Das Wahlarztsystem wächst und wächst. Vielen ist das recht: Für Ärztinnen und Ärzte ist damit eine Möglichkeit entstanden, sich mehr Zeit zu nehmen für Einzelne – wo und wann sie wollen, um ein Honorar ihrer Wahl. Alles ohne den bürokratischen Aufwand, den ein Kassenvertrag mit sich bringt, der unter anderem den Praxisort, die Öffnungszeiten und die Tarife vorgibt.

Patientinnen und Patienten, die auf das Kassensystem angewiesen sind, brauchen vor allem auch eines: viel Geduld.
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Aber auch Patientinnen und Patienten mit genügend Einkommen und/oder einer Zusatzversicherung freuen sich über das breite Angebot ohne lange Wartezeiten. Die Sozialversicherung erspart sich etwas: Denn viele reichen die Rechnungen nie ein, und wenn doch, zahlt die Kasse maximal 80 Prozent des Kassentarifs. Ja, selbst Spitalsbetreibern kommt das System bis zu einem gewissen Grad zugute, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nebenher noch eine Wahlarztordination betreiben und sich damit das Gehalt aufbessern können.

Das prächtige Gedeihen des Wahlarztsystems hat aber viele Lücken kaschiert, die im Kassenbereich aufgegangen sind. Und so wurde es lange verschlafen, den Kassenbereich aufzubessern und an die Bedürfnisse der Medizinerinnen und Patienten anzupassen. Daher braucht es nun beides: bessere Bedingungen bei Kassenverträgen, aber auch eine umsichtige Regulierung des Wahlarztsektors. Sonst geht die Schere zwischen beiden weiter auf und zerstört das solidarische Gesundheitssystem, das hochwertige Versorgung für alle vorsieht. (Gudrun Springer, 27.4.2023)