Wann landet Fisch in Österreich auf den Tellern? Karfreitag und Aschermittwoch. Und abseits von den Fastentagen brät man sich vielleicht noch ab und zu Fischstäbchen heraus. Es gibt also noch viel Potenzial nach oben, was die Fischküche im Land betrifft. "Wir haben in der Vergangenheit einfach schlechte Erfahrungen mit Fisch gemacht", nennt Lukas Nagl als Grund. Er muss es wissen. Nagl ist Fischkoch. Und wenn es nach der einhelligen Meinung der Gastronomieszene geht, auch der beste des Landes.

Brachsen, Rotaugen und Barsche werden heute noch aus der Donau gefischt. Lukas Nagl hat für sein Buch selbst die Netze eingeholt.
Foto: Georg Kukuvec Photography, Helge und Patrick Kirchberger

Eine Nation traumatisiert vom lettigen Karpfen? Ganz so hart drückt es Nagl zwar nicht aus, aber er kennt es aus eigener Erfahrung. Sein Vater isst auch keinen Fisch. Ganz nach dem Motto "Die Alten können wir nicht mehr ändern", wie er im oberösterreichischen Dialekt sagt, will er zumindest den jungen Generationen zeigen, was man aus Fisch herausholen kann. "Allein die Karpfen, die man heute bekommt, sind ganz, ganz weit weg von dem, was es früher gegeben hat."

Als Annäherungsversuch empfiehlt der Koch, Fischfilet ganz simpel zu panieren. Daran sei nichts Verwerfliches, wie er sagt, denn "Panieren ist gold". Eingerieben mit Zitrone oder Senf, wälzt man den Fisch im griffigen Mehl und brät ihn heraus. Ansonsten solle man geräucherten Fisch probieren, wie die Traunsee-Spezialität Stangerlfisch, "das schmeckt eigentlich fast jedem".

Heimische Fischküche

Gerade hat Nagl ein Buch veröffentlicht. Der Fischer und der Koch heißt es. Darin geht es um Fische, den Fischfang und die Fischküche in Österreich. Nagl verrät dafür mehr als 60 Rezepte, um den Österreichern das Fischkochen wieder näherzubringen. Ob es wegen der Fischaversion im Land nicht ein wenig unsinnig war, das Buch überhaupt zu schreiben? "Wir müssen weg vom viereckigen Tiefkühlfisch", sagt der Haubenkoch. Deswegen müssen die Leute erst lernen, wie man Fisch kocht.

Die Innereien des Fischs können zum Beispiel in einer Beuschelsuppe verwendet werden.
Foto: Georg Kukuvec Photography, Helge und Patrick Kirchberger

In seinem Restaurant verwertet Nagl alles vom Fisch. Damit folgt er dem nachhaltigen Trend Nose-to-tail, bei dem eben nichts vom Tier übrig bleiben soll. Nose-to-Flosse ist es dann in diesem Fall. Neben dem klassischen Filet lassen sich Innereien in einer Fisch-Beuschelsuppe verwenden, die Fischleber kann in Leberknödeln verarbeitet werden. Aus den übriggebliebenen Fischköpfen kreiert der Haubenkoch am liebsten ein Curry. Fett und Fleisch für ordentlich viel Geschmack haben die Schädel zur Genüge.

Fisch ist preislich und logistisch weniger zugänglich als Fleisch, das weiß auch Nagl. "Aber wenn du drei Mahlzeiten aus einem Fisch machen kannst, dann zählt das Argument nicht mehr, dass das Schnitzel nur ein Drittel von dem kostet." Sogar die absoluten Reste wie Gräten verwertet er. Fischabschnitte werden zu Fischsauce fermentiert. Sieben Monate lässt er diese reifen, mit seiner eigenen Firma Luvi-Fermente verkauft er sie online.

Für sein Fischgulasch verwendet Nagl Störfleisch. Dazu wird es
24 Stunden lang mit Zitrone und Ingwer gebeizt.
Foto: Georg Kukuvec Photography, Helge und Patrick Kirchberger

Als umtriebig könnte man den von Gault-Millau zum besten Koch des Jahres 2023 gekürten Nagl durchaus beschreiben, als beeindruckend auch, denn: Neben der Tätigkeit in seiner eigenen Firma berät der 35-Jährige noch das Wirtshaus Poststube in Traunkirchen mit Rezepten und Menüplänen, er leitet die Küchenteams der Traunseehotels, war gerade einen Monat in Japan auf Reisen, zieht drei Kinder groß und ist Chefkoch des Restaurants "Das Bootshaus" am Traunsee.

Mit 24 ist er dort Küchenchef und Haubenkoch geworden, zuvor lernte er unter anderem im Steirereck in Wien, nachdem er die Tourismusschule in Bad Ischl besucht hatte. Aus einer Gastronomenfamilie kommt Nagl nicht, seine Eltern wuchsen auf dem Bauernhof auf. Dass er sich so schnell nach oben kochen konnte, rechnet er zum einen seiner schnellen Auffassungsgabe zu, zum anderen seinem Selbstvertrauen. "Man muss den eigenen Stil entwickeln, wie in der Kunst oder der Musik." Er habe immer nur gekocht, was ihm Spaß machte, die anderen waren ihm "wurscht" sagt der Fischkoch salopp.

Gräten sind nicht so schlimm

Ein Buch, das sich ganz dem hiesigen Fisch widmet: von Rezepten bis hin zu Fischfangstorys. Der Fischer und der Koch. Lukas Nagl, Tobias Müller. Benevento Publishing, € 48, 336 Seiten.
Foto: Verlag

Nagl ist kein Fan von überfüllten Tellern, dementsprechend ruhig sei auch seine Küche. Häufig wird er auf seine Fischküche reduziert. Das störe ihn zwar nicht, betont aber, dass auch Lamm, Wild und Gemüse bei ihm serviert werden. Dennoch verwundere ihn es immer wieder aufs Neue, wenn Leute in sein Lokal kämen und sagten, sie äßen keinen Fisch.

Seine Japanreise nutzte Nagl für Ruhe und Wandern, seine berufliche Neugier konnte er aber nicht ganz ausschalten. Er lernte, dass viel mehr marinierter als roher Fisch gegessen wird. Und dass Gräten nur in Österreich und Deutschland wirklich ein Problem seien, sagt der Koch. In Japan, aber auch in Italien (zum Beispiel im Fritto misto) werden Gräten einfach mitgegessen. In seinem Restaurant entfernt Lukas Nagl sie natürlich, "da muss das halt sein". Man will die Leute ja nicht davon abschrecken, Fisch zu essen. (RONDO, Kevin Recher, 7.4.2023)