Schwarz-Grün gibt Millionen Euro für Inserate aus, gleichzeitig droht der Presserat finanziell auszuhungern, warnt Alexander Warzilek, der Geschäftsführer des Presserats, in seinem Gastkommentar und betont die Relevanz der Medienethik.

Das Selbstregulierungsorgan der Presse will professionellen Journalismus stärken. Jetzt gerät es mangels ausreichender staatlicher Förderung in finanzielle Not.
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In Zeiten von Fake-News und Verschwörungserzählungen, deren Verbreitung durch die Algorithmen von Facebook, Twitter und Tiktok oft begünstigt wird, möchte man meinen, dass es auf der Hand liegt, den klassischen kritischen und unabhängigen Journalismus zu unterstützen – wo immer das möglich ist. Das neue "Qualitätsjournalismusförderungsgesetz", das im Jänner 2024 in Kraft treten soll, spricht immerhin gleich in Paragraf 1 etwas sperrig von der "Förderung der ... von professionellen Journalistinnen und Journalisten in Verfolgung anerkannter journalistischer Grundsätze und der gebotenen Sorgfalt hinsichtlich Faktizität und Quellenherkunft in Redaktionen geschaffenen Inhalte".

3.372 Fälle hat der Presserat in den vergangen zehn Jahren bearbeitet.

Eine zentrale Stelle zur Stärkung des professionellen Journalismus ist der Presserat, die Selbstkontrolleinrichtung der Zeitungen und Zeitschriften und deren Online-Seiten. Er ist eine unabhängige Beschwerdestelle für die Leserinnen und Leser. Jeder kann unbürokratisch und kostenlos – eine kurze E-Mail reicht aus – einen Zeitungsartikel bei uns melden, der von einem der drei Presseratssenate medienethisch überprüft wird. Entscheidungsgrundlage ist der "Ehrenkodex für die österreichische Presse", der die im Gesetz erwähnten "anerkannten journalistischen Grundsätze" enthält. In den vergangenen zehn Jahren hat der Presserat 3372 Fälle behandelt und in 326 Fällen einen Ethikverstoß festgestellt.

Die meisten medienethischen Fragen, die an die Senate herangetragen werden, betreffen den Persönlichkeitsschutz, aber auch die Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen, die Vermischung von Werbung und redaktionellen Beiträgen sowie die korrekte Berichterstattung über Suizide. Obwohl die Rügen des Presserats in erster Linie Mahn- und Appellcharakter haben, sollte der damit verbundene Reputationsschaden für das betroffene Medium nicht unterschätzt werden.

Finanzielle Not

Auch die Regierung beziehungsweise der Gesetzgeber erkennt die Bedeutung des Presserats im Gesetzesentwurf prinzipiell an. Allerdings wurde der Förderungsbetrag in der Höhe von 150.000 Euro, der seit 2010 nicht erhöht wurde, lediglich auf 187.000 Euro angehoben – und auch das nur, nachdem der Presserat und zahlreiche andere Medienorganisationen während der Begutachtungsphase des Gesetzes die Politik nochmals mit Nachdruck auf die prekäre finanzielle Lage hingewiesen haben.

Für den Weiterbestand des Presserats reicht diese 25-prozentige Erhöhung aus mehreren Gründen nicht aus. Zunächst ist die hohe Inflationsrate anzuführen, die seit 2010 bei knapp 42 Prozent liegt, bis Jänner 2024 ist sogar mit 50 Prozent zu rechnen. Auch die in den Anfangsjahren aufgebauten Rücklagen sind mittlerweile aufgebraucht.

Neue Zuständigkeit

Zudem wünscht sich die Politik im Gesetzesentwurf die Ausweitung der Zuständigkeit des Presserats auf reine Online-Medien. Die neue Zuständigkeit würde zu einem erheblichen Mehraufwand führen.

300.000 Euro bräuchte der Presserat pro Jahr. Weniger, als der Staat täglich für Inserate ausgibt.

Zu seiner langfristigen finanziellen Absicherung braucht der Presserat 300.000 Euro pro Jahr an staatlicher Förderung. Dieser Betrag ist verhältnismäßig gering – insgesamt sind ja für die Medienförderung nach dem neuen Gesetz 20 Millionen Euro vorgesehen. Es drängt sich aber auch noch ein anderer Vergleich auf: Die öffentliche Hand gibt im Jahr geschätzt um die 200 Millionen Euro für Inserate aus. Das sind am Tag 550.000 Euro. Der Presserat benötigt im Jahr weniger, als der Staat täglich für Inserateschaltungen ausgibt.

Die 33 Mitglieder der drei Senate arbeiten strikt ehrenamtlich (sie bekommen auch keine Aufwandsentschädigung). Außer den drei Vorsitzenden sind alle Mitglieder Journalistinnen und Journalisten, die für die Vorbereitung und die Teilnahme an den Presseratssitzungen, die alle ein bis zwei Monate stattfinden, von ihren Arbeitgebern dienstfrei gestellt werden. Dieser Realbeitrag der Medienbranche sollte in der öffentlichen Debatte nicht unter den Tisch fallen. Schließlich leisten auch die Trägerorganisationen einen finanziellen Beitrag (56.000 Euro pro Jahr). Alle Geldmittel werden ausschließlich für den Bürobetrieb der Geschäftsstelle des Presserats verwendet.

Demokratiepolitische Rolle

Gerade jetzt, wo die Medien wegen Chataffären von Chefredakteuren und Medienmanagern in Misskredit geraten sind, wäre es ein fatales Signal, den Presserat finanziell auszuhungern. Die Bewertung von medienethischen Fragen in einem strukturierten Verfahren durch die Presseratssenate ist ein wichtiger Beitrag, um die Glaubwürdigkeit der Medien zu stärken.

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hielt einst fest, dass der Pressefreiheit eine "Fundamentalfunktion der Demokratie" zukommt. Die Politik muss die Pressefreiheit jedoch nicht nur formal gewähren, sondern umfassend absichern. In den vergangenen Jahren haben der Trägerverein und die Senate des Presserats wertvolle Aufbauarbeit geleistet. Es wäre auch aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich, wenn es wegen unzureichender finanzieller Mittel auf dem Gebiet der Medienethik nun zu gravierenden Abstrichen kommen müsste. (Alexander Warzilek, 12.4.2023)