Das erste Ergebnis fällt vernünftiger aus, als es die unprofessionelle Vorbereitung vermuten ließ. Obwohl die SPÖ für die Bewerbung für den Parteivorsitz erst gar keine und dann leichtsinnig niedrige Hürden festgelegt hatte, blieb letztlich nur das favorisierte Trio Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler im Rennen. Das wird an der Mühe liegen, als Nobody 30 Unterstützungserklärungen zusammenzukratzen – aber auch an später Einsicht, dass die Mitgliederbefragung für fruchtlose Selbstdarstellung zu wichtig ist. Sollte es – wie von Rendi-Wagner-Gegnern gemutmaßt – den Plan gegeben haben, das Votum durch eine Kandidatenschwemme lächerlich zu machen, dann schlug er fehl.

VIDEO: Rendi-Wagner, Doskozil und Babler im Rennen um SPÖ-Vorsitz übrig.
DER STANDARD|APA/kha

Das ist ermutigend – aber nur ein Anfang. Wollen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ihr Experiment nicht als zerstrittener, verbitterter Haufen beenden, müssen sie in den nächsten Wochen – beim Konkurrenzkampf und beim Umgang mit dem Resultat – noch viel mehr demokratische Reife beweisen. Doch da stimmen die ersten Entwicklungen weniger optimistisch.

Rotes Lagerdenken: Max Lercher hat sich bereits entschieden, er unterstützt den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Verliert dieser, will Lercher nicht mehr für den Nationalrat kandidieren.
Foto: Heribert Corn

Offene Auseinandersetzung

Das beginnt beim verschämten Gerede davon, keinen Wahlkampf führen zu wollen, wie dieses im Lager der Titelverteidigerin en vogue ist. Wie denn sonst sollen sich Genossinnen und Genossen an der Basis ein Bild davon machen, was Rendi-Wagner, Doskozil und Babler unterscheidet? Natürlich braucht es dafür eine offene Auseinandersetzung über Positionen und (angebliche) eigene Vorzüge. Nur darf sie eben nicht so untergriffig ablaufen, wie das in allgemeinen Wahlkämpfen eingerissen ist – sondern respektvoll, in geordneten Bahnen.

Nicht minder falsch ist das andere Extrem, das im Team Doskozil zu beobachten ist. Max Lercher, bislang prominentester Unterstützer des Herausforderers, stilisiert die Vorsitzendenkür zur Frage des politischen Lebens oder Todes: Scheitert Doskozil, will der Steirer nicht mehr für den Nationalrat kandidieren. Das ist das verkehrte Signal. Denn in einer lebendigen Partei, in der Führungsfragen nicht mehr im Hinterzimmer ausgeschnapst werden, darf eine Niederlage bei einer Basisentscheidung kein Stigma bedeuten. Gerade für Abgeordnete, denen die Verfassung ein freies Mandat zugesteht, muss es in einer breiten Bewegung auch unter "unerwünschter" Führung Raum geben.

Demokratische Reife

Alles andere führt zu Spaltung und einem kaum zu verkraftenden Aderlass. Für den Fall, dass Rendi-Wagner das Match verliert: Sollen dann etwa all die Frauenvertreterinnen, die hinter ihr stehen, geschlossen der Partei den Rücken kehren? Nicht auszudenken, wo die Wiener SPÖ heute stünde, hätten die Unterstützer Andreas Schieders nach der gegen Michael Ludwig verlorenen Kampfabstimmung um den Bürgermeistersessel einst so gehandelt. Nur weil die Stadtpartei eben nicht nach der Alles-oder-nichts-Logik handelte, ging sie in eine gar nicht so unerfolgreiche Zukunft.

Was die Übung doppelt schwierig macht: Über Wohl und Wehe entscheidet nicht das Verhalten der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten allein. Die Idee der Mitbestimmung setzt auch in der Öffentlichkeit mehr demokratische Reife voraus – angefangen bei den Medien. Fordern Kommentatoren mehr Demokratie in der Parteienwelt ein, brandmarken Unterlegene aber gleichzeitig nach eingeübter Manier als Loser und Auslaufmodelle, dann geben sie der Politik keine faire Chance. (Gerald John, 11.4.2023)