Im Gastkommentar kritisiert der Politikwissenschafter Farid Hafez die institutionalisierte Ausländerfeindlichkeit am Beispiel des Arbeitsübereinkommens zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich.

Gottfried Waldhäusl, FPÖ-Politiker und nunmehr Zweiter Landtagspräsident, und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Donnerstag bei der konstituierenden Sitzung des niederösterreichischen Landtags.
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Es ist noch nicht lange her, dass die Aussagen des ehemaligen FPÖ-Landesrats Gottfried Waldhäusl gegenüber einer Wiener Schulklasse, dass Wien ohne Immigration noch Wien wäre, zu heftigen Reaktionen vonseiten der restlichen Parteien geführt hatte. Selbst von der ÖVP-Integrationsministerin kam Kritik, wenn auch der Begriff des Rassismus nicht über ihre Lippen kam. Im Zentrum der Erregung steht seit Bekanntmachung der Koalition zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich jedoch ein anderes Thema: die Corona-Politik. Die Normalisierung des institutionalisierten Rassismus scheint weniger Aufregung mit sich zu bringen. Beziehungsweise scheint die Verortung der niederösterreichischen FPÖ als rechts außen innerhalb der ohnehin schon rechten FPÖ Anstoß genug zu sein.

Mit Blick auf die Bundespolitik und die noch nicht so lange zurückliegende, im Jahr 2019 beendete FPÖ-ÖVP-Koalition unter Sebastian Kurz erscheint aber gerade der institutionalisierte Rassismus von Relevanz zu sein. Einerseits, weil er in einer nahtlosen Kontinuität zur türkis-blauen Ära zu sein scheint. Andererseits, weil er auch als Vorbote einer weiteren Auflage machtbewusster ÖVP-Politik gesehen werden kann, um jeden Preis an der Macht zu bleiben, und die hierfür auch viele blaue Politinhalte umzusetzen bereit ist.

Wer nicht gemeint ist

Der verklausulierte Rassismus zieht sich subtil durch weite Teile des niederösterreichischen Arbeitsübereinkommens. Das geht von Bereichen der Integration über Einwanderung und Bildung bis hin zum Tourismus. Unabhängig von der Frage der Durchführbarkeit ist die sogenannte Wirtshausprämie, also der Vorschlag, Wirtshäuser als "gesellschaftliche Treffpunkte" und "wesentlichen Teil der Landesidentität" unter der "Voraussetzung", dass diese ein "traditionelles und regionales Speisenangebot" offerieren, zu fördern, nicht lediglich ein Zuckerl für ländliche Wählerschaften. Es geht vor allem darum, wer hier nicht gemeint ist: die Dönerbude (auch wenn diese oftmals Schnitzelsemmerl anbietet).

Im Bildungsbereich wird die identitäre Politik aus Oberösterreich weitergeführt. So heißt es etwa, dass "Deutsch als Pausensprache in der Hausordnung festzulegen" sei. Die historisch-liberalen Wurzeln der Freiheitlichen kommen zum Vorschein, wenn es etwa um die Wahlfreiheit im Hinblick auf Kinderbetreuung geht. Und sie endet bei den "Einheimischen". Denn "im Hinblick auf die Sicherung von Spracherwerb und Integration bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund" bedürfe es "klarer Regelungen". Da ist dann nichts mehr übrig von der "Wahlfreiheit" und "Wertschätzung und Anerkennung für all jene Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen möchten".

Islamophobe Politik

Das Lieblingsthema, das die FPÖ unter der Führung von Heinz-Christian Strache groß machte, darf ebenso wenig fehlen. Auch wenn bisher das Gros der anti-muslimischen Politik – von Bekleidungsverboten über Moscheeschließungen bis hin zu brutalen Razzien – allesamt als rechtswidrig von den entsprechenden Gerichten rückgängig gemacht wurden, so greift das Arbeitsübereinkommen auf eines der institutionalisierten Überbleibsel der islamophoben Politik zurück: "Zur Bewahrung unserer demokratischen Werte sowie unserer Grund- und Freiheitsrechte wird ein Aktionsplan gegen den radikalen Islam entworfen, der die Einrichtung einer Beratungs- und Beobachtungsstelle gegen Radikalisierung und politischen Islam beinhaltet." Das zuständige Ressort hierfür soll die Bildungsdirektion sein.

Unbeeindruckt von der Zurückweisung der türkis-blauen Ungleichbehandlung von Geflüchteten und Menschen mit weniger Deutschsprachkenntnissen durch die EU-Kommission, schreibt die neue Koalition von ÖVP und FPÖ im bevölkerungsreichsten Bundesland genau diese abgestrafte Politik weiter. Sie prüft, in der Grundversorgung in Hinkunft sämtliche Geldleistungen durch Sachleistungen zu ersetzen, um "wirtschaftlich motivierte Zuwanderer" abzuschrecken. Ein weiterer Punkt der Einigung ist, so wenige Asylquartiere wie nur möglich zu ermöglichen.

Kein Tabubruch

Dieses Arbeitsübereinkommen ist nicht nur kein Tabubruch, wie seit Jahrzehnten auf Bundes- und Landesebene abzulesen ist. Es knüpft vor allem an der Kurz’schen Politik der Übernahme von rechten Politikinhalten der FPÖ an, die Letztere noch mehr normalisiert und abseits der Missachtung von Grundrechten die Diskriminierung von marginalisierten Gruppen zur gelebten Normalität der politischen Realität macht. (Farid Hafez, 24.3.2023)