Von links außen bis Mitte-links: Kay-Michael Dankl (KPÖ), Elke Kahr (KPÖ), Andreas Babler (SPÖ) und Dominik Wlazny (Bierpartei).
Foto: Collage: STANDARD / Lukas Friesenbichler; Fotos: Imago / Manfred Siebinger, APA / Erwin Scheriau

Das hatten die Blauen nicht auf der Agenda. Dürfte reichlich frustrierend gewesen sein. Da legt die FPÖ bei der Salzburg-Wahl einen ordentlichen Wahlerfolg hin, wird zweitstärkste Partei – und kaum jemand interessiert sich an diesem Abend wirklich dafür.

Alle Spots waren an jenem Wahlsonntag auf die eigentliche Sensation gerichtet, den 34 Jahre alten Kay-Michael Dankl, der die Minipartei KPÖ von 0,4 auf 11,7 Prozent katapultierte. In der Stadt Salzburg holte der eloquente Ex-Grüne Dankl gar 21 Prozent und die zweitstärkste Position und steht damit bereit für ein Bürgermeisterduell bei den Gemeinderatswahlen 2024.

Nationalratswahlen 2024

Noch am Wahlabend ging das Gespenst um in Österreich: Was, wenn diese KPÖ auch bundesweit bei den Nationalratswahlen 2024 antritt? Nachdem sie in Graz mit Elke Kahr schon den Bürgermeistersessel erobert und jetzt diesen Coup in Salzburg gelandet hat, lässt dies erahnen, dass links der Mitte noch viel Potenzial aktivierbar ist.

Wenn etwa in Wien Dominik Wlazny, vulgo Marco Pogo, der Ex-Präsidentschaftskandidat, mit seiner prononciert linken Bierpartei einstiege und auch der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, der seiner SPÖ einen definitiv linken Kurs verordnen will, in dieses Lager dazustieße, könnte sich da eine linke Alternative in Österreich zusammenbrauen? Mit einer KPÖ als Role-Model?

Auf regionaler Ebene, in Graz und Salzburg, hat die KPÖ jedenfalls funktioniert. Der Erfolg wäre aber – was die Sache natürlich relativiert – ohne die Persönlichkeiten an der Parteispitze nicht denkbar. Bei den Kärntner Landtagswahlen oder in Tirol blieb die KPÖ unter "ferner liefen". In keinem der beiden Bundesländer und auch nicht in Niederösterreich konnten die Kommunisten eine Galionsfigur der Marke Kahr oder Dankl aufbieten.

Marxistisches Dogma

Der Siegeszug der KPÖ findet bisher auf kleiner regionaler Bühne statt. Da geht es um den leistbaren Alltag, um günstiges Wohnen, um ein Bad für jede Gemeindewohnung, um Hilfe für Bedürftige oder schlicht um Wildblumenaktionen in der Stadt. "Wir wollen den Menschen zu ihren Rechten verhelfen, treten für eine sozial gerechte Welt ein, jeder Mensch sollte die gleichen Chancen haben", sagt Elke Kahr. Klingt alles wichtig und sympathisch, führt aber auch zur Frage: Wie kommunistisch ist sie eigentlich noch, die KPÖ?

Bei all dem freundlichen linken Erscheinungsbild ist die Partei nach wie vor ideologisch tief verwurzelt, ihr politisches Handeln orientiert sich am marxistisch-methodischen Überbau. Das Parteiprogramm der steirischen KPÖ aus dem Jahr 2012 – wohl mit überregionaler Bedeutung – ist da sehr deutlich in der Sprache. "Ein grundlegender politischer Richtungswechsel", heißt es, "setzt eine Veränderung der Klassenmachtverhältnisse voraus. Erst dann ist es möglich, dass durch Massenkämpfe an die Stelle des finanzkapitalistischen Neoliberalismus ein neuartiger progressiver Sozialstaat tritt." Auch die kommunistische Internationale ist für die "marxistische Partei", wie sich die KPÖ definiert, noch ein Thema: "Die imperialistische Weltordnung kann nur gestürzt werden, wenn der historische Block der emanzipatorischen Veränderung auch eine international staatliche Dimension erhält."

Revolutionärer Geist

Überall weht zwischen den Zeilen noch revolutionärer Geist: "Die Chance, das Wegräumen des Sozialstaates, die Entwicklung zur sozialen Polarisierung zu stoppen und den Weg für eine solidarische Gesellschaft zu öffnen, hängt auch vom Widerstand im Parlament, in den Landtagen und in den Gemeinden ab. Dazu muss eine marxistische Massenpartei den parlamentarischen und außerparlamentarischen Kampf koordinieren."

Kritisch wird von der KPÖ die Zivilgesellschaft beäugt: "Die bürgerliche Zivilgesellschaft ist kein Gegenpol zu kapitalistischer Macht. Die Zivilgesellschaft ist das Ensemble einer ganzen Palette von Institutionen, die zwischen Staat und Ökonomie geschaltet sind, durch die eine herrschende Klasse, jenseits des herrschenden Zwangs, die freiwillige Zustimmung zu ihrer Produktionsweise, Politik, Ideologie und Kultur herstellt und sichert."

Pragmatischer Alltag

In der täglichen Politik nehmen freilich weder Elke Kahr noch Kay-Michael Dankl Bezug auf die theoretischen Leitlinien, die den Weg und das Ziel der kommunistischen Politik vorgeben. Der Politikalltag der KPÖ ist pragmatisch. Auch die immer wiederkehrende Frage, wie es die KPÖ mit Stalin, Russland, Putin und dem Ukrainekrieg hält, beantworten Kahr wie auch Dankl durchaus glaubwürdig dahingehend, dass sie mit all dem "nichts am Hut haben". Dankl will Putin wegen des Überfalls auf die Ukraine eingesperrt wissen "für seine Verbrechen".

Auf Distanz gehen beide auch zum steirischen Problemgenossen Werner Murgg, der mit seinen Russland-freundlichen Ausritten regelmäßig Empörung auslöst. Er wird bei der Landtagswahl 2024 jedenfalls nicht mehr antreten (dürfen).

Bruch mit Wien

Dass die steirischen Genossen ideologisch zwar treu, aber tagespolitisch butterweich daherkamen, registrierte die linientreue und theoriefeste Wiener KPÖ-Zentrale mit Abscheu. Es kam sogar zum Bruch. Das Verhältnis ist durch die Erfolge des roten Graswurzelkommunismus der Steirer langsam besser geworden.

Die steirischen KPÖ-Politiker spenden einen Teil des Gehalts, was jetzt auch der Salzburger Dankl übernahm. Das schafft durchaus Vertrauen und Sympathien, lässt aber vergessen, dass die KPÖ nie eine arme Partei war. Sie war sogar schon einmal richtig reich, die wohlhabendste Partei Österreichs. Parteiintern kursierte der Spruch: "Lieber eine reiche Partei als eine Partei der Reichen."

Tatsächlich baute die KPÖ nach 1945 ein wahres Firmenimperium auf. Sie selbst trat dabei nicht in Erscheinung, sondern wickelte ihre Geschäfte über Strohmänner ab, die wiederum Geld an die Wiener KP-Zentrale ablieferten. Provisionen für Geschäftsanbahnungen flossen zum Teil in Briefkastenfirmen in Liechtenstein oder in die Schweiz. Die Gesellschaften handelten mit dem damaligen Ostblock, das Firmengeflecht umfasste gut hundert Gesellschaften.

Kay-Michael Dankl und Elke Kahr, die Galionsfiguren der "neuen" KPÖ in Salzburg und Graz: tagespolitisch butterweich und pragmatisch, ideologisch aber weiterhin stramm marxistisch.
Foto: Collage: STANDARD / Lukas Friesenbichler; Fotos: Imago / Manfred Siebinger, APA / Erwin Scheriau

KPÖ-Kapitalismus

Die schillernde Persönlichkeit im KPÖ-Kapitalismus war die 2012 verstorbene Rudolfine Steindling, die"rote Fini". Die Kommerzialrätin führte die Außenhandelsgesellschaft Novum, die Anfang der 1950er-Jahre im damaligen Ostberlin gegründet wurde. Steindling unterhielt beste Kontakte zur politischen Elite der DDR und förderte zu Hause Künstler und Bedürftige. Bis in die 1980er-Jahre wussten selbst die Genossinnen und Genossen nichts von den kapitalistischen Umtrieben ihres Führungskaders.

Nur einmal trat die Spitze der KPÖ vor den Vorhang, als es um Turmöl ging. Die Partei wollte das Unternehmen verkaufen, der Strohmann Martin Maimann, ein Genosse, weigerte sich, den Treuhandvertrag abzugeben, und behauptete, das Unternehmen gehöre ihm. Die KPÖ ging vor Gericht und bekam recht. Turmöl wurde schließlich an die Doppler-Gruppe verkauft. Über die Höhe des Kaufpreises und darüber, wohin die Summe floss, existieren keine verlässlichen Angaben.

Immobilienbesitz

Umgefallen ist die KPÖ allerdings um den Riesenbesitz, den die "rote Fini" , verwaltet hatte. Es gab darüber einen langen Rechtsstreit mit Deutschland, ehe das Vermögen von einigen Hundert Millionen Euro Deutschland zugesprochen wurde.

Aber auch heute nagt die KPÖ nicht unbedingt am Hungertuch. Die Bundes-KPÖ besitzt einige zum Teil beachtliche Liegenschaften. In Graz etwa eine großflächige Parteizentrale samt Veranstaltungssaal in der Lagergasse, weiters die Parteilokalitäten in Wien und Salzburg, wo sie ein einträgliches Objekt in Bahnhofsnähe – ein ehemaliges Hotel – besitzt, deren Veranstaltungsareal an eine Brauerei verpachtet wird.

Sollte die KPÖ jedenfalls, wie es da und dort parteiintern schon überlegt wird, den Lead einer Linken in Österreich übernehmen wollen, wird sie nicht umhinkommen, ihre alten marxistisch-leninistischen Fundamente im Parteiprogramm einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Und im Sinne der Glaubwürdigkeit und Seriosität auch alle Besitzverhältnisse offenzulegen. Spätestens wenn die KPÖ im Parlament einziehen sollte, müsste sie diese Frage plausibel beantworten. (Walter Müller, 28.4.2023)