Aus dem Planenwagen, mit dem einst der Urgroßvater auf Märkte in ganz Österreich tingelte, wurde ein moderner Truck, mit dem Stefan Lackstätter mehrmals pro Woche in Niederösterreich und dem Burgenland von Deutsch Wagram über Wallern bis Zurndorf unterwegs ist. Das "Geschirrauto" Die Markttermine gibt's mittlerweile nicht nur auf Papier im Marktverzeichnis, sondern auch via App und unter www.geschirrshop.com

Foto: Robert Newald

Keksausstecher und Kartoffelschäler gehören zu jenen Artikeln, die im Geschirrshop am meisten nachgefragt werden, sagen Stefan Lackstätter und seine Schwester Cornelia Stöckel wie aus der Pistole geschossen. Wir treffen die Lackys, wie sich die Geschwister auf der Website nennen, in ihrem Geschäftslokal in der Wollzeile. Er ist mehrmals pro Woche mit dem Geschirr-Lkw auf Märkten und Messen unterwegs, der Laden ist ihre Domäne. Ab und zu kommen Kunden herein und kaufen ein.

STANDARD: Sie sind laut Marktkalender mehrmals pro Woche auf Achse in Niederösterreich und im Seewinkel im Burgenland, dann wieder hier im Laden oder in Floridsdorf auf dem Dauermarktstand. Warum tut man sich mit 35 den bisweilen mühsamen Job als Marktfahrer an?

Lackstätter:(lacht) Gute Frage. Es hat sich so ergeben. Wir sind damit aufgewachsen, schon als Kinder mit den Eltern mitgefahren und haben uns so ein Taschengeld dazuverdient. Ich bin auch gern bei den Kunden. Seit Cornelia in Karenz ist, bin ich auch viel im Geschäft, eigentlich bin ich überall.

Im Moment ist Cornelia Stöckel (33) in Babykarenz und ihr Bruder Stefan Lackstätter (34) führt den Familienbetrieb gemeinsam mit den Eltern Brigitte und Gerhard Lackstätter. Der EDV-Fachmann steht im Geschäft – oder ist mit dem "Geschirrauto" unterwegs.
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STANDARD: Zahlt sich das aus? Gibt es in Groß Enzersdorf, Hollabrunn, Eggenburg, Zwölfaxing, Neusiedl oder Pamhagen so viel Nachfrage?

Stöckel: Ja, die Nachfrage ist da. Sie ist sogar gestiegen, die Leute wollen Nahversorgung und regionale Produkte, vor allem bei Obst, Gemüse und Lebensmitteln. Dort, wo es keine Fachgeschäfte mehr gibt, kommt der Fachhandel zu den Kunden. Die Zahl der Märkte steigt sogar wieder, vor allem bei Wochenendmärkten.

STANDARD: Hat sich durch Corona die Kundschaft verändert?

Lackstätter: Ja und nein. Während der Corona-Lockdowns durften wir ja nicht fahren, obwohl alles im Freien stattgefunden hätte. Aber die Gemeinden haben Märkte – da ging es vor allem um die Weihnachtsmärkte mit hunderten, tausenden Besuchern – als Veranstaltungen eingestuft, und die waren eben nicht erlaubt. Das hat uns schon sehr getroffen, das war echt nerven- und kraftraubend. Denn die Supermärkte durften die ganze Zeit alles verkaufen, nicht nur Lebensmittel. Das hat uns vor allem im ersten Jahr viel gekostet, weil eben auch Oster- und Christkindlmärkte abgesagt wurden. 2022 hat uns noch mehr gekostet, das war eines der schlechteren Jahre für uns.

Für die große Auswahl an Keksausstechern und Küchenwerkzeug sind die Lackys, wie sich der Familienbetrieb selbst nennt, bekannt. Via Onlineshop wird auch Ware verschickt.
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Stöckel: Im ersten Halbjahr 2022 hatten wir genug Ware, jeder konnte liefern, aber die Nachfrage war plötzlich nicht da, keiner kaufte mehr Koch- und Backgeschirr. Im zweiten Halbjahr begannen auch die Lieferschwierigkeiten und die enormen Preissteigerungen.

STANDARD: Wurden in der Corona-Zeit andere Produkte nachgefragt als sonst üblich?

Stöckel: Ja, das hatte sich stark verändert. Die Leute haben vor allem im ersten Lockdown angefangen, Brot zu backen, Nudeln selber zu machen. Auf einmal haben wir mehr Nudelmaschinen verkauft. Sogar der Fleischwolf wurde wieder nachgefragt, ein schon beinahe vergessenes traditionelles Küchengerät, oder die Flotte Lotte.

Lackstätter: Die Leute haben auf einmal mehr auf die Qualität geschaut und waren froh, dass sie Beratung bekommen. Das hat super funktioniert. 2022 war das dann nicht mehr so. Da waren nach und nach alle Geschäfte wieder offen, und viele haben online gekauft. Da wurde dann alles viel schwieriger.

Nicht nur Hobbyköchinnen und -köche finden bei Lackstätter Geschirr Hausrat vom Apfelschäler über Rex-Gummi bis zum Zestenreißer – auch aus der Mode gekommenes Traditionsgerät findet sich.
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STANDARD: Sie wurden vom Staat sicher ausreichend entschädigt? Es gab ja Corona-Hilfen in Milliardenhöhe.

Lackstätter: Ja und nein. Das meiste haben wir für die Weihnachtsmärkte bekommen, weil diese nicht stattgefunden haben, teilweise kurzfristig abgesagt wurden. Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz haben wir jeweils einmal bekommen, aber nur für den Weihnachtsmarkt, nicht für das Geschäft, weil wir dazwischen immer wieder offen hatten. Da gab es bereits die Prozentgrenzen, je nach Höhe des Geschäftsrückgangs, und die haben für uns eigentlich nie gepasst. Letztlich wurden die Hilfen natürlich als Gewinn gewertet, nicht als Umsatz, und wir bekamen eine Steuernachzahlung vorgeschrieben. Die Hälfte ging also eh wieder zurück an den Staat.

STANDARD: Warum haben Sie sich entschlossen, in der Wollzeile einen Verkaufsladen zu eröffnen?

Lackstätter: Das war ein Zufall. Auf dem Christkindlmarkt haben wir erfahren, dass die Besitzer in Pension gehen, so hat sich das ergeben. Es war ein Fachgeschäft, das viele Leute kannten.

STANDARD: Sie sind einer von 3200 Markt-, Straßen- und Wanderhändlern, die in der Wirtschaftskammer registriert sind. Das sind um 150 weniger als 2019. Ist das ein aussterbendes Gewerbe, oder haben wegen der Registrierkassenpflicht einige aufgegeben?

Lackstätter: Nein, eigentlich sind die Zahlen stabil. Das könnten Pensionierungen gewesen sein, denn 2021 zählte das Bundesgremium wieder 3200 Mitglieder. Die Registrierkassenpflicht hatte weniger negative Auswirkungen, als wir erwartet hatten. Denn es wurde die Pauschalierung eingeführt für jene, die im Jahr nicht mehr als 36.000 Euro Umsatz machen. Sie sind ausgenommen von der Registrierkassenpflicht. Das ist ähnlich wie früher bei der "kalten Hand". Diese Regelung besagte, dass keine Rechnung ausgestellt werden musste. Vor allem im mobilen Handel, etwa in Skihütten, ging das Geld direkt in den Beutel.

Omas Lieblinge wie der Sprudler oder die Flotte Lotte zum Passieren von Obst und Gemüse werden wieder mehr nachgefragt.
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STANDARD: Wie kommen Sie zurecht mit der Registrierkassenpflicht?

Stöckel: Die Registrierkassenpflicht war vor allem mit mobilen Geräten eine Riesenherausforderung. Es gab kaum welche, denn mobile Bankomatkassen müssen bei minus 25 Grad genauso funktionieren wie bei plus 38 Grad. Wir sind ja bei jedem Wetter draußen.

STANDARD: Für Sie als EDV-Fachmann war die Pflicht, eine Quittung auszustellen, wahrscheinlich kein Hokuspokus, oder ?

Lackstätter: Das war ein enormer Aufwand und hat auch richtig viel Geld gekostet. Weil die Geräte im Freien funktionieren müssen. Tablet-Computer waren damals auch noch viel teurer, und vor allem: Spätestens nach zwei Jahren gaben sie den Geist auf. Im Hintergrund muss immer ein Netzwerkcomputer laufen, sonst hat das System nur halb so viel Sinn.

Es sind hunderte Artikel, die zu den Kunden kommen und dies nicht per Post sondern mit einem Lastwagen.
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STANDARD: Als EDV-Fachmann könnten Sie wohl einen bequemeren Job haben und vor allem mehr verdienen. Warum haben Sie die Branche gewechselt?

Lackstätter: Das war eigentlich Zufall. Nach meinem Schulabschluss war ich zunächst bei Raiffeisen in der IT. Dann musste ich die Wartezeit bis zum Bundesheer überbrücken. Da nimmt dich keiner! Also hat mich mein Vater gefragt, ob ich nicht bei ihm mithelfen möchte. Und da bin ich dann geblieben. 2008 haben wir, also meine Eltern, das Geschäft mit Sitz und Lager in Zwölfaxing in eine GmbH umgewandelt, die inzwischen uns vieren zu gleichen Teilen gehört.

STANDARD: Sie, Frau Stöckel, waren damals noch nicht an Bord?

Stöckel: Nein, ich habe nach der Handelsakademie fünf Jahre lang bei einem Medizintechnikunternehmen gearbeitet. Als wir dann das Geschäft in der Wollzeile geplant haben, hab ich gekündigt und bin eingestiegen. Ich hatte gemerkt, dass mir der Umgang mit den Kunden fehlt. Mir macht der Kundenkontakt schon sehr viel Freude.

STANDARD: Welche Produkte werden am meisten nachgefragt?

Stöckel: Keksausstecher und Kartoffelschäler. Vor allem der U-Schäler wird stark nachgefragt, der kam früher hauptsächlich in der Gastronomie zum Einsatz.

Der Induktionsherd hat das Emailgeschirr wieder modern gemacht.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Kaufen Restaurantbesitzer auch bei Ihnen ein? Welchen Stellenwert haben Gewerbekunden?

Lackstätter: Ja, das war ein wichtiger Teil, aber dieser Geschäftszweig geht zurück. Der Laden hier in der Wollzeile war ursprünglich die Aluminium KG, die selber Kochgeschirr produziert hat. Der Standort war deshalb gut etabliert und in der Branche bekannt. Inzwischen hat dieses Geschäft deutlich an Bedeutung verloren.

STANDARD: Spüren Sie die hohe Inflation, kaufen die Kunden weniger?

Lackstätter: Beim Umsatz noch nicht so sehr. Aber bei der Miete! Wir hatten jetzt die dritte Indexanpassung in einem Jahr und zahlen jetzt 4100 Euro. Und die nächste Erhöhung steht schon vor der Tür. Wie hoch diese ausfallen wird, wissen wir noch nicht. Unsere Buchhaltung sagt, die nächste Anpassung könnte 11,5 Prozent ausmachen.

STANDARD: Das Haus gehört der Kirche, gibt’s da kein Erbarmen?

Lackstätter:(lacht) In der Corona-Zeit gab es keines. Da haben wir während des Lockdowns um Mietreduktion gebeten, aber keine bekommen. Das war bitter, denn deshalb mussten wir die Corona-Hilfe ans Finanzamt zurückzahlen. Und am Jahresende wurde die eine gestundete Mietzahlung auch noch eingefordert – inklusive Mahnspesen. Jetzt überlegen wir, wo wir Kosten senken können.

Für jede Haushaltsgröße gibt es bei Lackstätter nicht nur traditionelle Espressokannen, sondern Töpfe, Pfannen.
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STANDARD: Wo ist Ihre Schmerzgrenze?

Stöckel: Das ist eine gute Frage. Denn die Stromkosten wurden auch mehr als verdoppelt. Statt 250 Euro zahlen wird seit März 600 Euro. Das hat uns doch sehr geschockt.

STANDARD: Täuscht der Eindruck, oder werden Märkte und Standeln von Essen und Gastronomie dominiert?

Lackstätter: Nein, das ist so, Essen und Trinken sind die Besuchermagneten, vor allem auf Weihnachts- und Ostermärkten. Dazwischen sind halt wir mit unserem großen Sortiment an Keksausstechern und Häferln. Einen Nachteil hat die Gastro-Lastigkeit: Die Öffnungszeiten orientieren sich an der Gastronomie, wir müssen deshalb am Floridsdorfer Markt am Nachmittag offen haben, obwohl am Vormittag mehr Kunden kommen. (INTERVIEW: Luise Ungerboeck, 2.4.2023)