Österreich stöhnt unter einer Inflation von zuletzt 9,8 Prozent. Sozialminister Rauch lädt die Supermarktketten zum Krisengipfel.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ließ am Dienstag in der "ZiB 2" aufhorchen. Obwohl sein Institut lange gegen eine vorübergehende Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel war, meinte der Ökonom nun: "Ich denke, dass wir jetzt wirklich offen reden müssen, was funktionieren könnte." Gleichzeitig gab Felbermayr dabei zu bedenken: "Kriegt man die Mehrwertsteuer, wenn der Preisdruck sinkt, wieder zurück auf die zehn Prozent?"

Grund für die neue Offenheit beim Wifo, solches zumindest anzudenken, ist die erneut höhere Inflation. Diese schoss in Österreich im April auf 9,8 Prozent, in der Eurozone liegt sie bei nur 7,0 Prozent.

Katzian sieht Regierung gefordert

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian griff die Idee am Mittwoch prompt auf. Auf "Ö1" erneuerte der Sozialdemokrat die Gewerkschaftsforderung, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel temporär zu streichen oder wenigstens um die Hälfte zu reduzieren.

Felbermayr: "Dass der Abstand zur Eurozone so groß ist, muss uns schon zu denken geben."
Foto: IMAGO/SEPA.Media

Felbermayr empfahl in der "ZiB 2", als erste Schritte "bei den 20 bis 30 wichtigsten Lebensmitteln wirkliche Preistransparenz herzustellen". Wenn die Kundinnen und Kunden wüssten, wo die Preise am günstigsten sind, würde dies den Wettbewerb im Handel verstärken. Dies würde, anders als die Streichung oder Reduktion der Mehrwertsteuer, "auch nichts kosten".

Generell plädiert Felbermayr angesichts der wirtschaftlichen Situation mittlerweile für "ergebnisoffenes Nachdenken". Eine Mietpreisbremse, die die türkis-grüne Regierung wegen ÖVP-Widerstands vor wenigen Wochen nicht beschlossen hat, "wäre eine Chance gewesen" und sei nach wie vor eine brauchbare Möglichkeit.

Arbeiterkammer-Chefökonom Markus Marterbauer wirft der Regierung vor, "ein Jahr bei der Inflationsbekämpfung versäumt" zu haben, und fordert Eingriffe in die Preise.
Foto: AK/Lukas Beck

Teuerung trifft Einkommensschwache

Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer, befürwortet im Gespräch mit dem STANDARD ein Schrauben an der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, allerdings mit flankierenden Maßnahmen. Das untere Einkommensdrittel sei "von den hohen Nahrungsmittelpreisen natürlich am stärksten betroffen".

Seine Sorge sei aber, "dass wir das gleiche Phänomen wie bei der Mehrwertsteuer für die Gastronomie haben werden: Die Absenkung wird an Konsumenten nicht weitergegeben, und die Wiedereinführung führt zu Preiserhöhungen."

Daher müsse die Politik zugleich echte Preistransparenz schaffen. "Da braucht man scharfe Beobachtung und wirkliche Wettbewerbspolitik", sagt Marterbauer.

Preisgipfel

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) will die Lebensmittelpreise nicht auf sich beruhen lassen und lädt am 8. Mai zu einem Gipfel mit Supermarktvertretern. "Weshalb die Preissteigerungen bei Lebensmitteln deutlich über der ohnehin hohen Inflationsrate liegen, ist für das Sozialministerium nicht nachvollziehbar", heißt es aus seinem Büro zum STANDARD.

Es gebe dagegen eine Reihe von Vorschlägen. Bei einer Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel müsse aber gesichert sein, dass diese an die Konsumenten weitergegeben wird. Für Preissenkungen wolle man zunächst die Möglichkeiten der Handelsketten ausloten. Die ÖVP war bisher gegen eine Mehrwertsteuersenkung. (Lukas Kapeller, 3.5.2023)