Eines dürfte feststehen: Der Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich, insbesondere in der Pflege, wird zu dramatischen Zuständen in Österreichs Spitälern führen. Schon jetzt erleben Patientinnen und Patienten immer öfter verschobene Operationen, stundenlange Wartezeiten bei Behandlungen oder eine mangelhafte Betreuung – und das, obwohl das Gesundheitspersonal im Rahmen seiner Möglichkeiten am Limit arbeitet. Dieser Zustand aber ist möglicherweise erst der Anfang einer noch schlimmeren Entwicklung.

Ärzte aus der Klinik Ottakring haben eine Gefährdungsanzeige eingereicht. Sie warnen damit vor einem temporären "potenziellen Ausfall" der Notaufnahme.
Foto: Toppress/Karl Schöndorfer

Hellmut Samonigg, der Rektor der Med-Uni Graz, war am Mittwoch deutlich genug: Akut gelinge es gar nicht, die Situation in den Spitälern gravierend zu verbessern, sagte er. Es gehe höchstens darum, die Abwärtsspirale zu stoppen. Wenn nicht rasch von der Politik, aber auch der ärztlichen Standesvertretung eingegriffen werde, drohe das "System zu kollabieren". In einer Wiener Gefährdungsanzeige verweisen Wiener Oberärzte auf einen "nicht nur drohenden, sondern bereits bestehenden Zusammenbruch" der ausreichenden Patientenversorgung.

Beispiele gefällig? Ende Dezember 2022 ist es laut verschriftlichten Situationsberichten von medizinischem Personal in der Notaufnahme der Klinik Ottakring zu einem "vermeidbaren Herz-Kreislauf-Stillstand" eines Patienten gekommen, weil die erste Begutachtung zu lange dauerte. Eine knapp 90-jährige Patientin aus einem Pflegeheim musste 6,5 Stunden bis zur ärztlichen Erstbegutachtung auf einer Liege warten – mit schmerzhaften Druckgeschwüren am Steißbein. Andere Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme konnten zudem wegen Bettenmangels nicht stationär untergebracht werden, obwohl dies eigentlich laut der Einschätzung von Ärzten notwendig gewesen wäre.

Die politisch Verantwortlichen im Bund und in den Ländern sind in Schockstarre verfallen. Eigentlich müssten sie öffentlich einräumen, dass eine medizinische Versorgung so wie bisher gewohnt mittelfristig nicht sichergestellt ist – damit sich die Bevölkerung darauf einstellen kann. Ein Bemühen, die Situation für die Zukunft zu verbessern, ist nur in Ansätzen erkennbar. Um medizinisches Personal nicht nur händeringend zu suchen, sondern auch zu finden, sind neben dem Ausbau von Ausbildungsplätzen und Anwerbe-Initiativen weitere Maßnahmen nötig: An einer Anhebung der Entlohnung wird kurzfristig angesichts des Personalengpasses kein Weg vorbeiführen.

Rund um die aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen hat es zwischen Bund und Ländern noch keine ernsthaften politischen Gespräche zur Reform des Gesundheitswesens gegeben, beschwerte sich Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Die Wiener Ärztekammer beschwert sich hingegen, dass Hacker seit fast zwei Monaten keine Zeit für Verhandlungen mit der Standesvertretung hat. Politisches Taktieren ist in dieser Situation völlig unangebracht. (David Krutzler, 19.4.2023)