International würden Personalberater "als für den Unternehmenserfolg unerlässlich" wahrgenommen werden, meint Personalexperte Daniel Marwan.

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Eine einfache Stellenanzeige reicht schon lange nicht mehr. Davon ist Daniel Marwan, Geschäftsführer der Personalberatung epunkt, überzeugt. Denn der Arbeitsmarkt ist zum Arbeitnehmermarkt geworden. Kandidatinnen und Bewerber, die sich bei Unternehmen um einen Job bemühen, gehören demnach der Vergangenheit an. Eine Herausforderung, die bei der Besetzung von Stellen vielen Firmen begegnen würde, sei zudem die hohe Anforderung an Personaler.

Auch der aktuelle Report "Die Zukunft des Recruitings" des Karrierenetzwerks Linkedin prognostiziert einen Wandel des Jobprofils. Insgesamt haben rund 1.600 Personaler in 20 Ländern an der Umfrage teilgenommen. 86 Prozent der Befragten aus dem deutschsprachigen Raum geben an, dass ihre Arbeit im letzten Jahr strategischer geworden ist. Da sich der Jobmarkt zugunsten der Beschäftigten gedreht hat, würden sie nun ganzheitlicher und enger mit der Unternehmensführung zusammenarbeiten, um über Gehälter zu verhandeln, an der Arbeitgebermarke zu feilen oder Wege zu finden, kritische Kompetenzlücken in der Belegschaft zu schließen.

"Heute ein Controller, morgen eine Software-Entwicklerin: Im Recruiting müssen oft wenige Generalisten die unterschiedlichsten Positionen besetzen", erklärt Personalexperte Marwan. Doch genau das müsse sich ändern. Gemeinsam mit dem britischen Investmentspezialisten James Caan hat er das Venture-Capital-Unternehmen Recruitment Entrepreneur Austria mit Fokus auf Start-ups und Scale-ups gegründet. Marwans Motivation sei die Bestrebung, mehr Innovation in Österreichs Recruiting zu bringen.

Recruiting neu denken

Den Bedarf dafür erklärt er mit einem Rechenbeispiel aus dem Vereinigten Königreich: Dort würden rund 500.000 Stellen pro Jahr mithilfe von Personalberatungen besetzt, in Österreich seien es mit 12.000 Positionen nur ein Bruchteil. Von Rückständigkeit möchte Marwan in diesem Zusammenhang zwar nicht sprechen, aber es gebe jedenfalls großes Potenzial am Markt. Unter Innovation versteht der Experte allerdings nicht zwingend technologische Vorstöße: "Automatisierung und KI überlassen wir lieber den Tech-Start-ups und -Investoren."

Sein großes Ziel sei, die Personalberatung zu spezialisieren: "Ich möchte den Begriff Fachkräftemangel nicht überstrapazieren. Aber in den letzten Jahren zeigt sich der Personalmangel in vielen Bereichen, die davor noch nicht davon betroffen waren – von der Gastronomie bis zur Pflege", sagt er. In "hochentwickelten Märkten wie England oder den Niederlanden" sei diese Form des Recruitings mittlerweile die Regel – und nicht die Ausnahme. In London gebe es sogar schon Personalberatungen, die ausschließlich PR-Positionen im öffentlichen Bereich besetzen.

Image aufpolieren

Erschwerend hinzu kommen düstere Prognosen für den heimischen Jobmarkt: Ohnehin schon fehlendes Personal trifft auf die große Pensionierungswelle der Babyboomer auf der einen Seite und die Wünsche und Anforderungen der jungen Generationen Y und Z an den Job auf der anderen. "Die Jungen, die nachkommen, wollen weniger Stunden arbeiten als die Älteren, die das Berufsleben verlassen", fasst Marwan zusammen. Dieses Spannungsfeld erfordere Feingefühl auf Seiten des Recruitings.

Ein weiteres Anliegen sei dem Personalexperten außerdem die Aufwertung seines Berufsstandes. Zum Teil habe Recruiting hierzulande ein schlechtes Image, räumt er ein. International würden Personalberater hingegen "als für den Unternehmenserfolg unerlässlich" wahrgenommen werden. "Viele denken, Personalberatung ist keine Raketenwissenschaft, dabei ist sie genau das", sagt Marwan. Es sei an der Zeit, dieses schiefe Bild wieder zurechtzurücken – und zwar mit gutem Recruiting. (Anika Dang, 5.4.2023)