Der Windkraftausbau in Österreich kam in den vergangenen Jahren kaum voran.

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Es gibt ein neues Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren: Bis 2030 sollen immerhin 42,5 Prozent der Energie, die in der EU insgesamt verbraucht wird, durch Erneuerbare erzeugt werden. Darauf haben sich die Verhandlerinnen und Verhandler der EU-Staaten und des Parlaments vergangene Woche geeinigt. Heute liegt die EU bei knapp über 20 Prozent – es gilt also einiges aufzuholen.

Welcher Mitgliedsstaat wie viel zu dem gemeinsamen Ziel beitragen muss, wird erst in den kommenden Monaten fixiert. Für Österreich dürfte der Anteil jedoch deutlich jenseits der 50 Prozent liegen, heute sind es knapp 35 Prozent. Machbar wäre so ein Sprung leicht, betont die Wind- und Solarbranche. "Aber wir werden ausgebremst", kritisiert Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft. "Sowohl in der EU als auch auf Bundesebene tut sich viel. Aber auf der Ebene, die eigentlich für den Ausbau zuständig ist – in den Bundesländern –, geht wenig voran."

Emissionen weiterhin hoch

In den westlichen Bundesländern liege der Fokus weiterhin auf der Wasserkraft, sagt er. Oberösterreich habe die Windkraft bis zuletzt dezidiert abgelehnt. Kärnten beeinträchtige den Ausbau mit seiner Sichtbarkeitsverordnung. "Kärntens erster Windpark produziert 30 Prozent weniger Strom, weil die Windräder niedriger gebaut werden mussten, damit man sie nicht so weit sieht", so Jaksch-Fliegenschnee. In Niederösterreich sei es im vergangenen halben Jahr besser gelaufen. "Hoffentlich geht das jetzt so weiter", ergänzt er. Die Betreiber von Erneuerbare-Energie-Anlagen seien bereit für neue Projekte, personell hätten viele aufgestockt, und auch die Finanzierung für neue Projekte sei kein Problem. Allein das helfe nichts, solange keine Flächen ausgewiesen würden, fasst Jaksch-Fliegenschnee zusammen. Ein ähnliches Szenario beschreibt Günther Grabner von PV-Invest für die Solarbranche: An Ressourcen und Geld scheitere der Ausbau nicht, was fehle, sei der politische Wille.

Wind- und Solarenergie sollen bis 2030 fast gleich viele zusätzliche Terrawattstunden bringen. Doch der Ausbau der Windkraft stockt.
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Im Bereich der Solarenergie bewegt sich der Ausbau in die richtige Richtung, doch es bleibt viel zu tun. Die Branche kritisiert, der Ausbau könnte schneller gehen.
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Das spiegelt sich auch in der Entwicklung des CO2-Ausstoßes: Während die Emissionen im EU-Schnitt seit 1990 um knapp 35 Prozent gefallen sind, bewegt sich Österreich weiterhin auf demselben Niveau wie damals. "Österreich hat sich lange auf dem hohen Anteil an Wasserkraft und Biomasse ausgeruht. Wir müssen den Erneuerbaren-Ausbau jetzt auf eine neue Ebene heben", erklärt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur. Schließlich ist die bei weitem wichtigste Ursache für die Erderhitzung die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die Umstellung auf erneuerbare Energie ist daher – gemeinsam mit der Senkung des Energieverbrauchs – der allerstärkste Hebel.

Entsprechender Druck kommt jetzt aus Brüssel: Mit der Reform der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED III) schreibt sie dem Ausbau ein "übergeordnetes" gesellschaftliches Interesse zu. Das soll die Genehmigung von neuen Projekten vereinfachen. "Damit entstehen verbindliche Regeln für uns, die auf alle regionale Ebenen abfärben werden", sagt Jaksch-Fliegenschnee.

Minimum an Ambition

Die 42,5 Prozent, die die EU mit ihren Erneuerbaren also jetzt bis 2030 erreichen will, sorgten für viel Streit in Brüssel. So hatte die EU-Kommission einen Anteil von 45 Prozent vorgeschlagen, das Parlament unterstützte diese höhere Zielmarke. Den Verhandlerinnen und Verhandlern des Rates war das aber zu viel – man einigte sich auf den Kompromiss. Er muss noch final abgesegnet werden, Änderungen werden aber nicht mehr erwartet.

"Die Vereinbarung bleibt weit hinter dem zurück, was möglich wäre", kritisiert Chris Rosslow von der Denkfabrik Ember. Die 45 Prozent seien ein Minimum an Ambition gewesen, das die EU für eine globale Vorreiterrolle in der Energiewende bräuchte. "Jeder Prozentpunkt zählt. Diese Dekade ist für den Übergang zu Erneuerbaren entscheidend", mahnt Rosslow und verweist auf eine neue Analyse von Ember. Sie zeigt: Die EU sei sowieso auf Kurs, die 45 Prozent seien zu erreichen. "Dieses Ziel ist sogar die wichtigere Marke als die Klimaneutralität 2050, weil wir konkrete Zwischenziele brauchen", meint Rosslow. Schließlich könne das Energiesystem nicht über Nacht umgestellt werden.

Wasserkraftwerke soll in Österreich 2030 mit Abstand am meisten Terrawattstunden liefern. Zuletzt sank die Produktion aber sogar – unter anderem aufgrund von niedrigen Wasserständen.
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Auch Biomasse soll laut österreichischem Ausbauziel weiter forciert werden – allerdings ist das Potenzial hier im Vergleich zu den anderen Erneuerbaren bei weitem am kleinsten.
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Bleibt in Österreich ausreichend Zeit? Ja, meint die IG Windkraft. Sie hat ausgerechnet, dass auf zwei Prozent der österreichischen Staatsfläche ausreichend Windstrom erzeugt werden könnte, um den gesamten Gasverbrauch zu ersetzen. "Auch könnten diese Flächen unter den Windrädern anders genutzt werden, etwa für Landwirtschaft", so Jaksch-Fliegenschnee.

Damit die Nutzung fossiler Brennstoffe tatsächlich auslaufen kann, würden Unternehmen, die Erneuerbare-Anlagen in Betrieb nehmen, allerdings mehr Unterstützung brauchen, fordert Dolna-Gruber. "Fossile sind nach wie vor der Platzhirsch. Für einen Systemwechsel braucht es einen geeigneten Rahmen", sagt er. Der Markt allein könne den Übergang nicht anschieben, es brauche die politische Regulierung und entsprechende Förderung.

Der hohe Druck von EU-Ebene könne jedenfalls einiges anschieben, meint Dolna-Gruber. Nicht zuletzt drohen teure Vertragsverletzungsverfahren, wenn die Ziele verfehlt werden. Um das zu vermeiden, brauche es den schnellen Wind- und PV-Ausbau. Denn sowohl die Wasserkraft als auch die Biomasse – beide halfen Österreich bislang, vergleichsweise wenig fossile Energie im Energiemix zu haben – stoßen an ihre Grenzen. Gerade im Bereich Biomasse bleibe wenig Ausbaupotenzial – gleichzeitig aber viel Nutzungskonkurrenz.

Nach langem Streit gilt die Nutzung von Holz für die Energiegewinnung in der EU auch künftig als erneuerbar.
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Streit über Biomasse

Heute liefert Biomasse knapp über 17 Prozent des Energieverbrauchs in Österreich. Dementsprechend hitzig lief die Diskussion, als auf EU-Ebene debattiert wurde, Biomasse aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auszuschließen. Das Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, Förderungen für Biomasse zu stoppen und die Übernutzung der Wälder zu verhindern.

In den finalen Verhandlungen setzten sich aber die Mitgliedsstaaten, unter anderem Österreich, durch. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) freute sich: "Österreichs Einsatz in Brüssel hat sich gelohnt: Biomasse wird auf EU-Ebene weiter als erneuerbar anerkannt." Ohne sei die Energiewende nicht zu stemmen.

Allerdings gelten strengere Regeln: Etwa darf Holz, das für die Energiegewinnung genutzt wird, nicht aus Wäldern mit großer biologischer Vielfalt stammen genauso wenig wie aus artenreichem Grasland, Feuchtgebieten oder Torfmooren. "Gerade auch diese Regeln verdeutlichen, dass Biomasse eben eine begrenzte Ressource ist", so Dolna-Gruber. Der Fokus müsse jetzt ganz klar auf Wind- und Sonnenkraft liegen – und auf einer viel effizienteren Nutzung von Energie. (Alicia Prager, 6.4.2023)