Unbestritten hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit seiner jüngsten Vorliebe für E-Fuels ein Thema gesetzt. Der grüne Koalitionspartner ist angemessen erzürnt, das ist gut für die Abgrenzung. Man zeigt der Bevölkerung auf dem Lande, die ihr Auto braucht und großteils sehr mag, dass man ihr, Klimawandel hin oder her, sicher nicht den geliebten Verbrenner wegnehmen wird. Das ist auch im Hinblick auf die kommenden Wahlen gut. Man weiß ja nie.

Karl Nehammer diese Woche beim Besuch des BMW-Werks in Steyr. Dort schwenkt man auf E-Mobilität um. Beim Autogipfel trat der Bundeskanzler für E-Fuels ein.
Foto: Christian Fischer

So weit, so kurzfristig sind die wirtschaftspolitischen Überlegungen Nehammers. Weitergehende Pläne sind nicht bekannt. Hier beginnt das Problem der Wirtschaftspartei ÖVP. Ihr droht die wirtschaftspolitische Kompetenz abhandenzukommen. Genau die erwarten aber Wählerinnen und Wähler – und jene Wirtschaftskreise, auf deren Wohlwollen und Unterstützung die ÖVP seit Jahrzehnten baut.

Um beim aktuellen Beispiel zu bleiben: Sich an der Frage abzuarbeiten, wie technologieoffen die österreichische Regierung an die bahnbrechenden Entwicklungen in der Mobilitätsbranche herangeht, ist Kleinkram. Denn die Antwort ist hoffentlich selbstverständlich: maximal offen – alles andere wäre töricht. E-Fuels werden in bestimmten Bereichen nötig sein, aber am Ende wird sich emissionsfreie Mobilität durchsetzen.

Viel wichtiger wäre zu klären: Was ist künftig von Österreichs Rolle im automotiven Bereich? Wohin wollen wir, wo streben wir Marktführerschaft an? Welches technologische Know-how braucht es dafür, und wie stellen wir es her?

Weichen stellen und Schienen legen

Die Autobranche ist nur ein Bereich von Österreichs Wirtschaft, und sie ist mit disruptiven Erscheinungen konfrontiert, etwa durch die sich rasant entwickelnde künstliche Intelligenz (KI). Wird man hier nur nachhoppeln, oder können österreichische Unternehmen nach der Transformation ganz vorn mitspielen?

Die Politik müsste dort Weichen stellen und da Schienen legen, wo sie Unternehmen auf ihrem Weg in die Zukunft unterstützen kann. Denn Industrie und Wirtschaft sind ohnehin viel fortschrittlicher und beweglicher als die Politik. Sie wissen besser, welche Märkte sie in Zukunft erobern wollen und können. Dabei muss Politik hilfreich sein. Sie muss gute Rahmenbedingungen schaffen, Bürokratie kappen, Reformen angehen statt hinauszögern. Frisches Fördergeld für Zukunftstechnologien in die Hand zu nehmen kann auch nicht schaden. Die 600 Millionen, die Nehammer derzeit ständig beschwört, sind seit Oktober Teil des Budgets. Österreich kann dem Inflation Reduction Act der USA mit gigantischen 370 Milliarden Dollar an Fördergeldern nichts ähnlich Massives entgegensetzen. Aber es kann Nischen suchen – und die Politik muss den Unternehmen dabei helfen.

Nun ist die ÖVP nicht allein in ihrer offensichtlichen Planlosigkeit. Allen Parteien in Österreich fehlt es an Weitblick. Ebenso mager fällt die Bilanz für die Europäische Union aus.

Nehammer hätte viel zu tun: als Kanzler, als Vertreter Österreichs in der EU, als Chef der Wirtschaftspartei ÖVP. Wenn er denn mehr wollte als gute Umfragen für die nächste Wahl.(Petra Stuiber, 22.4.2023)