Til Schweiger vergangenen Herbst bei der Premiere seines Films "Lieber Kurt" in Wien.

Foto: IMAGO/(c) Kurt Piles / Imago / Wien

Til Schweiger weist anwaltlich alle Vorwürfe von sich. Nach dem Bericht im "Spiegel" vergangenen Freitag über Trunkenheit, Ausfälligkeiten und Handgreiflichkeiten des deutschen Schauspielers auf Filmsets melden sich nach Schauspielerin Nora Tschirner nun aber weitere Stimmen aus der Branche mit ihren Schweiger-Erfahrungen zu Wort.

In der "Süddeutschen Zeitung" ("SZ") vom Dienstag gibt die Produzentin Nina Maag von Bavaria Fiction etwa an, Schweiger sei "nur die Spitze des Eisbergs eines toxischen Systems". Vor zehn Jahren hat sie für Schweigers Produktionsfirma Barefoot Films gearbeitet, schon damals sei er schwierig gewesen. Nachdem sie deshalb ein klärendes Gespräch mit ihm gesucht habe, habe er sie erst monatelang ignoriert, schließlich fristlos gekündigt. Die Industrie stoppe Schweiger aus ihrer Sicht nicht, schreibt die "SZ", weil sie an ihm noch verdienen kann. "Es geht in dieser Branche um Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch. Und es kann nicht sein, dass Mitarbeiter, die die Schwachstellen des Systems im Sinne einer Verbesserung aufzeigen wollen, ganz offensichtlich mundtot gemacht werden", sagt Maag.

Verantwortung bei Produktionsfirmen

Angefragte Produktionsfirmen hingegen wollen sich offenbar nicht zur Causa äußern. Mehrere Sender und Verleiher bis hinauf zu Warner Bros. gaben der Zeitung gegenüber auf Nachfrage an, nicht in die Dreharbeiten und Herstellung der von ihnen verwerteten Filme von und mit Schweiger involviert gewesen zu sein. Die Constantin Film, deren Schweiger-Produktion "Manta Manta – Zwoter Teil" gerade in den Kinos zu sehen ist und die einen bereits abgedrehten Film mit Schweiger für Dezember im Ärmel hat, äußerte zuletzt im "Spiegel" lediglich, dass die "allgemeine Stimmung während der Dreharbeiten ganz überwiegend überdurchschnittlich positiv" gewesen sei.

Der NDR, der den "Tatort" mit Schweiger verantwortet, konnte auf Anfrage der "SZ" noch nicht sagen, ob es weitere Folgen davon geben wird. Man habe aber die "erhobenen Vorwürfe (…) wahrgenommen und uns diesbezüglich mit den in der Vergangenheit beteiligten Produktionsfirmen (…) in Verbindung gesetzt. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor."

"Recht und Gesetz" gelten für alle

Dafür bezog Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) Stellung. "Die Zeiten patriarchalischer Macker, die ihre Machtposition in übelster Form ausnutzen, sollten wirklich vorbei sein", erklärte sie am Dienstag. "Die Kultur- und Medienbranche ist aufgrund ihrer Struktur offenkundig anfällig für Machtmissbrauch, für sexualisierte Übergriffe und auch für den Verstoß gegen Arbeitsschutzregeln", sagte sie bei einem Pressegespräch der für sexuelle Belästigung und Gewalt in der Kultur- und Medienbranche zuständigen Vertrauensstelle Themis, aus dem der "Spiegel" am Dienstag zitierte. "Und ich sage ganz deutlich: Auch künstlerische Genies – oder angeblich künstlerische Genies – stehen nicht über Recht und Gesetz."

Wenige Drehtage und Druck seien "keinesfalls eine Entschuldigung" für Schweigers mutmaßliches Verhalten am Set. Sie erwartet sich von Constantin Film eine "lückenlose Aufklärung" und fordert von der Branche einen "Code of Conduct". Sollte das freiwillig nicht geschehen, will sie Fördergelder daran knüpfen. (red, 3.5.2023)