"Kurier"-Geschäftsführer Thomas Kralinger verordnet dem Medienhaus einen Sparkurs.

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Wien – Die wirtschaftlich angespannte Lage in der Medienbranche führt zu Sparmaßnahmen und Personalabbau beim "Kurier"-Verlag – der STANDARD berichtete. Die Belegschaft wurde am Donnerstag über entsprechende Pläne informiert. Man werde in den nächsten Tagen Gespräche mit rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über einvernehmliche Vertragsauflösungen aufnehmen, ein Sozialplan sei in Verhandlung, berichtete "Kurier"-Geschäftsführer Thomas Kralinger der APA.

Die kommunizierten Sparmaßnahmen sollen vorerst nur die Redaktionsges.m.b.H betreffen, nicht aber die "Freizeit" oder den Werbevermarkter K-Digital. Das Ressort "Lebensart" soll nach STANDARD-Infos aufgelöst und Inhalte daraus auf andere Ressorts verteilt werden. In "Lebensart" geht es etwa um Kulinarik, Gesundheitsthemen und Personenporträts. Ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem "Lebensart"-Ressort soll anderen Bereichen wie der "Freizeit"-Beilage zugeordnet werden, ein anderer Teil muss gehen.

Kralinger: "Toxische Situation"

Weiters seien eine Reihe von Nichtnachbesetzungen von natürlichen Abgängen und Pensionierungen sowie Kostenreduktionen durch Altersteilzeiten geplant. "Es gibt eine gesamtwirtschaftlich toxische Situation, die am Ende des Tages dazu führt, dass wir in allen Medienunternehmen einen extremen Kostendruck haben, den wir nur durch signifikante Veränderungen des Produkts oder Reduktion der redaktionellen Kosten bewältigen können", so Kralinger. Die inflationsbedingten Kostenerhöhungen könnten weder am Werbemarkt noch am Lesermarkt kompensiert werden. Deshalb müssten alle Medienverlage an den Kosten drehen, "so unangenehm das ist".

Kollektivvertragserhöhung

Der "Kurier" hat rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein konkretes Volumen nannte Kralinger nicht, die geplanten Einsparungen dürften aber über zehn Prozent liegen, reduziert würden Personal- und Sachkosten. "Die Kollektivvertragserhöhung macht bei uns einen siebenstelligen Betrag aus, und ich muss auf jeden Fall diesen Betrag einsparen, weil wir ihn nicht durch Erlöse kompensieren können. So leid es mir tut. Der Abschluss ist aufgrund der Preisentwicklung verständlich, aber schwer zu verkraften", sagte Kralinger. Wie berichtet, werden die Gehälter von Journalistinnen und Journalisten um 8,6 Prozent erhöht.

"Kurier" will Digitalinhalte reduzieren

Die Erhöhung der Medienförderung sei für die Medienverlage eine "wesentliche Hilfe und Unterstützung, aber die Entwicklung auf der Kostenseite ist viel dramatischer", so der "Kurier"-Geschäftsführer. Insgesamt stehe die Printbranche vor großen Umbrüchen. "Unsere Zukunft ist das digitale Abo. Digitale Abos haben andere Herausforderungen als das Gestalten einer Print-Tageszeitung. Dafür müssen wir uns rüsten. Wir müssen in neue Technologien investieren. KI kann bestimmte Tätigkeiten erleichtern und vielleicht auch Personalabgänge ersetzen. Und wir müssen uns vor allem an den Anforderungen eines neueren, jüngeren Lesermarktes orientieren. Wir registrieren derzeit etwa, dass wir digital sehr viel Lesestoff anbieten. Wir werden das Digitalangebot im inhaltlichen Umfang reduzieren und dafür übersichtlicher machen. Selbstverständlich folgt all dies der Devise Digital First und der Paid-Content-Strategie."

RedakteurInnenausschuss hält Maßnahmen für überzogen

Der RedakteurInnenausschuss des "Kurier" hielt die Personalmaßnahmen in einer am Donnerstagnachmittag veröffentlichten Stellungnahme für "überzogen", wenngleich eine "gesunde wirtschaftliche Basis des Unternehmens für die Unabhängigkeit der Berichterstattung" notwendig sei. Aber: "Jeder Stellenabbau schwächt die Redaktion und damit die journalistische Qualität. Es ist nicht einzusehen, dass die Redaktion allein für strukturelle Versäumnisse und wirtschaftliche Fehleinschätzungen seitens des Managements bezahlen muss", heißt es im Statement. Gefordert wurde in Richtung Eigentümer, "gemeinsam mit der Redaktion eine mittel- und langfristige Strategie und Neuausrichtung des Medienhauses zu erarbeiten".

Kralinger kritisiert Dominanz des ORF

Kritik übte Kralinger, der auch Vizepräsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) ist, an den Regierungsplänen zum ORF-Gesetz. Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen dürfe die Schieflage auf dem österreichischen Medienmarkt nicht weiter verstärkt werden. "Der ORF hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. Ich kenne keinen anderen Markt, wo es eine derartige Dominanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt. Der ORF hat künftig eine solide Finanzierung aus der Haushaltsabgabe, 700 bis 800 Millionen Euro, und gleichzeitig sehr viele Möglichkeiten am Werbemarkt. Bei aller Freundschaft und Verständnis für den Wunsch nach Kompromissen, aber den werden wir nicht akzeptieren können", meinte Kralinger in Anspielung auf die laufenden Gespräche über eine Novelle des ORF-Gesetzes.

Textangebot von ORF.at reduzieren

Vor allem das Textangebot von ORF.at ist ihm ein Dorn im Auge. "Solange dieses professionelle und gut gemachte Angebot kostenlos und frei verfügbar ist, wird es uns Qualitätsmedien erschwert, Digitalabos zu verkaufen." Der Verleger fordert deshalb eine "sehr starke Beschränkung des Textangebots. Der ORF soll sich auf Bewegtbild und Radio konzentrieren und sich aus dem Textangebot radikal zurückziehen. Das kann noch eine Minimalerklärung zu Bewegtbildern sein, aber kein zeitungsähnliches Angebot, keine Nachrichtenseite." Auch die Werbemöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Senders sollten laut Kralinger eingeschränkt werden. Nur so könne Medienpluralismus in Österreich gesichert werden.

Rückläufige Zahlen

Nahezu alle heimischen Printmedien haben bei der jüngsten Auflagenkontrolle rückläufige Auflagenzahlen ausgewiesen. So ging 2022 der Aboverkauf inklusive E-Paper-Ausgaben der zehn größten Tageszeitungen um fünf Prozent zurück. Die E-Paper-Verkäufe sind zwar um vier Prozent gestiegen, können die Umsatzrückgänge bei Print aber bei weitem nicht gutmachen. Der "Kurier" kam zuletzt bei der Media-Analyse 2022 auf eine Tagesreichweite von 5,6 Prozent.

Dazu hat die Printbranche seit dem vergangenen Jahr mit massiven Steigerungen bei Papierpreisen und Energiekosten zu kämpfen, und es gibt Probleme beim Vertrieb, weil vielen Verlagen Personal für die Hauszustellung fehlt. Einige Medienhäuser – etwa auch die Styria-Gruppe – haben darauf bereits mit Kostensenkungsprogrammen reagiert. (APA, red, 13.4.2023)