Muhammed Durmaz tritt für eine höhere Zuverdienstgrenze bei der Studienbeihilfe ein. Zum AG-Wahlkampfbudget bleibt er recht vage.

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Die ÖH-Wahl vor zwei Jahren brachte für die Aktionsgemeinschaft (AG) ein schmerzhaftes Ergebnis. Die ÖVP-nahe Fraktion rutschte 2021 mit einem Minus von sechs Prozentpunkten vom ersten auf den dritten Platz in der Gunst der Studierenden ab. Die damalige Spitzenkandidatin und ÖH-Chefin Sabine Hanger wechselte daraufhin ins Generalsekretariat der Jungen Volkspartei. In der ÖH-Exekutive – quasi der Regierung der bundesweiten Studierendenvertretung – bildete sich nach einem kurzen Intermezzo wieder eine linke Koalition, sodass die Aktionsgemeinschaft auf ihre gewohnte Rolle als stärkste Oppositionskraft verwiesen wurde.

Nun will der 26-jährige Muhammed Durmaz die AG zurück an die Spitze führen. Der Tiroler Wirtschaftsrechtsstudent war bereits stellvertretender Vorsitzender der Fakultätsvertretung Jus an der Uni Innsbruck. Für welches Programm tritt er ein, und wie will er seine Rolle im Studierendenparlament anlegen? Im Rahmen einer Serie im Vorfeld der ÖH-Wahl vom 9. bis 11. Mai hat sich Durmaz den Fragen des STANDARD gestellt.

STANDARD: Was sind Ihre zwei wichtigsten Forderungen für die Unis?

Durmaz: Zwei Drittel der Studierenden arbeiten neben dem Studium. Für uns ist klar, dass sich Studium und Arbeit daher endlich auch vereinbaren lassen müssen. Dazu zählt, dass arbeitende Studierende vom Studienbeitrag befreit werden und die Zuverdienstgrenze für den Bezug von Studienbeihilfe erhöht wird.

Unser zweiter Schwerpunkt ist die Digitalisierung der Lehre. Hier sehen wir großes Potenzial im Streaming und der Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen ohne aktive Studierendenbeteiligung – etwa bei Vorlesungen. Laptops und Leihgeräte sollten kostengünstig zugänglich sein, um ein digitales Studium zu erleichtern.

STANDARD: Die AG will fünf statt derzeit vier Prüfungsantritte. Dabei ist das im internationalen Vergleich ohnehin schon viel, warum soll das jetzt noch lascher geregelt werden?

Durmaz: Aus meiner Erfahrung aus den Beratungen in meiner Zeit als Studienvertreter weiß ich, dass es viele Studierende gibt, die den fünften Antritt gebraucht hätten. Es gibt Prüfungen mit enorm hohen Anforderungen und einer ebenso hohen Durchfallquote. Als Studierendenvertreter sehen wir es als unsere Aufgabe, hier zu helfen und Studierenden eine zusätzliche Chance zu bieten.

STANDARD: Was wollen Sie speziell für die FHs erreichen?

Durmaz: Der Studienbeitrag muss in allen neun Bundesländern wegfallen. Gerade in Zeiten der Teuerung sind jährliche Beiträge von über 700 Euro eine zusätzliche Belastung. Ein besonderes FH-Problem sehe ich auch bei der oft mangelhaften Anbindung an das Öffi-Netz. Leider wurde das versprochene 365-Euro-Ticket noch nicht in allen Bundesländern umgesetzt – für die Übergangszeit sollten Fahrgemeinschaften gefördert und kostenlose Parkplätze angeboten werden.

STANDARD: In Ihrem Programm fordern Sie "die Zuverfügungstellung von Gemeindewohnungen für Studierende". Wie ist das gemeint? Es können Studierende unter den geltenden Kriterien ja schon derzeit Gemeindewohnungen beziehen. Wollen Sie etwa, dass alle Studierenden eine Gemeindewohnung bekommen? In Wien gibt es etwa 200.000 Studierende, das wäre schwierig.

Durmaz: Uns geht es hier darum, die Hürden zum Zugang zu Gemeindewohnungen für Studierende abzubauen. Oftmals gilt der Hauptwohnsitz als Voraussetzung für den Anspruch auf Gemeindewohnungen. Der liegt bei vielen Studierenden während ihrer Studienzeit häufig noch am Wohnsitz der Eltern – aus unterschiedlichen Gründen. Daher setzen wir uns für einen erleichterten Zugang zu Gemeindewohnungen für Studierende auch als Zweitwohnsitz ein.

STANDARD: Wie hoch ist das Wahlkampfbudget der AG, und wer finanziert es?

Durmaz: Wir haben kein fixes Wahlkampfbudget, sondern greifen auf die Ressourcen zurück, die wir uns als Verein erwirtschaften. Wir finanzieren den Wahlkampf über unsere Events sowie Sponsorings und Kooperationen.

STANDARD: Die AG betont gerne, sie sei parteipolitisch unabhängig. Die letzte ÖH-Spitzenkandidatin ist aber nach der Wahl direkt auf den Posten der JVP-Generalsekretärin gewechselt, auch sonst sind die ÖVP-Verbindungen intensiv. Warum sagen Sie nicht offen, dass Sie die ÖVP-Studierendenorganisation sind?

Durmaz: Weil wir es schlichtweg nicht sind. Wir sind eine unabhängige Organisation von Studierenden für Studierende. Zwischen uns und der ÖVP gibt es keine strukturellen Verflechtungen, wir entwerfen unsere Forderungen und Positionen unabhängig von jeglichen politischen Parteien. Was einzelne Personen in ihrem Privatleben machen, obliegt mir nicht zu beurteilen – weder während ihrer AG-Zeit noch nach ihrer AG-Zeit.

STANDARD: Sie sind in der Türkei geboren, Sie setzen sich gegen Rassismus und für ein leistungsfreundliches Studienumfeld ein, das das Geldverdienen neben dem Studium erleichtert. Wie stehen Sie zu den Aussagen des ÖVP-Politikers Karl Mahrer, in denen er sich über die migrantischen Unternehmer am Wiener Brunnenmarkt echauffiert?

Durmaz: Ich persönlich kann die Aussagen nicht nachvollziehen. Wir setzen uns dort, wo es in unserem Kompetenzbereich liegt, für ein diskriminierungsfreies Umfeld ein – und das sind hauptsächlich unsere Hochschulen. Es ist aber nicht meine Aufgabe, diverse Aussagen von Politiker:innen zu bewerten oder zu thematisieren, die nichts mit meinem Wirkungsbereich zu tun haben.

STANDARD: Welche Note geben Sie der Hochschulpolitik von Minister Martin Polaschek?

Durmaz: Einen Vierer. Der Minister war zwar gesprächsbereit und bemüht, Lösungen zu finden, dennoch bleiben viele Bereiche offen, in denen noch großer Handlungsbedarf besteht – besonders beim Lehramtsstudium und der Vereinbarkeit von Studium und Arbeit.

STANDARD: Mit wem würden Sie (k)eine Koalition eingehen?

Durmaz: Wir sind grundsätzlich bereit, mit allen zu reden. Mit dem RFS kann ich mir aber keinesfalls eine Koalition vorstellen. Klar ist auch, dass es mit den weit links stehenden Fraktionen – insbesondere den kommunistischen Gruppen – sehr schwierig werden würde. (Theo Anders, 18.4. 2023)