Lebensmittel sind teuer geworden. Soll der Staat eingreifen? Und wie?
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Pro: Sie brauchen jeden Cent

von Regina Bruckner

9,1 Prozent im März – endlich ist die Inflationsrate wieder einstellig. Für einen Seufzer der Erleichterung ist es zu früh. Die Teuerung ist immer noch dramatisch hoch und wird das noch eine Weile bleiben. Während sich die Lage beim einstigen Haupttreiber, den Energiepreisen, etwas entspannt, müssen die Menschen für Lebensmittel weiter tief in die Tasche greifen. Brot ist um fast ein Fünftel teurer als vor einem Jahr, Milch kostet um ein Viertel mehr, Butter um 30 Prozent. Das macht pro Einkauf ein paar Euro aus.

Besonders kritisch ist das für Menschen mit niedrigem Einkommen. Einige mehr oder weniger treffsichere Antiteuerungsmaßnahmen wurden auch auf den Weg gebracht. Eine Senkung der Mehrwertsteuer etwa auf Lebensmittel lehnt die Regierung bisher ab – zu Unrecht.

Nun wird die berühmt-berüchtigte Gießkanne bei den Hilfen mit gutem Grund kritisiert. Richtig ist auch, dass Wohlhabende in absoluten Beträgen mehr für Essen ausgeben und damit stärker von einer Minderung der Mehrwertsteuer profitieren würden. Aber eine vorübergehende Absenkung auf null allein auf Grundnahrungsmittel wie Milch, Butter und Brot wäre für den Staat unbürokratisch und rasch umzusetzen.

Gut möglich, dass der Handel das nicht in vollem Umfang weitergäbe – aber ein paar Euro kämen bei den Konsumenten im Land der Rabattitis ganz sicher an. Die weniger Begüterten brauchen jeden Cent – und das am besten sofort. (Regina Bruckner, 31.3.2023)

Kontra: Zuckerl ohne Wirkung

von Verena Kainrath

Der Eingriff in die Kosten von Lebensmitteln verspricht schnelle Hilfe gegen hohe Inflation und macht in Ländern von Portugal bis Kroatien Schule. Regierungen streichen die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel oder deckeln Höchstpreise für Milch, Brot und Fleisch. Ziel ist es, den täglichen Einkauf leistbarer zu machen und vor allem jenen unter die Arme zu greifen, die unter der Teuerung am stärksten leiden: Haushalten mit geringem Einkommen.

Was verlockend klingt, ist Populismus. Ein Verzicht auf die Mehrwertsteuer kostet Steuerzahler enorme Summen. Geld, mit dem über höhere Sozialleistungen jenen, die es wirklich brauchen, gezielter und nachhaltiger geholfen werden kann.

Von wenig Bürokratie ist keine Rede. Wer prüft, ob der Lebensmittelhandel die steuerliche Entlastung an Konsumenten weitergibt? Eine Kontrolle der Marktmacht der Supermarktriesen hat schon bisher versagt. Wirte haben die Senkung der Umsatzsteuer als Zuckerl genossen. Billiger wurden sie nicht.

Handel und in der Folge Bauern wie Verarbeiter zu niedrigeren Preisen zu zwingen ist keine Option. Österreich hat aus gutem Grund keine staatlich gelenkten Essenspreise. Spießen würde es sich allein schon an den dafür in Betracht gezogenen Produkten. Das dicke Ende kommt, sobald sich der Staat die fehlenden Steuereinnahmen nicht mehr leisten kann. Dann nämlich schießen die Preise wie auf Kommando nach oben. (Verena Kainrath, 31.3.2023)