SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sieht Angriffe auf den als zu links empfundenen öffentlich-rechtlichen Schweizer Rundfunk als politisch motiviert.

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Es war so knapp wie nie zuvor in der Schweiz, als im Juni 2015 über die Einführung einer Haushaltabgabe für Rundfunk und Fernsehen abgestimmt wurde: Mit 50,1 Prozent stimmte das Volk dafür, die bisherige Rundfunkgebühr durch eine Haushaltsabgabe zu ersetzen. Zuvor mussten nur diejenigen Haushalte zahlen, die auch tatsächlich ein Radio- oder Fernsehgerät nutzten. Nun wurden sämtliche Haushalte und auch die Unternehmen abgabepflichtig. Im Gegenzug konnte die jährliche Gebühr von damals 460 auf 365 Franken, also von 466 auf umgerechnet 370 Euro gesenkt werden, da es nun mehr Zahlungspflichtige gab. In der Zwischenzeit ist die Abgabe auf nur noch 335 Franken oder 339 Euro pro Jahr gesenkt worden, da es wegen des Bevölkerungswachstums immer mehr Haushalte gibt. In Österreich sind – wie berichtet – ohne Länderabgabe 15,20 Euro monatlich geplant.

Systemwechsel

Begründet wurde der Systemwechsel damit, dass mittlerweile praktisch jedermann auch per Smartphone oder Computer die Rundfunkangebot nutzen könne, ohne ein Radio- oder Fernsehgerät zu besitzen. Befreit von der Abgabe sind besonders gering verdienende Personen. Andererseits müssen auch Altersheime oder Studierendenwohnheime die Abgabe entrichten. Und auch die Unternehmen mit mehr als 500.000 Franken (rund 507.000 Euro) Jahresumsatz müssen eine Abgabe zahlen, die sich am Umsatz bemisst.

Mit der Haushaltabgabe kommen heute rund 1,4 Milliarden Franken bzw. Euro pro Jahr zusammen. Davon bekommt die Schweizerische Rundfunkgesellschaft SRG den größten Teil, nämlich 1,25 Milliarden (1,27 Milliarden Euro). Sie hat aber auch den weitaus umfassendsten Leistungsauftrag für Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung. Hinzu kommt, dass sie im Gegensatz zu Österreich und Deutschland nicht nur deutschsprachige Programme anbieten muss, sondern auch auf Französisch und Italienisch jeweils ein Vollprogramm mit je zwei TV- und drei Radiosendern. In der deutschen Schweiz betreibt die SRG gar drei TV- und sechs Radioprogramme. Zudem hat sie in den letzten Jahren ein breites Portfolio an Onlineprogrammen, Podcasts und Social-Media-Angeboten aufgebaut.

Kritik von Verlegern

Dies wird von den Verlegern kritisiert, da sie nicht gleich lange Spieße hätten im Wettbewerb mit der vorwiegend gebührenfinanzierten SRG und ihren Gratisangeboten. Die SRG wiederum argumentiert, sie müsse allen etwas bieten und auch das jüngere Publikum ansprechen, da auch alle bezahlen müssten.

Auch mit der nationalen Streamingplattform Play Suisse, auf der sie ihre eigenen Serien, Filme und Dokumentationen bereithält, spricht die SRG insbesondere ein junges Publikum an. Neben der SRG werden auch private Radio- und TV-Sender mit 80 Millionen Franken unterstützt, sofern sie einen bestimmten Leistungsauftrag erfüllen.

Dieses System gerät zunehmend unter Druck. Insbesondere bürgerliche Politiker, Verleger und Wirtschaftsvertreter kritisieren, die SRG mache sich auf Kosten der privaten Medien breit. Ein Frontalangriff auf die SRG und ihre Finanzierung scheiterte im Jahr 2018 allerdings deutlich. Damals lehnten 72 Prozent ein Volksbegehren ab, das die Abschaffung der Gebühren forderte. Nun sammelt aber ein Komitee von Politikern vorwiegend aus der rechtskonservativen Volkspartei SVP und von den Jungliberalen erneut Unterschriften für ein Volksbegehren, welches diesmal "nur" eine Senkung der Abgabe auf 200 Franken fordert. Da dieses Begehren weniger radikal ist, werden ihm gewisse Chancen eingeräumt.

Politisch getriebene Kritik

Wasser auf die Mühlen der Kritiker war kürzlich die Tatsache, dass sich die SRG die teuren Übertragungsrechte für die Fußball-Champions-League zurückholte. Zurzeit werden diese Spiele auf den TV-Sendern des privaten Medienhauses CH Media gezeigt. Von einem Skandal sprach Komiteemitglied Gregor Rutz von der SVP im Boulevardblatt Blick. Und der Jungliberale Matthias Müller ergänzte, "das viele Gebührengeld, das die SRG hier ausgegeben hat, fehlt jetzt an anderen Ecken, die wirklich ‚service public‘ wären". Der Generaldirektor der SRG hingegen, Gilles Marchand, sieht in dem neuen Volksbegehren einen Angriff auf die als zu links empfundene SRG. "Diese Initiative scheint stark politisch und vor allem von SVP-Kreisen angetrieben", sagte Marchand im Wirtschaftsmagazin Bilanz. Die SRG sei nicht links – "wir können mit gutem Gewissen sagen, dass unsere Inhalte, über einen gewissen Zeitraum hinweg analysiert, ausgeglichen sind". Regelmäßige Programmanalysen von Wissenschaft und Konzessionsbehörde würden dies belegen.

Bis zu einer allfälligen Volksabstimmung wird es noch einige Jahre dauern. (Klaus Bonanomi, 27.3.2023)