Eine Familie, ein Kind und eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Der Platz wird langsam knapp, das Kind braucht bald einen eigenen Raum. Also soll eine größere Wohnung her. Doch bald kommt vielleicht noch einmal Nachwuchs, also sollen es statt der zwei gleich vier Zimmer sein. So weit die Wunschvorstellung. In der Realität gestaltet sich die Suche nach einer leistbaren Vier-Zimmer-Wohnung auf dem Wiener Wohnungsmarkt mehr als schwierig – bis unmöglich. Hinzu kommt, dass viele Menschen sich Eigentum nicht mehr leisten können und dadurch der Druck auf den Mietmarkt weiter steigt.

In Neubauprojekten machen Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern meist nur einen kleinen Anteil des Wohnungsmixes aus. Demnach sind sie sehr begehrt und meist innerhalb weniger Tage vergeben, berichten Makler.

Leistbare Wohnungen für Familien gibt es fast nur im geförderten Segment. Die Nachfrage ist zuletzt gestiegen, die Wartelisten sind lang.
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Wer sich auf Immobilienportalen auf dem freien Markt umsieht, findet viele Vier-Zimmer-Wohnungen, die mindestens 90 Quadratmeter, viele sogar 100 bis 120 Quadratmeter haben und nicht selten auch eine luxuriöse Ausstattung. Für junge Familien ist das kaum leistbar.

Bei den gemeinnützigen Bauträgern werden sie schon eher fündig. 70 oder 80 Quadratmeter haben die Wohnungen hier, in einem Baugruppenprojekt haben die Architekten sogar auf 68 Quadratmetern vier Zimmer untergebracht – mit einer Tür auf jeder Seite des acht Quadratmeter großen Schlafzimmers, sodass man von beiden Seiten aus dem Bett steigen kann, erklärt Architektin Ursula Schneider von POS Architecture. In den meisten kompakten Vier-Zimmer-Wohnungen seien die Kinderzimmer zehn bis elf Quadratmeter groß, das reiche in der Regel aus, sagt Schneider. Tatsächlich spielt die Zahl der Quadratmeter für viele Familien keine Rolle, so lange es vier Zimmer gibt, in denen man die Tür zumachen und sich zurückziehen kann.

Wohnflächen einbremsen

Doch wenn es diese raumsparenden Ideen gibt, warum werden sie nicht häufiger umgesetzt? Das war nicht immer so. Vor etwa 20 Jahren seien in den meisten Bauprojekten nur etwa zehn Prozent der Wohnungen als kleine Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen gebaut worden, berichtet Karl Wurm, ehemaliger Obmann des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen.

Doch mit den gestiegenen Wohnkosten und weil die öffentliche Hand es sich zum Ziel gemacht hat, die Wohnflächen einzubremsen, sind die sogenannten Smart-Wohnungen im geförderten Wiener Wohnbau entstanden, die besonders kompakt und leistbar sind. Gleichzeitig hätten auch private Bauträger für den freien Markt vor allem kleine Wohnungen produziert, weil diese aufgrund der geringeren Kosten bei Anlegerinnen gut ankommen und schnell verwertet werden können. "Jetzt sind wir an genau dem Punkt, vor dem wir schon lange gewarnt haben – kleine Wohnungen gibt es zu viele, und die großen fehlen", sagt Wurm. Vor allem junge Familien würden darunter leiden: "Ab einem gewissen Alter brauchen Kinder einen Rückzugsort. Dass Familien in einer Wohnung leben können, die groß genug ist, ist meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung wie ein gutes Betreuungsangebot."

Eine smarte Vier-Zimmer-Wohnung auf dem Lebenscampus Wolfganggasse der WBV-GPA. Hier gibt es sogar einige Fünf-Zimmer-Wohnungen.
Foto: WBV-GPA

Auch Cilli Wiltschko, Leiterin der Projektentwicklung bei der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA), erklärt: "Früher haben die gemeinnützigen Bauträger den größten Teil der Neubauten errichtet. Mittlerweile haben uns die Gewerblichen überholt. Sie haben die Assetklasse Wohnen übernommen, weil man damit Geld machen kann." Vor allem Familien und jene, die eine größere, aber leistbare Wohnung brauchen, leiden darunter. Die Gemeinnützigen würden hingegen weiter für die Mieterinnen produzieren und nicht für Anleger. Der WBV-GPA sei es wichtig, für alle etwas im Angebot zu haben. So sind etwa am Lebenscampus Wolfganggasse in Wien-Meidling auch Fünf-Zimmer-Wohnungen entstanden, etwa für Mehrkind- und Patchworkfamilien. Die Nachfrage war groß.

Bei der Planung eines Projekts gehe es der WBV-GPA vorab auch darum, den Bedarf am Standort zu ermitteln. Meist haben 40 Prozent der Wohnungen eines oder zwei Zimmer, und 60 Prozent haben drei oder vier. Wichtig sei auch, die Nachbarschaft zu kennen. So hat die WBV-GPA etwa in ihrem Wohnturm The One in St. Marx ebenfalls größere Wohnungen untergebracht. Weil es in den Nachbartürmen der Buwog und des Österreichischen Siedlungswerks vor allem kleine Anlegerwohnungen gibt, habe man so einen guten Mix erreichen können, sagt Wiltschko. Die gestiegene Nachfrage nach Wohnungen mit vier oder fünf Zimmern der letzten Jahre führt man bei der WBV-GPA auf den Zuzug nach Wien zurück.

Grundriss entscheidend

"Nicht die Größe ist entscheidend, sondern der Grundriss", sagt auch Isabella Jandl, Prokuristin beim Wohnservice Wien, das ein Drittel aller geförderten und die Hälfte der Smart-Wohnungen in Wien vergibt. Bei der Wohnberatung Wien sei durch Homeoffice insgesamt ein Bedarf nach mehr Wohnfläche bemerkbar geworden. "Dieser muss aber nicht unbedingt in der Wohnung stattfinden, vor allem weil das für viele Familien nicht leistbar wäre", sagt Jandl und nennt einige Projekte als Beispiel, in denen es gemeinschaftlich genutzte Spielräume oder wohnungsnahe Arbeitsbereiche gibt.

Doch nicht nur Jungfamilien haben derzeit Schwierigkeiten. Da nun die Preise und die Kreditzinsen gestiegen sind, verkaufen sich auch Anlegerwohnungen nicht mehr so gut, und Bauträger bleiben darauf sitzen. Manche reagieren auf die Situation und planen um. Etwa das Unternehmen Moser Immobilien, das in der Rauchfangkehrergasse im 15. Bezirk Wohnungen errichtet. Zum Zeitpunkt der Planung seien vor allem kleinere Stadt- und Vorsorgewohnungen nachgefragt gewesen, sagt Nicole Schuster von Piment Immobilien, die mit der Vermarktung beauftragt ist. Recht schnell hätten sich Paare aus der Umgebung gemeldet und große Wohnungen angefragt, die jedoch ursprünglich nicht vorgesehen waren. Daher wurde vom Bauträger die Möglichkeit geschaffen, mehrere Zwei-Zimmer-Wohnungen zu Vier-Zimmer-Wohnungen zusammenzulegen. "Wir planen das immer schon mit. Bis zum Baustart können wir den Wohnungsmix dadurch noch anpassen", sagt Wolfgang Ullmann von Moser Immobilien. Die Besonderheit: Die zusammengelegte Wohnung verfügt über zwei Balkone und zwei Badezimmer.

Beim Projekt Lilie von Moser Wohnbau in der Rauchfangkehrergasse im 15. Bezirk können zwei kleine Wohnungen zusammengelegt werden.
Foto: Moser Immobilien

Auch die Firma Glorit, die vor allem Wohnungen im oberen Preissegment errichtet, hat bemerkt, dass sich der Bedarf zuletzt verändert hat. "Zu der Zeit vor einem oder eineinhalb Jahren, als die meisten unserer aktuellen Projekte geplant wurden, waren Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen so gefragt wie noch nie", sagt Vertriebsleiter Björn Lipski. Der Fokus liege nach wie vor auf der Errichtung von Drei-Zimmer-Wohnungen, dahinter lagen jahrelang die Zwei-Zimmer-Wohnungen. Mittlerweile habe sich das gedreht, und Vier-Zimmer-Wohnungen würden am zweithäufigsten nachgefragt. Glorit plant, demnächst auch in den Mietmarkt einzusteigen, und hier sei "eine absolute Überschwemmung mit Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen zu beobachten. Wenn wir hier starten, werden es daher vor allem Vier-Zimmer-Wohnungen sein", sagt Lipski.

Auch bei EHL hat man beobachtet, dass das Angebot an Vier-Zimmer-Wohnungen derzeit eher knapp sei. Bis vor kurzem hätten viele Wohnprojekte zu 80 Prozent aus Zwei-Zimmer-Wohnungen bestanden. "Da Grundrisse zuletzt noch effizienter geworden sind, können sich Jungfamilien Wohnungen mit vier Zimmern, die dann etwa 80 oder 85 Quadratmeter haben, wieder eher leisten", sagt Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen. Hierfür wird vor allem an Nebenflächen gespart, etwa Vorräumen oder Gängen. Beim Projekt Park in Sicht in Penzing waren vier von 50 Wohneinheiten Vier-Zimmer-Wohnungen und allesamt in kürzester Zeit verkauft.

Weitersuchen

Obwohl Bauträger langsam auf die Bedürfnisse der Wohnungssuchenden eingehen, ist vor allem im gewerblichen Segment fraglich, ob sich Familien auf dem freien Wohnungsmarkt je eine Vier-Zimmer-Wohnung werden leisten können. Laut Wiltschko ist schon jetzt das Phänomen des Überbelags wieder da, also etwa dass Eltern im Wohnzimmer schlafen müssen. "Das bedeutet einen gesellschaftspolitischen Rückschlag", sagt sie. Vielen Familien bleibt derweil wohl nichts anders übrig, als weiterzusuchen. (Bernadette Redl, 21.4.2023)