Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich jedes Jahr um eine neue Unterkunft bemühen. Schrecklich, oder? Den meisten Vögeln bleibt das nicht erspart, nur wenige, wie etwa Störche, nutzen ein Nest mehrere Male. Der Kleiber (Sitta europaea) zählt zu den Arten, die kein neues Eigenheim errichten, sondern einen Altbau sanieren. Als Höhlenbrüter hält er Ausschau nach geeigneten Baumlöchern oder verlassenen Spechtbehausungen. Im Vorjahr um diese Zeit hatten wir das Riesenglück, dass ein Pärchen in einen Nistkasten in unserem Garten einzog.

Einflugloch verkleinert

Die Kleibers investierten viel Mühe und Zeit in die Renovierung. Sie haben beispielsweise das Einflugloch ihren Bedürfnissen angepasst. Es war faszinierend zu beobachten, wie hauptsächlich das Männchen als Polier den Zugang zur neuen Wohnung mit Lehm so weit zumauerte, dass sie gerade noch durchpassten. Auch das Innere des Nistkastens wurde teilweise mit Lehm verputzt, wie wir später, als die Familie wieder aus dem Haus war, festgestellt haben.

Namensgebende Lehmarbeiten

Genau diese aufwendigen Lehmarbeiten sind namensgebend für die Vögel: Kleiber wurden früher – als Mittelhochdeutsch gerade aktuell war – Handwerker genannt, die Lehmwände aufstellten. Von "kleiben" kommt übrigens auch "kleben". Manchmal werden Kleiber auch Spechtmeisen genannt, sie sind aber eine eigene Singvogelgattung.

Kopfüber abwärts

Kleiber sind ständig auf Achse, sie können auf Baumstämmen nicht nur bergauf, sondern auch kopfüber abwärts laufen. Das können nur ganz wenige Vögel. Dabei verbiegen sie ihren Kopf fast im rechten Winkel, um auch die Umgebung im Blick zu haben. Und ihre auffälligen, schwarzen Augenstreifen machen sie zu den Bandidos der Bäume.

Wer weiß, vielleicht wählen Kleiber aus dem Immoangebot in unserem Garten wieder einen Bastlerhit aus. Für Gatsch als Baumaterial wäre gesorgt. (Michael Simoner, 29.3.2023)