Martin Schläpfer (63), seit 1. September 2020 Direktor und Chefchoreograf des Wiener Staatsballetts, tritt ab.

Jetzt hat er es doch getan. Martin Schläpfer, der 2020 auf Manuel Legris als Leiter des Wiener Staatsballetts folgte, wird seinen Vertrag nach seiner ersten Amtsperiode nicht verlängern und seine Funktion ab Herbst 2025 einem Nachfolger übergeben. Ganz unerwartet kommt dieser Entschluss nicht, seit Schläpfer bei einer Pressekonferenz im Vorjahr die Frage nach seinen Zukunftsplänen auf eine Art nicht beantwortet hatte, die Zweifel an seiner Lust auf eine weitere Direktionsperiode erkennen ließ.

Umstrittene Personalentscheidungen, schlechte Stimmung

Schläpfer gab seine Entscheidung am Mittwoch nach einem Training mit dem Staatsballett der Compagnie bekannt. Sie folgt auf Kritik, die intern geäußert worden sein soll, und auf Unzufriedenheit von Ballettfans und Tanzkritikern. So hatte der sich massiv als Choreograf positionierende Direktor schon zu Beginn hoch umstrittene Personalentscheidungen getroffen und etliche herausragende Tänzerinnen und Tänzer – darunter Natascha Mair und Jakob Feyferlik – nicht weiter in der Compagnie behalten.

Das wohl, um Platz für Tänzer zu schaffen, die er aus dem Ballett am Rhein mit nach Wien nehmen wollte. Generell soll die Stimmung in einem Teil des Ensembles nicht die beste gewesen sein, mit dem Ergebnis, dass sich Stars wie Rebecca Horner und Maria Yakovleva in Sabbaticals zurückzogen.

Nachfolge offen

Von der Kritik, heißt es, habe Schläpfer sich zu wenig verstanden gefühlt. Tatsächlich konnte er v. a. mit seinen omnipräsenten eigenen Arbeiten nicht oft überzeugen. Und der Wiener Compagnie, die klassische Werke ebenso können muss wie moderne, fehlte zunehmend der Glanz, den sie sich unter Legris erkämpft hatte.

Ab jetzt geht es um Schläpfers Nachfolge. Genannt wird etwa Alexei Ratmansky, der Russland 2008 verlassen hatte, familiär mit der Ukraine verbunden ist, sich vehement gegen Russlands Angriffskrieg stellte und derzeit Artist in Residence beim New York City Ballet ist.

Betont gemeinsames Einvernehmen

Der APA, die zuerst darüber berichtete, liegen Statements von Schläpfer als auch Staatsoper-Direktor Bogdan Rošcic vor. "Meine Bewunderung für den Künstler Martin Schläpfer, einen der wichtigsten Choreographen der heutigen Tanzwelt, ist wohlbekannt. Die Ergebnisse seiner Arbeit könnten aber auch wirtschaftlich klarer nicht sein. Das Ballett liegt an der Wiener Staatsoper in dieser Saison bei einer Auslastung von 99 Prozent mit entsprechenden kaufmännischen Resultaten", äußert sich demnach Rošcic. "Ich bedauere ausdrücklich, dass Martin das Angebot eines zweiten Vertrags nicht annehmen kann. Lotte de Beer und ich werden nun die Gespräche zur Besetzung der Position ab dem Herbst 2025 führen."

Schläpfer bekundet indes, er sei dem Staatsballett und Rošcic "in großer Wertschätzung verbunden. Dennoch kann ich sein Angebot, einen weiteren Vertrag abzuschließen, aus ganz persönlichen Gründen nicht annehmen. Ich habe mich damals für fünf Jahre gebunden, denn die doppelte Belastung – als Künstler einerseits und Führungskraft andererseits – ist eine besondere. Nach vielen Jahren an der Spitze von Ballett-Kompagnien werde ich keine vergleichbare Führungsposition mehr annehmen. Wir haben Vieles erreicht und ich freue mich umso mehr auf die bevorstehende Premiere sowie auf die weiteren Projekte der kommenden beiden Spielzeiten." (Helmut Ploebst, 12.4.2023)