Noch schlechter kann man ein Geheimnis kaum hüten. "Recht bald" werde er ins Rennen um das Weiße Haus einsteigen, sagte US-Präsident Joe Biden vorige Woche in Irland. Zuvor schon hatte er bei einem Osterfest im Weißen Haus wissen lassen, dass er zwar antreten werde, dies aber derzeit noch nicht ankündigen könne. Diesen "Nichtankündigungen" folgt die echte Ankündigung: Nächste Woche, melden gut informierte US-Medien, soll es so weit sein.

Tritt US-Präsident Joe Biden für eine zweite Amtszeit an? Das gilt in Washington als offenes Geheimnis.
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Ein zweiter Antritt Bidens wäre das Produkt einer Mogelpackung. Im Wahlkampf 2020 verkündete er noch, er wäre als Präsident gern "eine Brücke" zur nächsten Generation. Das Publikum verstand das als Hinweis darauf, dass der damals 77-Jährige nur eine Amtszeit plane. Nun gibt Biden, mittlerweile 80, zu verstehen: Die Aussage von damals war eher philosophisch zu verstehen oder, weniger weihevoll gesagt, als Wahlkampftaktik. Sie sollte jene beruhigen, die sich angesichts von Bidens fortgerücktem Alter Sorgen machten.

Diese Ängste sind gewiss nicht kleiner geworden. Im Fall einer zweiten Angelobung wäre Biden 82, beim Ausscheiden aus dem Amt 86. Das wäre, mit Abstand, Rekord. Und man kann auch nicht sagen, dass die Jahre an Biden spurlos vorübergegangen wären: Noch mehr als früher verhaspelt er sich in Sätzen, lehnt müde an Mikrofonen, sagt Dinge, bei denen man nicht sicher ist, ob er sie absichtlich bekanntgibt. Und die biologische Uhr tickt. Wie es ihm 2028 geht, weiß keiner.

Allerdings: Bidens Regierungsführung legt, jedenfalls bisher, nicht nahe, dass diese Sorgen begründet sind. Und wer seinen Antritt kritisiert, müsste jedenfalls bessere Alternativen nennen. Diese gibt es, glaubt man Umfragen, bei den Demokraten aktuell nicht – das gilt für das erwartbare Duell mit Donald Trump und auch für mögliche Rennen gegen andere Republikaner. Biden bleibt daher die beste schlechte Wahl. (Manuel Escher, 21.4.2023)