Markus Öhrn stellt am Theater den Blick scharf auf von Gewalt geprägte Beziehungen.

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Markus Öhrns Inszenierung basiert auf Ingmar Bergmans Film "Szenen einer Ehe".

Foto: Leonard Stenberg

"Gesegnet seien die Zerstörer falscher Hoffnungen!" – Auch das Theater braucht seine markigen Mantras und rituellen Feuersbrünste. Zumal wenn ein waschechter Black-Metal-Fan wie Markus Öhrn Regie führt. So geschehen anno 2015 beim Santarcangelo-Festival, als der schwedische Künstler zu Ehren seiner Großmutter für das Azdora-Projekt mit italienischen Hausfrauen eine Metal-Band gründete.

Öhrn mochte die Theatralik von Black Metal schon immer, sie beinhaltet für ihn eine unbedingte Form des Widerstands. Satanistische Fantasien ergründete er in jungen Jahren an der Wiege dieser Subkultur in Norwegen, wo er in den 90ern lebte. "Mir scheinen Black-Metal-Inhalte realistischer als alles andere", sagt er im STANDARD-Gespräch.

Markus Öhrns Inszenierung basiert auf Ingmar Bergmans Film "Szenen einer Ehe".
Foto: Leonard Stenberg

Was macht ein Satansjünger am Theater? Er stellt den Blick scharf. Doch das war so nicht geplant. 2008 verließ Markus Öhrn als frisch gebackener Master of Fine Arts die Konstfack in Stockholm und zog, wie so viele, nach Berlin, in die damals noch weniger kapitalisierte deutsche Metropole. Dort hat dem bildenden Künstler ausgerechnet der österreichische Fall Fritzl ("Das Monster von Amstetten") eine unbeabsichtigte Karriere als Regisseur beschert. Eigentlich wollte er mit der finnischen Theatergruppe Nya Rampen eine Live-Installation zum Thema erarbeiten. Das Ballhaus Ost hatte zugesagt. "Ich dachte, ich mache diese vier Shows und geh dann zurück", so Öhrn. Aber: "It went like Bananas"!

Installative Sound-Settings

Die Fritzl-Inszenierung Conte d’Amour nahm also völlig überraschend einen steilen Werdegang – über das Impulse-Festival und das Berliner Theatertreffen sowie später 2012 bei den Wiener Festwochen. Öhrn galt schlagartig als neues Wunderkind. Vor allem die ungewöhnliche bildnerische Erzählweise machte Furore in einer Kunstgattung, die stetig nach Erneuerung lechzt.

Bis heute, da Öhrn Berlin längst wieder in Richtung Nordschweden verlassen hat und das Leben auf einem großen Bauernhof mit Studio bevorzugt, erzeugen seine mit deformierenden Kopfmasken und installativen (Sound-)Settings assoziierten Bühnenarbeit ihre Wirkung. In Österreich waren diese bisher ausschließlich bei den Festwochen zu sehen, zuletzt Häusliche Gewalt (2018) und 3 Episodes of Life (2019). Nun hat ihn das Volkstheater für Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe verpflichtet, Premiere ist am 30. März im Volx.

Die Bühne – und das hat die Theatercommunity an Öhrn stets interessiert – kann auch als Universum bildender Kunst genützt werden. Auch er selbst betrachtet seine Regiearbeiten mehr als Live-Installation und bekennt unumwunden, anfangs wahrlich kein guter Regisseur gewesen zu sein. "Ich wusste nicht, was ich da mache." Längst weiß er es, ist aber zu mindestens fünfzig Prozent bildender Künstler geblieben.

Patriarchat in Panik

Öhrns Arbeiten befassen sich vor allem mit einem Thema: mit Gewalt in Beziehungen und patriarchalen Mustern, wie sie auch das Monogamie-Paradebeispiel in Szenen einer Ehe abbildet. Gerade heute sei das alte Patriarchat in Panik, so Öhrn, weil es nach MeToo und vielen anderen Protestbewegungen nicht mehr so hemmungslos alles durchsetzen könne wie früher. Dieser erlebte Kontrollverlust evoziere allerdings neue Gewalt, und die Pandemiejahre, die die Zahl der Delikte zudem in die Höhe schnellen ließen, hätten die Sache nicht gerade besser gemacht.

Öhrn weiß, wovon er spricht. Er ist selbst in einer patriarchal-religiös geprägten Familie aufgewachsen und galt, weil er als Kind lieber mit der Großmutter unterwegs war, nicht als "echter Mann". Auf diesem Muster sei unsere patriarchale Gesellschaft aufgebaut: "Ein Mann, der nicht dominiert, ist nicht gewünscht. Das lernen wir alle von Beginn an", sagt Öhrn. "Und es wird nicht genügen, die Spielzeuge unserer Kinder auszutauschen."

Quer durch Europa

Diese Muster und ihre Funktionsweisen auf der Bühne auszustellen ist Öhrns künstlerisches Anliegen. Er braucht dafür keine langen Erzählungen, Text ist nicht sein Schwerpunkt, und ob er jemals einen Ibsen inszenieren wird, steht in den Sternen. Derzeit zieht es Öhrn (51) ohnehin wieder in die bildende Kunst zurück, in die er jetzt seine performativen Erfahrungen, die er seit 2010 quer durch Europa gemacht hat, einfließen lässt.

Zweimal jährlich verlässt Öhrn seinen nordschwedischen Bauernhof, um Ausstellungen und Inszenierungen im Ausland zu betreuen. Sein Hof ist inzwischen auch die Homebase der Gruppe Institutet geworden, die heute als Plattform für Residencys und Mentorships fungiert. Dass dort hie und da Black Metal läuft, ist gut möglich. (Margarete Affenzeller, 29.3.2023)