Viele geförderte Projekte sind technologiebezogen – in den vergangenen Jahren wurde neben der Digitalisierung auch der Klimaschutz immer wichtiger.
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Die nationale Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) hat die Bilanz des krisengebeutelten Jahres 2022 gezogen. Mit fast zwei Milliarden Euro an Fördermitteln und tatsächlichen Zusagen von 912 Millionen Euro wurde ein Rekord erzielt. Mit der Summe, die allerdings auch durch forschungsnahe Zuwendungen im Infrastrukturbereich, wie dem Breitbandausbau, erreicht wurde, habe man antizyklisch zur global schwierigen Situation durch Pandemie und Ukrainekrieg agiert, teilte FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner am Mittwoch mit.

"Keine Gießkanne"

Etwa 800 Millionen Euro waren Förderzusagen für wirtschaftsnahe Forschungsprojekte. Der andernorts geäußerte Vorwurf, die Regierung habe während der Pandemiezeit wenig zielgenau Geld verteilt, könne man für die geförderten FFG-Forschungsprojekte ausschließen. "Unsere Förderungen sind das Gegenteil von Gießkanne. Es werden kompetitive und kooperative Projekte gefördert, bei denen Unternehmen selbst einen großen Teil der Mittel aufbringen müssen", erklärte FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth.

Jeder vierte Antrag werde wegen Nichterfüllung der Qualitätsvorgaben abgelehnt. In der Mehrzahl dieser Fälle sei der Neuigkeitswert für Forschung und Entwicklung einfach nicht gegeben. Manche Anträge würden abgewiesen, weil sie wirtschaftlich nicht realistisch umsetzbar seien, verwies Egerth auf den Vergabeprozess. Eine Untersuchung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) habe zudem die Hebelwirkung solcher Fördergelder gezeigt.

KMUs profitieren überdurchschnittlich

"Die Wahrscheinlichkeit, mit einem neuen Produkt oder einer neuen Dienstleistung in den Markt zu gehen, ist bei geförderten Unternehmen doppelt so hoch wie bei nicht geförderten", sagte Wifo-Studienautor Jürgen Janger bei der Pressekonferenz. Die Erhebung habe gezeigt, dass vor allem die in Österreich traditionell stark verankerten kleineren und mittleren Unternehmen in Krisen besonders stark von Förderprogrammen profitieren. "Sie bleiben in der unmittelbaren Krise zwar ebenso vorsichtig, können ihre aufgebaute Innovationskraft dann aber umso stärker nutzen, wenn sich die wirtschaftliche Gesamtlage zum Positiven wendet."

Dass nach dem Rekordjahr im Vorjahr die zur Verfügung stehenden Mittel 2023 wieder sinken – im Infrastrukturbereich von 1,16 Milliarden Euro auf 489 Millionen Euro, im Bereich Forschung und Entwicklung von 819 auf 737 Millionen Euro –, sieht FFG-Geschäftsführer Pseiner auch angesichts derzeitiger Belastungen durch hohe Energiepreise nicht negativ. Zum einen liege man mit dem vorläufigen Budget immer noch weit über dem Jahr 2021, der Hauptanteil der im Rekordvorjahr zugesagten Förderungen und Projekte werde zudem erst in diesem Jahr schlagend: "Die Wirkung tritt sowohl im F&E-Bereich als auch bei den Infrastrukturinvestitionen vor allem in diesem, aber auch im nächsten und übernächsten Jahr auf."

Wirtschaftsnahe Forschung

Ein in der Wissenschaftscommunity nicht unumstrittenes Thema ist die Frage, wie wirtschafts- und anwendungsnah Forschung sein muss, um entsprechend gefördert zu werden. Auch im "Wissenschaftsbarometer", einer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften publizierten Umfrage, orteten 44 Prozent der Befragten einen zu großen Einfluss von Wirtschaft auf die Wissenschaft. Von den Fördermitteln der FFG profitierten tatsächlich zu einem Großteil, nämlich 66 Prozent, Unternehmen. Hochschulen wurden mit 14 Prozent des 912 Millionen Euro großen Kuchens bedacht.

FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth wünscht sich einen schnelleren Wissenstransfer von Hochschulen zu Wirtschaft und Industrie.
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Während Pseiner die motivierte und professionelle Kooperation vieler Unis und Hochschulen mit Unternehmen lobte – viel Dynamik für die Antragsstellung komme mittlerweile aus dem universitären Bereich –, ortet Egerth noch zusätzliches Potenzial. "Ich würde mir wünschen, dass der Wissenstransfer von Universitäten und Hochschulen und daraus entstehende Produkte und Dienstleistungen noch schneller in den Markt gebracht werden können", sagte sie im Gespräch mit dem STANDARD. "Grundlagenforschung und wirtschaftsnahe Forschung müssen sich nicht ausschließen. Das sieht man auch an internationalen Beispielen wie der ETH Zürich", ist die FFG-Geschäftsführerin überzeugt.

Klimaschutz und Digitalisierung

Hinsichtlich der Themenfelder war das vergangene Jahr von Projekten mit einem Fokus auf Klimaschutz und nachhaltige Mobilität geprägt. Insgesamt 586 Millionen Euro wurden investiert, was einem Anteil an allen Projekten von 64 Prozent entspricht. Als weiteres wichtiges Thema nannten die FFG-Verantwortlichen die Digitalisierung der Wirtschaft – 455 Millionen Euro wurden für derartige Projekte aufgewendet, wobei sich die beiden Themenfelder teilweise auch überlagerten.

Der starke Fokus auf die beiden Bereiche ist abgesehen von der globalen Dringlichkeit wohl auch den Geldgebern geschuldet. So stammt der überwiegende Großteil der Förderungen aus Mitteln des Klimaschutzministeriums und des Wirtschaftsministeriums. Neben diversen Programmen, die eine starke Kooperation mit Industrie und Wirtschaft vorsehen, gibt es aber auch Anstrengungen, das Gründen von universitärer Spin-offs zu erleichtern. (Martin Stepanek, 15.3.2022)