesehen ist diese Annahme über das wissenschaftliche Personal an Hochschulen jedoch fast immer falsch. Sie zeigt aber, dass in der Bevölkerung mitunter ein verzerrtes Bild über die typische Beschäftigungssituation im akademischen Betrieb vorherrscht.

Hoher Anteil

Tatsächlich sind nicht nur die Professorenposten rar gesät. Auch andere unbefristete Stellen – in der sonstigen Arbeitswelt insgesamt der Regelfall – sind für die meisten Wissenschafterinnen und Wissenschafter an den Universitäten bloße Wunschvorstellung: Rund 80 Prozent befinden sich hierzulande in befristeten Verträgen, der Anteil steigt seit vielen Jahren. Der Trend zeige sich in allen Wissenschaftssystemen hochentwickelter europäischer Länder, erklärt Jürgen Janger vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), der kürzlich eine Studie zu dem Thema publiziert hat. In Österreich falle der Anteil prekärer akademischer Anstellungsverhältnisse und Karriereperspektiven aber im Vergleich zu anderen EU-Ländern besonders hoch aus.

Kettenverträge reformiert

Eine gesetzliche Ausprägung dessen ist der berühmt-berüchtigte "109er". Der Paragraf 109 des Universitätsgesetzes (UG) erlaubt, was im allgemeinen Arbeitsrecht unzulässig wäre: die mehrmalige Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse. In Kettenverträgen hangeln sich viele Forschende jahrelang von einem befristeten Engagement zum nächsten. Früher war es möglich und gelebte Praxis, nach der Höchstdauer von acht Jahren einer solchen Kette eine kurze Pause einzulegen und danach wieder in eine neue Kette mit neuer Zählung einzusteigen – und danach wieder, et cetera.

Die UG-Novelle 2021 wurde von Türkis-Grün mit dem erklärten Ziel beschlossen, diesen Usus "ewiger" Ketten zu unterbinden und den Nachwuchswissenschaftern eine erhöhte Planbarkeit ihrer Laufbahn samt Aussicht auf den Zeitpunkt einer Entfristung zu verschaffen. Kernstück der Reform war die Regelung, wonach sich eine Uni nach spätestens acht Jahren entscheiden muss, ob sie eine bis dahin befristet angestellte Wissenschafterin dauerhaft übernimmt oder ihr auf Nimmerwiedersehen sagt. Der Start einer neuen Befristungskette nach Ablauf der ersten acht Jahre ist nunmehr nämlich verboten.

Zahlen und Proteste

Schon beim Beschluss gab es erhebliche Zweifel, ob diese Novelle die auf Flexibilität getrimmten Rektorate wirklich dazu bewegen wird, dem eigenen befristeten Personal belastbare Karriereperspektiven zu eröffnen und etablierte Leute bei Erreichen des Achtjahresdeckels auch durch eine Festanstellung zu behalten.

Das "Netzwerk Unterbau Wissenschaft" und der "Unterbau Uni Wien", die sich als Initiativen gegen prekäre Arbeitsbedingungen an den Unis verstehen, orten durch die Reform nach anderthalb Jahren eher eine Zunahme der Prekarisierung. In einer Reihe von Veranstaltungen wollen sie im März breiten Protest mobilisieren – an Bord ist auch die "IG LektorInnen und Wissensarbeiterinnen", die die Interessen der überwiegend ebenfalls nur befristeten Lehrbeauftragten vertritt.

Am Mittwoch wurde der Aktionsmonat durch eine Pressekonferenz im Presseclub Concordia eingeläutet. Dabei präsentierte Politikwissenschafterin Julia Partheymüller auch die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von 1.100 Personen des akademischen Mittelbaus an der Uni Wien.

Kaum Aussichten auf Festanstellung

Der Begriff "Mittelbau" ist angesichts des Dickichts an Uni-Personalkategorien schwierig zu fassen und beinhaltet einigermaßen heterogene Gruppen. Letztlich kann man, wie in der Befragung geschehen, alles unterhalb der ordentlichen Professoren dazuzählen. Das sind Universitätsassistentinnen (Praedoc wie Postdoc), Projektangestellte, Lektoren inklusive Senior Lecturers, Senior Scientists und Assistenzprofessorinnen, aber auch Studienassistenten. Wenig überraschend gaben nahezu alle – circa 90 Prozent – aus der gesamten Gruppe des Mittelbaus an, dass sie befristet beschäftigt sind.

Im Oktober 2021 trat die UG-Novelle samt Reform der Kettenvertragsregelung in Kraft
Foto: Befragung "Zur Beschäftigungssituation im Mittelbau an der Universität Wien"

Die UG-Novelle hat allerdings laut der Befragung bisher nicht dazu geführt, dass Mittelbau-Angehörigen von der Uni die Möglichkeit einer Entfristung ins Aussicht gestellt wurde. Die weit überwiegende Mehrheit sieht nach wie vor keine verlässliche Zukunftsperspektive. Doch welche Probleme verbergen sich hinter diesem Befund, der angesichts der relativ kurz zurückliegenden Umstellung natürlich mit Vorsicht zu interpretieren ist? Ein (unvollständiger) Überblick in vier Kapiteln:

1. Verwirrende oder fehlende Informationen

"Wir haben uns gar nicht getraut, in unserem Fragebogen die Frage zu stellen, wie lange denn die Befragten maximal noch befristet an der Uni bleiben dürfen", sagt Studienautorin Partheymüller. Denn die Rechtslage sei dermaßen komplex und verworren, dass für viele Betroffene undurchsichtig sei, wie denn die verschiedenen Anstellungsverhältnisse zusammengerechnet werden müssen. Auch der STANDARD hört immer wieder von Fällen, in denen die Personalabteilungen der Unis widersprüchliche Auskünfte zur Zählung der Zeiten erteilen.

Die Fragebögen wurden Ende 2022 per Mail ausgeschickt, an Fakultäten mit zunächst mauen Rückmeldungsquoten wurde zudem persönlich angeklopft und nachgehakt, um die Stichprobe repräsentativer zu machen.

Wifo-Ökonom Jürgen Janger verweist daneben auf ein weiteres Informationsdefizit, das die Unsicherheit verschärft: Nachwuchswissenschafter bekämen in jungen Jahren zu wenig strukturiertes Feedback, ob und für welche wissenschaftliche Laufbahn sie geeignet sind und wo die naheliegenden Pfade für sie liegen. Eine rechtzeitige informierte Entscheidung fällt dann umso schwerer – wäre aber sinnvoll, um so manche Enttäuschung in späteren Phasen zu verhindern. Janger schlägt im STANDARD-Gespräch etwa den Ausbau von professionellen Graduate Schools und "Post-doc Offices" mit engmaschiger Begleitung des Nachwuchses vor.

2. Unsicherheit belastet

Wenn man nicht weiß, ob man nur noch ein Jahr oder vielleicht doch vier Jahre an einer Uni bleiben darf und ob man danach überhaupt etwas Passendes im eigenen Spezialgebiet findet, ist das der Lebensplanung nicht sonderlich zuträglich – zumal ein Jobwechsel im akademischen System meist einen Ortswechsel erzwingt. Dabei stehen gerade in der hauptbetroffenen biografischen Phase im Alter zwischen 30 und 40 Jahren oft weitreichende Entscheidungen zu Familie und Kindern an.

Von Befürwortern einer bewussten Verknappung fixer Stellen werden bisweilen die leistungsförderlichen Anreize ins Treffen geführt, die ein intensiver Wettbewerb um begehrte Plätze erzeuge. Doch der massive Druck kann auch ins Gegenteil umschlagen, schließlich sind Existenzängste nicht der beste Nährboden für originelle Forschungsideen. Aus der europaweiten Wifo-Studie geht dementsprechend hervor, dass allzu prekäre Beschäftigungsverhältnisse die Bereitschaft zu riskanten – aber im Erfolgsfall umso fruchtbringenderen – Projekten mindern und so der Forschungsperformance schaden. Partheymüller ergänzt: "Wenn man dauernd nach Jobs suchen und Bewerbungen schreiben muss, weil man nicht weiß, wie es weitergeht, dann scheint mir das kontraproduktiv."

Ökonom Stephan Pühringer von der Uni Linz – er ist im Netzwerk Unterbau aktiv – sieht auch eine soziale Schieflage mit den unsteten Erwerbsverläufen einhergehen: Der Wettbewerb fördere nicht unbedingt die Besten, "sondern bevorzugt jene, die mehr Ressourcen haben, sich diesem Wettbewerbsdruck aussetzen zu können."

3. Wenige offene Dauerstellen

Viele wollen ein gute akademische Stelle haben, derer existieren aber nur wenige am Markt. Die UG-Novelle sei diesbezüglich eine einseitige Maßnahme, kritisiert Wifo-Experte Jürgen Janger. Denn es würde durch die strengere Kettenvertragsregel auf längere Sicht zwar womöglich das Personalangebot sinken, doch der Staat sollte auch mehr Budget für wissenschaftliche Jobs zur Verfügung stellen, um die prekäre Lage für Stellenanwärter zu entspannen. Janger sieht angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen ohnehin einen "enormen Forschungsbedarf" – höhere Investitionen in Wissenschaft und Hochschulen wären daher ein Hebel, um mehr Nachfrage nach akademisch hochqualifiziertem Personal zu generieren.

Das müssen nicht notwendigerweise mehr Professuren sein. Auch andere Karrieremodelle, die letztlich zur Festanstellung führen, sind ausbaufähig – darin sind sich Fachleute einig. So könnten die Unis schon mit der jetzigen Rechtslage unbefristete Positionen als "Senior Lecturers" und "Senior Scientists" vergeben, machen von dieser Option aber zum Ärger langjährig bewährter Mitarbeiterinnen nur selten Gebrauch.

4. Verantwortung wird verschoben

Beschlossen wurde die Neuregelung der Kettenverträge von der türkis-grünen Koalition. Die Verantwortung für den Umgang mit der Reform schob die Regierung aber schnell in Richtung der Uni-Leitungen. Er hoffe auf die "biografische Verantwortung" der Rektoren für deren Personal, sagte Wissenschaftsminister Heinz Faßmann damals zum STANDARD. Die Rektoren müssten laut Faßmann selbst die richtige Balance zwischen Flexibilität und Dauerhaftigkeit an der jeweiligen Hochschule finden.

Tatsächlich sind die Rektoren als mächtige Uni-Manager für die Personalpolitik vor Ort zuständig. Sobald jedoch Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen ertönen, folgt mitunter postwendend der Fingerzeig Richtung Regierung, nach dem Motto: "Wir würden ja gerne, aber wir bräuchten dafür mehr Geld." Gerade wenn die Unis aufgrund der hohen Energiekosten ohnehin Sparprogramme fahren, geht dieses Argument leicht durch. Denn auch wenn Befristung im Endeffekt nicht immer die billigere Variante sein mag, so ist sie doch für die Unis bequemer und erspart im Fall des Falles Kündigungskonflikte bis zum Arbeitsgericht.

Es wird in dieser Gemengelage nun interessant zu beobachten sein, wer sich von der aufflammenden Kampagne der Mittelbau-Initiativen angesprochen fühlt. (Theo Anders, 8.3.2023)