Das ATH-M50xSTS ist eigentlich ein Studiokopfhörer, der zu einem Streaming-Headset umgebaut wurde.

Foto: DER STANDARD, Zellinger

Audio-Technica ist eigentlich in der Musikbranche tätig, und die Produkte der Japaner fand man bislang üblicherweise eher im Fachgeschäft als in der Gamingabteilung der großen Elektronikmärkte. Die Overear-Kopfhörer ATH-M50x gehören quasi zur Fixaustattung im Tonstudio. Doch nun will das Unternehmen in den Gaming-Markt einsteigen, und dafür wurde der Kopfhörer um ein Mikrofon erweitert – fertig ist das Headset für die geneigte Spielerschaft. Doch dem Firmenleitbild bleibt man treu, und man versucht auch hier, ein Kundensegment mit professionellem Anspruch zu bedienen. So wird das nun etwas sperrig benannte ATH-M50xSTS für Streamerinnen und Streamer sowie Creator vermarktet. Kein Wunder: Das STS steht für "Stream Set".

Doch bevor wir zu den Gaming- und Streaming-Qualitäten kommen, ein kurzer technischer Exkurs: Das STS gibt es in der Variante mit USB-Anschluss oder wahlweise mit Klinkensteckern. Für unseren Test verwenden wir die USB-Variante. Praktischerweise liegt in der Packung auch ein Adapter von USB-A auf USB-C bei, was die Einsatzmöglichkeiten des Stream Set deutlich erhöht – es soll ja Creator geben, die primär mit dem Smartphone arbeiten.

Ein lautes Knacken

Der erste haptische Eindruck geht in Ordnung. Das verbaute Plastik wirkt zwar nicht unbedingt wie der hochwertigste Kunststoff, aber die Konstruktion macht insgesamt einen soliden Eindruck und die Verarbeitungsqualität scheint dem Premium-Anspruch gerecht zu werden. Nur bei den Gelenken an den Ohrmuscheln sind wir uns nicht sicher, ob sie ein ständiges Einklappen in die platzsparende Position unter dem Kopfbügel nicht irgendwann in Form eines Bruchs im Plastik rächt – zumindest legt das laute Knacken nahe, welches das Gelenk gerne von sich gibt. Aber das mag ein subjektiver Eindruck sein, jedenfalls hat der Mechanismus den zweimonatigen Testeinsatz ohne Schäden gut überstanden.

Klappt man die Ohrmuscheln ein, gibt das Gelenk ein lautes Knacken von sich.
DER STANDARD, Zellinger

Polster für die Ohren

Das Streamset wird darüber hinaus mit zwei Paar Ohrpolstern ausgeliefert. So liegen die klassischen Kunstlederüberzüge sowie eine Mikrofaservariante in der Schachtel. Im Test hat sich die Stoffversion klar als Favorit herausgestellt, zumindest kam es im Testzeitraum kein einziges Mal vor, dass wir den Kopfhörer abnehmen mussten, weil die Ohren schwitzten oder unerträglich heiß wurden. Das Material der Stoffpolster erwies sich als erfreulich schmutzabweisend. In der mit drei Katzen bevölkerten Testumgebung ist das ein wichtiger Faktor, denn andere Modelle zogen Tierhaare magisch an und waren binnen kürzester Zeit unansehnlich.

Der Lieferumgang beinhaltet ein Paar zusätzliche Ohrpolster sowie einen USB-Adapter.
DER STANDARD, Zellinger

Versprechen in Studioqualität

Verbaut sind 45-mm-Großmembrantreiber mit Schwingspulen aus kupferbeschichtetem Aluminiumdraht. Das soll dazu führen, dass die Spule besonders leicht ist und damit frei schwingen kann. Im hochfrequenten Bereich hat dies den Vorteil, dass die Spule nicht durch ihre eigene Trägheit gebremst wird. Audio-Technica nennt diese Technik CCAW, was für Copper Clad Aluminium Wire steht. Dieser soll über die Leitfähigkeit von Kupfer verfügen, aber nur das Gewicht von Aluminium auf die Waage bringen. Das Nierenmikrofon wirkt auf den ersten Blick wenig spektakulär, verspricht aber solide Technik der Kondensatormikrofone der 20er-Serie des Herstellers. Ein fettes Technikpaket, auch wenn es keine Abschirmung von Umgebungsgeräuschen gibt.

Klanglich top

Klanglich haben die Japaner nicht zu viel versprochen und liefern ein fein abgestimmtes Hörerlebnis. Zum Testen empfehlen wir "Phantom Divine" von Kamelot. Das Grollen der Drums am Anfang und das Gitarren-Shredding bei Minute 0:55 wirken mit dem Stream Set glasklar. Der mehrstimmige Gesang und die Doublebass ab 1:56 bescheren uns im Test ein wenig Gänsehaut. Großartig!

Das Bass wirkt kraftvoll, ohne zu übersteuern. Nicht falsch verstehen: Der Bass in "Pump It" von Electric Callboy hämmert immer noch brachial ins Trommelfell, aber eben ohne den Gehörgang mit dumpfem Wummer-Teppich zu martern. Nur eine Randbemerkung: Tatsächlich scheint sich die Industrie langsam von völlig absurd überdrehten Bässen zu verabschieden. Zumindest treten Tieftöner-Exzesse in jüngster Zeit gefühlt weniger häufig auf.

Das Mikrofon rockt

Doch das Stream Set ist eigentlich nicht zum Musikhören da, sondern für Zockerinnen und Zocker mit Zeigebedürfnis auf Twitch und Co. Hier überrascht vor allem das Mikrofon. Eine solche Klangqualität hätten wir in dem kleinen Knubbel gar nicht erwartet. Wichtig ist, dass man das Mic aber nahe am Mund platziert. Hier macht sich ein kleines Manko bemerkbar: Der Schwenkarm ist für den riesigen Tester-Schädel eine Spur zu kurz. Dennoch, was das Mikrofon abliefert, ist bemerkenswert und sucht im Gaming-Bereich seinesgleichen und würde sich wohl auch in der Aufnahme eines Podcasts ganz passabel schlagen. Hier ein Vergleich zwischen dem Stream Set von Audio-Technica, dem Roccat Pro Air und einem Auna Mic CM900 Kondensatormikrofon.

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Größe: 0,69 MB

Der Vergleich zwischen dem Mikrofon des ATH-M50xSTS, dem des Roccat Syn Pro Air sowie dem Auna Mic CM900.

Das Kreuz mit dem Rad

Kein Test kommt ohne eine zünftige Nörgelei aus, im Fall des Audio-Technica fällt diese aber kurz aus. Es gibt keine Möglichkeit, die Lautstärke am Headset selbst zu regulieren. Zwar befindet sich auf der Rückseite der linken Ohrmuschel ein kleines Stellrad, dieses dient aber dazu, die Nebenton-Lautstärke des Mikrofons zu regeln. Das soll laut dem Hersteller für eine natürliche Gesprächsumgebung sorgen. Das ist nett, aber uns wäre ein Lautstärkeregler lieber gewesen. Dazu kommt, dass das Stellrad an sich auch noch gedrückt werden kann, um den Nebenton ein- und auszuschalten. Dieses Steuerelement ist aber so winzig ausgefallen, dass die Anpassung in nervige Fummelei ausartet. Tipp: Einmal einstellen und nicht mehr angreifen.

Das Rädchen für die Nebenton-Einstellung ist gar winzig geraten.
Foto: DER STANDARD, Zellinger

Fazit und Preis

Ich muss zugeben, ich habe anfangs nicht viel vom Stream Set erwartet und der innere Schweinehund hat laut "Nicht noch ein Kopfhörertest" geschrien. Nach zwei Monaten möchte ich das Headset aber nicht mehr missen, und das liegt nicht nur an den klanglichen Qualitäten. Es wäre aufgrund der Vorgeschichte von Audio-Technica als Studioausstatter auch höchst verwunderlich, wenn sich das Gerät in diesem Bereich eine Blöße geben würde.

Wirklich erstaunt bin ich aber vom Mikrofon, das in einer ganz eigenen Liga spielt und die meisten Gaming-Headsets mühelos hinter sich lässt. Das macht das ATH-M50xSTS zum Rundum-sorglos-Paket für Streamerinnen und Streamer, die auf ein Extramikrofon verzichten wollen. Im Einsatz für Casual-Gaming und für ein wenig Konversation über Discord greife ich dennoch lieber zu einem kabellosen Headset, weil ich die Bewegungsfreiheit schätze und die Einbußen beim Klang verschmerzbar sind.

Habe ich jedoch Lust auf fetten Klang und will gleichzeitig stimmgewaltig über meine Pixel-Gegner fluchen, dann werde ich auch in Zukunft gerne zum Stream Set aus Japan greifen. Professionelle Anwender wie Creator werden die Qualitäten auf jeden Fall zu schätzen wissen. Nur den Nebenton-Schalter für das Mikrofon verstehe ich nicht ganz, aber den kann man auch ignorieren, da sich der Verlust in Grenzen hält. Zum Schluss hätte ich noch gerne über den Preis genörgelt, aber angesichts der Qualitäten sind 199 Euro zwar kein Schnäppchen, aber durchaus gerechtfertigt. (Peter Zellinger, 21.4.2023)