Aufregung um hohe Gastro-Preise: Wie gerechtfertigt der Ruf nach neuen Hilfen ist, ist umstritten.

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Heben Wirte die Preise für ihre Speisen an, sorgt das stets für Zündstoff. Zuletzt lieferte der Salzburger Gastronom Sepp Schellhorn mit einer Rechnung in der Kronen Zeitung Stoff für Aufregung. Er rechnete pro Schnitzel mit einem Wareneinsatz von neun Euro: 3,10 Euro für 130 Gramm Kalbschnitzel, zwei Euro für zwei Eier, 40 Cent für Mehl und Brösel, 1,50 für 120 Gramm Butterschmalz und 50 Cent für die Petersil-Garnitur. Dazu rechnet er mit Mitarbeiterkosten von 18 Euro – und kommt auf Gesamtkosten von 27 Euro, im Lokal würde er lediglich einen Euro als Gewinn oben draufschlagen, erklärte Schellhorn.

Vor allem die neun Euro für die Rohstoffe sorgten auf Twitter für Spott. "Das zahlt nicht mal der Endverbraucher im Geschäft", machte sich eine Userin auf Twitter lustig. Wie hoch darf oder muss der Schnitzelpreis also sein? Warum steigen die Preise in der Gastronomie? Und warum ist die Bandbreite zwischen verschiedenen Lokalen so groß? Das hat DER STANDARD vor einigen Monaten aufgeschrieben.

Richtig ist, dass die Kosten an allen Ecken und Enden davongaloppieren. Sonnenblumenöl ist um das Dreifache teurer als im Vorjahr, die Großhandelspreise für Schweinefleisch sind gestiegen, auch die Energiekosten sind stark gestiegen – je nachdem, wie geheizt wird und welchen Vertrag man hat. All das ist auch bei den Gastronomen nicht so einfach vom Tisch zu wischen.

"Immer mehr Wirte müssen Kredite aufnehmen, um ihre laufenden Kosten zu decken", sagt dazu der WKO-Obmann der Gastronomen, Mario Pulker. Allein der Jahresbeitrag für den Strom in seinem eigenen Restaurant sei in diesem Jahr von 17.000 Euro auf 54.000 Euro gestiegen. "Dass bei solchen Preissteigungen von Körberlgeld gesprochen wird, macht Unternehmer stinksauer", kritisiert er.

Seither ist der Preis weiter gestiegen.

Knappe Kalkulation

Jürgen Pichler, Herausgeber von Rolling Pin, einem Fachmagazin für die Gastro- und Hotelleriebranche, kennt die Probleme und Kalkulationen in- und auswendig. Warum kann der eine sein Schnitzel um 14 Euro verkaufen, und der andere kommt mit einem Preis von 18 Euro nicht zurecht? Von Abzocke will Pichler nichts hören – im Gegenteil: Es sei höchste Zeit, dass sich da etwas tue, sagt er, ganz generell: "Österreich war immer ein Billigland. In Frankreich oder Deutschland zahlt man für die gleiche Qualität 30 bis 50 Prozent mehr."

Die heimischen Wirte hätten in der Vergangenheit viel zu knapp kalkuliert. Steigen die Preise, bleibe auch etwas übrig – und die Betriebe könnten ihr Personal besser bezahlen. Aufgrund des akuten Personalmangels sei dies dringend nötig. Viele müssten beim KV-Gehalt drauflegen, damit sie nicht selbst in der Küche stehen oder Schnitzel und Bier auftischen müssen.

Die übliche Kostenkalkulation, die ein Wirt aufstellt, lautet Pichler zufolge so: 30 Prozent gehen für die Ware drauf, 30 Prozent für Personal und 30 Prozent für Regie (Betriebskosten, Miete, Energie). Es ist eine theoretische Rechnung, die von vielen Variablen abhängt.

Zahlreiche Komponenten

Freilich wird im Gasthaus nicht nur gegessen. Bei Getränken sind die Margen deutlich höher. Doch wie sieht es bei der Leibspeise vieler Österreicherinnen und Österreicher aus? Viele Faktoren bestimmen den Preis. Steht der Wirt selbst in der Küche, besitzt er das Lokal und beschäftigt er nur eine geringfügig angestellte Aushilfe, sieht die Rechnung anders aus als bei einem Wirt, der einige Tausend Euro Pacht pro Monat zahlen muss und Vollzeitbeschäftigte und Lehrlinge angestellt hat. Erfreut sich ein Betrieb eines alten Mietvertrags, kann er anders kalkulieren als ein Neueinsteiger am Markt.

Wird das Schnitzel im Großhandel in rauen Mengen eingekauft, sieht die Rechnung noch einmal anders aus als für jemanden, der direkt vom Landwirt bezieht. Wieder anders kann ein Betrieb kalkulieren, der mit vielen standardisierten Prozessen und Produkten hocheffizient organisiert ist und in kurzen Zeiträumen viele hungrige Mäuler abfertigt. Schön ist es, wenn diese viel trinken, am besten Tee oder Leitungswasser – gegen Bargeld, versteht sich. Wareneinsatz und Zubereitungsaufwand sind niedrig, der Ertrag ist hoch.

Wasser nicht nur bis zum Hals, sondern weit darüber

Unabhängig von der momentanen Ausnahmesituation gibt es bei den Kosten für ein Schnitzel ein ordentliches Ost-West-Gefälle. Das zeigt eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts OGM aus dem vergangenen Sommer. Damals war im Bezirk Jennersdorf im Burgenland ein Schnitzel um durchschnittlich 8,85 Euro zu haben, im Bezirk Dornbirn musste man 16,65 Euro berappen. Dort, wo Touristen bereitwillig mehr bezahlen, steigt eben auch das Preisniveau für Einheimische.

Ist aber ein Schnitzelpreis von 25 Euro unredlich, wenn andere es um 12,90 verkaufen? Die Meinungen darüber gehen deutlich auseinander. Derzeit stehe den meisten Gastronomen das Wasser nicht nur bis zum Hals, sondern weit darüber hinaus, sagt Fachmann Pichler. In Gastro-Kreisen ist wiederholt zu hören, der Betrieb sei mittlerweile mehr zum Hobby verkommen.

Überförderung während Corona? Heute kämpfen viele Betriebe jedenfalls mit hohen Energiekosten.
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Überfördert wegen Corona

Und das trotz all der Corona-Hilfen und der teilweisen Überförderung während der Pandemie? Was widersinnig klingt, ist dennoch nicht unlogisch. Gerade deswegen, weil finanziell schwach aufgestellte Betriebe mit teils großzügigen Hilfen über die vergangenen Corona-Jahre getragen wurden, sind diese brustschwachen Unternehmen auch weiterhin am Markt. Jene, die in normalen Jahren verschwinden würden, weil sie kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, gibt es immer noch. Sie tun sich ganz sicher schwer, die gestiegenen Kosten zu verdauen.

Branchenvertreter wie der Wiener Wirtschaftskammer-Funktionär Peter Dobcak ziehen daraus ihre eigenen Schlüsse: "Während Corona kam es zwar zu Überförderungen, doch man darf die Branche jetzt nicht im Stich lassen", sagt er: "Viele haben nur durch staatliche Unterstützung überlebt, lässt man sie aber jetzt fallen, wäre das Geld absolut verschwendet gewesen."

Mehr Unterstützung bei den hohen Energiekosten fordert WKO-Gastronomenobmann Pulker: Vor allem die Energiekosten würden viele Gasthäuser überstrapazieren. "Der Energiekostenzuschuss wäre verdammt notwendig", so Pulker. Dieser wurde zwar bereits angekündigt, doch fehlt noch die entsprechende Verordnung dazu.

Teuerung in der Gastro und Inflation gleichauf

Sind die Preiserhöhungen also tatsächlich gerechtfertigt, und ab wann werden sie zur Abzocke? Reinhold Russinger zieht andere Zahlen zurate, wenn es um die Klärung dieser Frage geht. Für den Experten der Arbeiterkammer (AK) wäre alles andere als die Feststellung, dass die Gastronomie nun auf der Teuerungswelle mitreitet, falsch. Er redet lieber von Trittbrettfahrern.

Mit Vorwürfen hält sich Russinger dennoch zurück. Man müsse nur die Daten anschauen, diese sprächen für sich, sagt er. In den anderen EU-Ländern liege die Teuerung in der Gastro in den vergangenen Monaten immer um zwei bis drei Prozent unter der allgemeinen Inflation, in Österreich dagegen sei sie gleich hoch wie die Teuerung. Wenn der Wirt sein Schnitzel früher um 12,40 Euro verkauft habe und heuer einen bis zwei Euro draufschlage, sei das dennoch eine "satte Erhöhung". (Regina Bruckner, Andreas Danzer, Alicia Prager, 11.5.2022)