In ihrem Gastkommentar antworten die Politikwissenschafterin Julia Partheymüller und der Ökonom Stephan Pühringer, beide engagieren sich bei Unterbau-Initiativen, WU-Vizerektor Michael Lang. Lang legte dar, dass der Anteil der an Universitäten befristet beschäftigten Wissenschafterinnen und Wissenschafter niedriger sei als 80 Prozent.

Faire Arbeitsbedingungen an den Unis forderten Demonstrierende kürzlich in Wien. Unterbau-Initiativen haben im März auf die Problemlage aufmerksam gemacht und Zuspruch, aber auch Widerspruch geerntet.
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Etwa 2.000 Personen sind dem Aufruf der Mittelbau-Initiativen Netzwerk Unterbau Wissenschaft (NUWiss) und Unterbau Uni Wien vergangene Woche gefolgt und demonstrierten unter dem Motto "Fair statt prekär! Universität neu denken" für bessere Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten.

Mangelnde Zukunftsperspektiven

Hintergrund für den öffentlichen Protest sind die negativen Auswirkungen des Sonderbefristungsrechts gemäß Paragraf 109 des Universitätsgesetzes (UG), die zunehmend sichtbar werden: Die Universitäten lassen die Verträge exzellenter Forschender und Lehrender mit anscheinender Gleichgültigkeit einfach auslaufen, motivierte Wissenschafterinnen und Wissenschafter werden durch eine absurde Rechtsauslegung von der Lehre abgeschreckt, Forschungsprojekte wandern ab, und es mangelt insgesamt an Zukunftsperspektiven. Auf negative Auswirkungen wie diese haben zuletzt auch Professorinnen und Professoren, Studierendenvertretungen, Arbeiterkammer, Betriebsräte und Gewerkschaften hingewiesen.

Auch international erfährt die Problematik prekärer Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft immer mehr Aufmerksamkeit. So drängt beispielsweise die OECD zur Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Mitgliedsstaaten seit längerem auf eine Reform: Die Qualität von Lehre und Forschung hänge auch von den Bedingungen ab, unter denen Forscherinnen und Forscher arbeiten. Verbesserte Arbeitsbedingungen seien ein unverzichtbarer Hebel, um aktuellen Negativtrends – wie einer sinkenden Innovativität – entgegenzuwirken.

Weniger Betroffene?

Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass nun vermehrt Uni-Leitungen, wie Vize-Rektor Michael Lang in einem Gastkommentar im STANDARD, ihre Argumente zur momentanen Praxis in die Diskussion einbringen (siehe "Gibt es wirklich zu viele Befristungen an Unis?"). Allerdings erscheinen uns einige der vorgebrachten Argumente wenig stichhaltig.

Das erste Argument lautet, die Zahl der Betroffenen sei "niedriger" als rund 80 Prozent, weil unter anderem Doktorandinnen und Doktoranden sowie Projektangestellte herauszurechnen seien. Offiziell sind an Österreichs Universitäten etwa 44.000 Personen als wissenschaftliche oder künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Davon machen ordentliche Professorinnen und Professoren in etwa sechs Prozent aus. Der Rest wird universitätsintern als Mittelbau bezeichnet und umfasst assoziierte Professorinnen und Professoren, Assistenzprofessorinnen und -professoren, Dozentinnen und Dozenten, Universitätsassistentinnen und -assistenten, Lektorinnen und Lektoren, Projektangestellte, studentische Mitarbeitende, Senior Lecturers und Senior Scientists. Über alle Gruppen hinweg lag der Anteil der Befristeten laut Universitätsbericht 2020 bei 78,6 Prozent – bei steigender Tendenz.

Negative Folgen

Das neue Sonderbefristungsrecht gilt für all diese Personen. Verschiedene Gruppen sind allerdings in unterschiedlicher Weise betroffen. Studienergebnisse, publiziert in Nature, zeigen, dass Doktorandinnen und Doktoranden allgemein oft starken psychischen Belastungen durch die hohe berufliche Unsicherheit ausgesetzt sind. Zudem drohen ihnen in Österreich negative Folgen insbesondere dann, wenn sie sich für die Lehre an ihrem Institut engagieren, da ihnen zusätzliche Lehraufträge auf die Höchstbeschäftigungsdauer angerechnet werden. Sie sollten daher nicht aus dem Kreis der Betroffenen herausgerechnet werden.

Dasselbe gilt für Projektangestellte, deren Anteil in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Diese Gruppe auszuklammern verkennt eines der größten Probleme des aktuellen Systems. Denn sie sind gleichwertige, hochqualifizierte Expertinnen und Experten, die einen Großteil der universitären Forschungsarbeit leisten, aber einer besonders hohen beruflichen Unsicherheit ausgesetzt sind.

Das Argument, es seien "nur" 40 Prozent betroffen, ist folglich wenig überzeugend. Wenn man viele der Befristeten ausklammert, sinkt natürlich die Befristungsquote: Wenn man bei einer Analyse der hiesigen Wetterlage die Monate von April bis Oktober wegnimmt, ist es in Österreich auch ziemlich kalt. Es ist klar: Dieses Argument ist ein Rechentrick.

Transparent und fair?

Das zweite Argument lautet, die Personalpolitik sei "transparent, fair und der Generationengerechtigkeit verpflichtet". Leider ist genau das Gegenteil der Fall. So führt etwa die neue Rechtslage im Zusammenspiel mit einer geringen Informiertheit der Betroffenen zu großer Verunsicherung. Einer aktuellen Umfrage an der Universität Wien zufolge kennt sich mehr als die Hälfte der Befragten kaum mit dem Rechtsrahmen aus. Rechtsunsicherheit und Intransparenz wirken dabei auch als soziale Filter und schrecken qualifizierte Personen vom Wissenschaftsberuf ab.

Frauen, die weiterhin überproportional Care-Arbeit leisten, sind von der aktuell beobachtbaren Praxis der Anrechnung von Karenzzeiten auf die Höchstbefristungsdauer besonders negativ betroffen. Dabei belegt Österreich im internationalen Vergleich bereits einen der letzten Plätze, was den Frauenanteil in der Wissenschaft betrifft, wie eine aktuelle Wifo-Studie zeigt.

"Es besteht dringender Handlungsbedarf."

Auch bezüglich der vieldiskutierten Generationengerechtigkeit erweist sich die aktuelle Regelung als kontraproduktiv. Eine ganze Generation hochqualifizierter Forscherinnen und Forscher hat ihre Berufsentscheidungen vor Bekanntwerden der UG-Novelle getroffen. Durch die – rückwirkende! – Anrechnung von Dienstjahren und ungeeignete Übergangsregelungen stehen sie jetzt vor dem Aus ihrer beruflichen Existenz.

Probleme wie diese lassen sich nicht mit einem "Rechentrick" lösen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. (Julia Partheymüller, Stephan Pühringer, 31.3.2023)